Sensation in Argentinien: Libertärer Javier Milei ist neuer Präsident

Mit einem in dieser Deutlichkeit überraschenden Ergebnis gewann der Libertäre Javier Milei die Stichwahl um das Präsidentenamt in Argentinien gegen den Peronisten Massa. Im Kongress ist er auf die Stimmen anderer Parteien angewiesen.
Javier Milei ist der neue Präsident Argentiniens.
Javier Milei ist der neue Präsident Argentiniens.Foto: Natacha Pisarenko/AP/dpa
Von 20. November 2023


In Argentinien stehen die Zeichen seit Sonntagabend, 19. November, auf Wechsel. Mit vor allem in dieser Höhe überraschenden 55,7 Prozent liegt der Libertäre Javier Milei in der Stichwahl um das Präsidentenamt uneinholbar vor dem peronistischen Kandidaten Sergio Massa. Die Zahlen beziehen sich auf einen Auszählungsgrad von 99 Prozent.

„Heute beginnt der Wiederaufbau von Argentinien. Das ist ein historischer Abend“, sagte Milei nach der Bekanntgabe des Ergebnisses am Sonntagabend. „Ich will eine Regierung, die ihre Pflicht erfüllt, die das Privateigentum und den freien Handel respektiert.“

Regierungskandidat Massa räumte seine Niederlage ein. „Javier Milei ist Präsident. Ich habe ihm gratuliert, denn die Mehrheit der Argentinier hat ihn gewählt“, sagte er. „Ab morgen liegt es in der Verantwortung des gewählten Präsidenten, Sicherheit und Garantien zu bieten, und wir hoffen, dass er dies tun wird.“

Nach der ersten Runde am 22. Oktober erschien ein Sieg von Milei, der zuvor bei den Vorwahlen ein Ausrufezeichen gesetzt hatte, noch als wenig wahrscheinlich. Massa hatte 36,7 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereint und war mit fast sieben Punkten Vorsprung in die Stichwahl gegangen. Milei war mit 30 Prozent deutlich unter den Erwartungen geblieben.

Fast alle Bullrich-Stimmen wanderten zu Milei

Augenscheinlich ist dem Libertären, der in Stil und Inhalt mit den Ex-Präsidenten der USA und Brasiliens, Donald Trump und Jair Bolsonaro, verglichen wird, jedoch eine massive Mobilisierung gelungen. Vor allem die Wähler der Drittplatzierten im ersten Durchgang, Patricia Bullrich, scheinen fast geschlossen an Milei gegangen zu sein. Die Mitte-rechts-Politikerin hatte 23,8 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereint.

Milei gelang es, für die Stichwahl mehr als sechs Millionen zusätzliche Stimmen auf sich zu vereinen. Im ersten Wahlgang war Bullrich auf mehr als 6,3 Millionen Stimmen gekommen. In der Stichwahl entschieden sich knapp 14,5 Millionen Wähler für Milei. Massa kommt auf mehr als 11,5 Millionen. Im Oktober hatte er bereits fast zehn Millionen Stimmen erhalten. In Swing States wie Cordoba war die Wahlbeteiligung deutlich angewachsen.

Massa hat noch in der Wahlnacht seine Niederlage eingestanden. Zu den ersten Gratulanten gehörte der ehemalige US-Präsident Donald Trump, der auf Truth Social kommentierte:

„Die ganze Welt hat zugesehen! Ich bin sehr stolz auf dich. Du wirst deinem Land die Wende bringen und Argentinien wieder groß machen.“

Linke beschworen soziale Errungenschaften des Peronismus

Dass Milei nach seinem Überraschungserfolg bei den Vorwahlen im August im ersten Wahlgang unter den Erwartungen blieb, war als Schuss vor den Bug interpretiert worden. Der Ökonom war im Wahlkampf mit einer Kettensäge aufgetreten. Er versprach unter anderem eine radikale Kürzung von Staatsausgaben, eine Abschaffung der Zentralbank und die Anbindung Argentiniens an den US-Dollar.

Die Linke kritisierte ihn vor allem wegen radikaler Positionen zu Themen wie Leihmutterschaft oder der Möglichkeit des Verkaufs eigener Organe. Milei hatte sich dafür ausgesprochen, beides gesetzlich zu erlauben. Außerdem soll er sich verharmlosend über die argentinische Militärdiktatur der Jahre 1976 bis 1983 geäußert haben.

Im Wahlkampf beschwor die Linke die Errungenschaften des Peronismus. In Videos erzählte sie Geschichten ehemals armer und einfacher Menschen, die es durch staatliche Schulbildung und Sozialpolitik geschafft hätten, aufzusteigen. Ein Wahlsieg Mileis, so die Botschaft, würde diese Errungenschaften zunichtemachen.

Argentinien zieht Schlussstrich unter Politik des Kirchner-Clans

In jüngsten Zeit waren es allerdings eher die Folgen der peronistischen Regierungspolitik, die den einfachen Menschen in Argentinien zusetzten. Zum Ende des Jahres wird eine Inflationsrate von 180 Prozent erwartet. Der Anteil der Armen im Land ist seit der Corona-Krise von 30 auf 40 Prozent gestiegen.

Dazu kommt eine ausgeprägte Korruption auf allen Ebenen des Staatsapparats. Vor allem der Kirchner-Clan, als dessen verlängerter Arm der scheidende Präsident Alberto Fernández gilt, soll ein beispielloses System der Vetternwirtschaft eingerichtet haben.

Obwohl die frühere Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wegen Korruption zu einer nicht rechtskräftigen Haftstrafe verurteilt wurde, zieht sie in ihrer Partei die Fäden. Die Witwe des Altpräsidenten Néstor Kirchner selbst darf wegen einer lebenslangen Ämtersperre nicht mehr antreten.

Fernández stand aufgrund der schlechten Lage im Land nicht mehr für eine Wiederkandidatur zur Verfügung. Stattdessen schickten die Peronisten Wirtschaftsminister Sergio Massa ins Rennen. Dieser galt zwar weder als korrupt noch als Kirchner-nahe, dennoch machten ihn viele Argentinier für die wirtschaftliche Misere verantwortlich und setzten in der Stichwahl auf einen umfassenden Wechsel.

Im Kongress wird Milei Unterstützung anderer Parteien benötigen

Milei will nun der Korruption im Staat die Grundlage entziehen, indem er dessen Macht beschränkt. Massive Ausgabenkürzungen, Privatisierungen und Dezentralisierungen sollen den Weg dorthin bahnen.

Er will den Arbeitsmarkt liberalisieren, den Sicherheitskräften die Möglichkeit zu einem härteren Durchgreifen gegen Kriminalität geben und das Waffenrecht liberalisieren. Mit seiner Gegnerschaft zur Abtreibung, seinem „Nein“ zu Sexualkunde und LGBTQ*-Inhalten an Schulen und seiner Klimaskepsis wird sich Milei international im woken Lager Feinde machen.

Gleichzeitig hat er sich noch in der Wahlnacht mit einem Olivenzweig präsentiert – als Signal an seine Gegner, zum Wohle des Landes zusammenzuarbeiten. Im Kongress ist er auch auf Unterstützung angewiesen, vor allem aus dem Mitte-rechts-Lager. Die Peronisten verfügen in Senat und Abgeordnetenhaus nach wie vor über relative Mehrheiten mit deutlich mehr als 40 Prozent der Sitze. Mileis eigene Partei „Freiheit voran“ kommt im Senat auf knapp zehn und in der Abgeordnetenkammer auf 15 Prozent der Mandate.

Hinwendung zu den USA – Distanz zur KP Chinas

Außenpolitisch wird sich Milei wieder deutlich an den USA orientieren. Der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, beglückwünschte Milei zu seiner Wahl „und das argentinische Volk zur Abhaltung freier und fairer Wahlen“.

In einem Posting auf X erklärte er, die USA würden sich darauf freuen, „auf unsere starken bilateralen Beziehungen aufzubauen, die auf unserem gemeinsamen Engagement für Menschenrechte, demokratische Werte und Transparenz beruhen“.

Auch Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte eine Botschaft an den Wahlsieger. Er erklärte:

„Ich wünsche der neuen Regierung viel Glück und Erfolg. Argentinien ist ein großartiges Land und verdient unseren ganzen Respekt.“

Brasilien werde „immer bereit sein, mit unseren argentinischen Brüdern zusammenzuarbeiten“, schrieb Lula auf X. Milei hatte seine Politik im Wahlkampf kritisiert und ihn als „wütenden Kommunisten“ bezeichnet. Die auch von Lula angestrebte Integration Argentiniens in die BRICS dürfte nun jedoch schwieriger werden. Zudem hatte Milei mehrfach deutlich gemacht, das von der KP regierte China nicht als Partner zu sehen.



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