Selenskyj: Mehr schwere Waffen gegen schwere Wochen
Drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erwartet Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere schwere Wochen für sein Land. Erneut fordert er mehr Waffen vom Westen, damit die Ukraine sich verteidigen kann.
Seit Kriegsbeginn haben die Vereinten Nationen mittlerweile mehr als 6,5 Millionen Menschen registriert, die aus der Ukraine geflohen sind – ein Großteil davon nach Polen. Mindestens 3.930 zivile Todesopfer wurden dokumentiert, die Zahl der von den UN bestätigten Verletzen beträgt 4.532. Schon jetzt seien die Verluste der Russen in der Ukraine so hoch wie die der Sowjets in Afghanistan, schätzt der britische Geheimdienst.
Friedensverhandlungen liegen derweil auf Eis. „Die kommenden Wochen des Krieges werden schwierig sein“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. „Dennoch haben wir keine Alternative als zu kämpfen. Kämpfen und gewinnen.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht derweil ein Öl-Embargo gegen Russland „in greifbarer Nähe“.
Selenskyj fordert mehr schwere Waffen
Präsident Selenskyj fordert vom Westen moderne Raketenabwehrwaffen und Kampfflugzeuge. Viele Menschen wären „nicht gestorben, wenn wir alle Waffen erhalten hätten, um die wir bitten“, sagte er in seiner Videobotschaft. Sein Land sei seit Kriegsbeginn Ziel von 3000 Luftangriffen und annähernd 1500 Raketenangriffen gewesen.
Die große Mehrheit der Angriffe habe zivilen Objekten gegolten. Alle Partner der Ukraine seien sich einig, dass der Kampf seines Landes gegen Russland dem „Schutz der gemeinsamen Werte aller Länder in der freien Welt“ diene, sagte Selenskyj weiter. Deshalb habe sein Land ein Recht auf Waffenhilfe.
Ukraine hofft auf Austausch von Mariupoler Kämpfern
Die in der Hafenstadt Mariupol gefangen genommenen ukrainischen Soldaten sollen nach dem Willen Selenskyjs mit der Unterstützung weiterer Staaten gegen russische Soldaten ausgetauscht werden. „Wir müssen sie austauschen“, sagte er der ukrainischen Agentur Interfax zufolge. Alle UN-Mitglieder sollten sich einschalten.
Im Stahlwerk von Mariupol im Süden der Ukraine hatten sich am Freitagabend nach wochenlanger Belagerung die letzten von mehr als 2400 ukrainischen Kämpfern ergeben. Von russischer Seite gibt es auch Forderungen, sie vor Gericht zu stellen. In der Ukraine war am Montag ein erster russischer Soldat wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Hauptziel in Mariupol erreicht?
Trotz des Falls der Hafenstadt Mariupol sieht ein Berater des ukrainischen Verteidigungsministers das militärische Hauptziel dort als erreicht an. „Das Hauptziel wurde erreicht in Mariupol. Es war, die russischen Gruppierungen zurückzuhalten, (…) mehr als 20.000 russische Soldaten. Und das wurde möglich gemacht Dank der Heldentaten der Verteidiger von Mariupol und der Verteidiger, die später in Azovstal waren“, sagte Jurij Sak im ARD-„Morgenmagazin“. Dadurch hätten die russischen Truppen keine anderen Gebiete im Osten der Ukraine erobern können.
Die Soldaten von Azovstal hätten den Ukrainern Zeit gegeben, sich neu zu gruppieren und mehr Militärhilfe von ihren internationalen Partnern zu erhalten. „Aus dieser Perspektive wurde das Ziel erreicht“, so Sak. Die letzten ukrainischen Kämpfer im Asow-Stahlwerk in Mariupol hatten sich in der vergangenen Woche ergeben.
Ukraine berichtet wieder von getöteten Zivilisten
Bei russischen Angriffen im Osten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben drei Zivilisten getötet worden. Sechs weitere Menschen seien verletzt worden, schrieb der Gouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf Telegram.
Ebenfalls im Osten der Ukraine soll Infrastruktur der Eisenbahn zerstört worden sein. Bei vier Raketeneinschlägen im Gebiet Dnipropetrowsk seien Gleise sowie die Oberleitungen schwer beschädigt worden, teilte Gouverneur Walentyn Resnitschenko auf seinem Telegram-Kanal mit. In vielen Regionen des Landes – vor allem in der Zentralukraine und im Osten – gab es in der Nacht Luftangriffe.
London: Lokale Fortschritte der Russen im Donbass
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste gelangen Russland bei seiner Offensive in der Ostukraine einige lokale Fortschritte. Moskau habe die Intensität seiner Aktivitäten im Donbass deutlich verstärkt und versuche dort, mehrere Städte zu umzingeln, hieß es am Dienstagmorgen in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums. Allerdings sei dies nur ein Teil von Russlands Mission, die gesamte Donbass-Region unter seine Kontrolle zu bringen. Der ukrainische Widerstand sei stark. Sollte sich die Frontlinie im Donbass weiter nach Westen verschieben, werde dies mutmaßlich weitere logistische Schwierigkeiten für die Russen mit sich bringen, so die britischen Geheimdienste.
Russland zeigt sich siegesgewiss
Derweil gibt sich Russland trotz Rückschlägen weiter siegesgewiss. „Trotz der umfangreichen westlichen Hilfe für das Kiewer Regime und des Sanktionsdrucks auf Russland werden wir die spezielle Militäroperation fortsetzen, bis alle Aufgaben erfüllt sind“, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu der Agentur Interfax zufolge.
Schoigu wiederholte die Behauptung, Russland habe sich zu dem Angriff gezwungen gesehen – „zum Schutz unserer Leute vor einem Genozid und auch zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“. Der Vizechef des nationalen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, erklärte: „Alle vom Präsidenten (Wladimir Putin) gesetzten Ziele werden erreicht. Anders kann es gar nicht sein, weil die Wahrheit, auch die historische, auf unserer Seite ist.“ Der ehemalige Geheimdienstchef, der zu Putins engen Vertrauten gehört, stellte seine Landsleute zugleich auf länger anhaltende Kämpfe ein. „Wir hecheln nicht irgendwelchen Fristen hinterher“, sagte er der Boulevardzeitung „Argumenty i Fakty“.
Habeck: Öl-Embargo greifbar
Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht ein Öl-Embargo gegen Russland „in greifbarer Nähe“. Es gebe nur noch wenige Staaten, die Probleme anmeldeten – vor allem Ungarn, sagte der Vizekanzler im ZDF-„Heute Journal“. Man könne Rücksicht nehmen, dann müsse aber auch in Ungarn „was passieren“.
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten zu beenden. Als Kompromiss will sie Ungarn mehr Zeit einräumen.
Lawrow: Russland sollte auf Eurasien setzen
Sanktionen und die „diktatorische Position“ des Westens gegenüber Russland beschleunigen nach Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen seines Landes zu China.
Moskau werde sich nur auf sich selbst und auf diejenigen Staaten verlassen, die „ihre Zuverlässigkeit bewiesen haben“, sagte Lawrow den Agenturen Ria Nowosti und Tass zufolge. Russlands Zukunft liege in der Region Eurasien. Hier seien China, Indien und der Iran wichtige Partner.
„Time“ listet Selenskyj unter 100 einflussreichsten Menschen
Selenskyj ist vom „Time Magazine“ zu einem der 100 einflussreichsten Menschen des Jahres 2022 gekürt worden. „Mit Präsident Selenskyj haben die Menschen in der Ukraine ein Staatsoberhaupt, das ihrer Tapferkeit und ihrer Widerstandsfähigkeit würdig ist, während Bürger über das ganze Land hinweg… für ihr Zuhause und ihre Freiheit kämpfen“, schreibt dazu US-Präsident Joe Biden.
Im russischen Krieg gegen sein Land habe Selenskyj „seine Spuren in der Geschichte hinterlassen“. Auch der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, schaffte es auf die bereits am Montag veröffentlichte Liste, auf der auch Putin zu finden ist.
Das bringt der Tag
In Davos in den Schweizer Alpen geht die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) weiter. Wichtigstes Thema bleibt der Krieg in der Ukraine. Als Redner werden unter anderen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet. Auch die EU-Agrarminister in Brüssel wollen die Lage in der Ukraine erörtern. (dpa/mf)
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