Schwedens Sonderweg zahlt sich aus – Positive Testergebnisse auf historischem Tiefstand

Die Quote der positiven Ergebnisse auf SARS-CoV-2 in Schweden sank auf einen historischen Tiefstand - und das trotz massiver Ausweitung der Anzahl der Tests. Schweden entschied sich, nicht in einen Lockdown zu gehen, sondern auf Vernunft, Selbstkontrolle und gesunden Menschenverstand zu setzen.
Von 9. September 2020

Schwedische Behörden melden, dass die Rate der bestätigten Infektionen auf einen historischen Tiefstand sank. Trotz eines Rekordwertes bei der Anzahl der Covid-19-Tests pro Woche sank die Quote der positiven Ergebnisse.

In der vergangenen Woche seien 120.000 Tests durchgeführt wurden. Nur 1,3 Prozent waren positiv. Im 2. Quartal lag die Positivrate teilweise bei um die 19 Prozent. Damit zahle sich laut Experten der schwedische Sonderweg aus.

„Unsere Strategie war konsequent und nachhaltig. Wir haben wahrscheinlich ein geringeres Ausbreitungsrisiko als andere Länder“, sagte Jonas Ludvigsson, Epidemiologie-Professor vom Karolinska Institut. Seinen Angaben nach dürfte Schweden nun eine höhere Immunität haben als die meisten anderen Staaten.

Auch in Deutschland ist nach RKI-Angaben die Positivrate rückläufig. In der 34. Kalenderwoche wurden 1.101.299 PCR-Tests untersucht. Lediglich 8.178 Ergebnisse fielen positiv aus. Das sind rechnerisch 0,74 Prozent der durchgeführten Tests.

Auf Vernunft und Selbstkontrolle gesetzt

Schwedens leitender Immunologe, Anders Tegnell plädierte von Anfang an dafür, eine Gesellschaft eher sanft und gezielt zu immunisieren, als sie streng zu isolieren. „Massenhafte Kontaktsperren führten nur dazu, dass der Erreger im Herbst wiederkehren werde“ zitierte „n-tv“ Tegnell.

Der Chef-Epidemiologe Schwedens argumentierte stets, dass sich die Welt erst in der ersten Phase eines langen Kampfes gegen Covid-19 befindet. Deshalb sei Schwedens Strategie, auf die Mitverantwortung der Menschen zu setzen, auf lange Sicht der einzig realistische Weg, damit umzugehen.

Schwedens Umgang mit dem Virus könnte daher nachhaltiger sein als die scharfen Maßnahmen in anderen Ländern, so das Fazit von William Hanage, Epidemiologe an der Harvard’s School of Public Health in Boston im Juli.

Schweden entschied sich, nicht in einen Lockdown zu gehen, sondern auf Vernunft, Selbstkontrolle und gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Das öffentliche Leben lief weiter, Gastronomie und Schulen blieben geöffnet. Es wurde jedoch ein Versammlungsverbot von über 50 Personen ausgesprochen.

China, das Epizentrum der Pandemie, steht in der Kritik, die Krise maßgeblich mitverschuldet zu haben – und kritisierte Schweden seinerseits für sein Vorgehen. Chinesische Staatsmedien bezeichneten Schwedens Vorgehen als „Kapitulation“ und Gefahr für andere Länder. Als Konsequenz schloss Schweden alle Konfuzius-Institute im Land und kappte auch andere Beziehungen, nachdem die öffentliche Meinung über China immer schlechter wurde.

Schwedens Behörden forderten: „Die Älteren sollten zu Hause bleiben, nicht die Kinder“

Regierungschef Stefan Löfven rief Ende März seine Landsleute in einer Fernsehansprache dazu auf, „Verantwortung zu übernehmen“ und sich an die offiziellen Empfehlungen zu halten. Das hieß, möglichst im Homeoffice zu arbeiten, bei Krankheit zu Hause zu bleiben, Abstand zu halten. Angehörige einer Risikogruppe und Menschen über 70 sollten ebenfalls nicht aus dem Haus gehen.

Die Menschen wurden gleichzeitig ermuntert, sich nicht im Haus zu verschanzen. „Zu Hause zu sitzen ist auch schlecht für die Gesundheit“, sagte der schwedische Epidemiologe Johan Giesecke im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender SVT. „Schnappen Sie sich einen Freund und gehen Sie in einem Meter Abstand spazieren. Nehmen Sie eine Thermoskanne mit und setzen Sie sich auf eine Parkbank“, empfahl der Wissenschaftler.

Die WHO lobte Anfang Juli Schwedens Strategie – was für viele Regierungen Europas brisant ist und diesen die Legitimation für die massiven Quarantänemaßnahmen entzieht.

Nach Angaben der Johns Hopkins Universität haben sich in Schweden 85.707 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. 5.838 Menschen starben mit oder an dem Virus. Schweden hat rund zehn Millionen Einwohner.

(Mit Material von afp und dpa)



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