So restriktiv wie Dänemark: Nordeuropa will gemeinsame Flüge für Ausreisepflichtige organisieren

Fünf nordeuropäische Länder, unter anderem Dänemark und Schweden, wollen bei der Rückführung irregulär eingereister Asylsuchender enger zusammenarbeiten. Durch eine restriktive Einwanderungspolitik will man sozialem Unfrieden gegensteuern.
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Dänemark wird für ganz Nordeuropa zum Vorbild für eine restriktive Asylpolitik.Foto: Axel Heimken/dpa/Symbolbild
Von 4. November 2023

Nordeuropa rückt näher zusammen. Bei einem Treffen in Kopenhagen verständigten sich die zuständigen Minister von Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island auf eine restriktive Asylpolitik. Für die Rückführung irregulär eingereister Ausländer wollen die Länder ihre Zusammenarbeit verstärken. Zudem wolle man die Kooperation mit der europäischen Grenzsicherungsagentur Frontex ausbauen.

Fünf Länder wollen Frontex in die Pflicht nehmen

Wie Medien unter Berufung auf die Nachrichtenagentur „Reuters“ berichten, wollen die Länder unter anderem gemeinsame Flüge für Ausreisepflichtige organisieren. Frontex soll dabei helfen, die Betroffenen in ein Drittland zu bringen. Im Vorjahr sei den EU-Grenzschützern dies in 25.000 Fällen gelungen, wobei die Ausreise in 40 Prozent davon freiwillig erfolgt sei.

Darüber hinaus will die Staatengruppe „gestrandete irreguläre Migranten in Nordafrika“ bei der freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer unterstützen. Alternativ soll es auch die Möglichkeit von Hilfen bei der Wiedereingliederung in ein Drittland geben. Jahr für Jahr stranden Zehntausende Menschen in Nordafrika, die zuvor Schlepper für eine Verbringung in den Norden, hauptsächlich in die EU, bezahlt hatten.

Auch mit Drittstaaten wolle man die Zusammenarbeit bei der Rückführung ausbauen, äußerte Dänemarks Migrationsminister Kaare Dybvad Bek. Künftig solle es auch regelmäßige Treffen der Minister aller fünf Staaten geben, um den Fortgang der Zusammenarbeit auszuwerten.

Wie Dänemark seine Abschreckungspolitik aufgebaut hat

Dänemark ist mittlerweile offenbar für den gesamten nordeuropäischen Raum zum Vorbild für eine restriktive Asylpolitik geworden. Diese hatten Mitte der 2010er-Jahre die Sozialdemokraten begründet, um Stimmenverlusten nach Rechtsaußen gegenzusteuern.

Dabei hat die Regierung in Kopenhagen unter anderem Maßnahmen gesetzt, um die Zahl an Asylsuchenden deutlich zu drücken. So will man Flüchtlinge nur im Rahmen des UN-Quotensystems aufnehmen. Von einer Teilnahme an einer EU-weiten Asylpolitik ist das Land aufgrund der Ausnahmeregelungen vom Maastricht-Vertrag von vornherein ausgenommen.

Die Regierung in Kopenhagen hat unter anderem Sozialleistungen für Flüchtlinge gekürzt und in größerem Umfang Geld- durch Sachleistungen ersetzt. Dazu behält man sich vor, Wertgegenstände im Besitz der Schutzsuchenden einzubehalten. Im Jahr 2015 hatte Dänemarks Regierung sogar im Libanon eine Anzeigenkampagne gestartet, um Fluchtwillige abzuschrecken.

Höhe der Sozialleistungen als entscheidender Faktor für Attraktivität des Ziellandes?

Die Politik der Kürzung von Sozialleistungen und die rückläufigen Asylantragszahlen in Dänemark bewirkten Debatten darüber, ob und inwieweit zwischen beiden ein direkter Zusammenhang bestehe. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern der US-amerikanischen Princeton University bejahte einen solchen Zusammenhang. Dies habe eine Untersuchung über die Entwicklung von Einwanderung und Sozialleistungen für Einwanderer in Dänemark zwischen 1980 und 2017 bestätigt.

Demgegenüber bestreitet Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung in Berlin zumindest eine kurzfristige Kausalität dieser Art. Er äußerte gegenüber dem MDR:

Die Situation von Flucht ist häufig gekennzeichnet von sehr kurzfristigen Entscheidungen und auch von sehr eingeschränkten Möglichkeiten, überhaupt irgendwohin zu kommen.“

In Dänemark bewegt sich die Zahl der Asylbewerber monatlich mittlerweile nur noch im niedrigen dreistelligen Bereich.

Österreich sieht Dänemark als mögliche Inspiration in der Asylpolitik an

Die Regierung in Kopenhagen strebt zudem Abkommen mit Drittstaaten zur Durchführung von Asylverfahren an. Mit dem Kosovo gibt es bereits eines über die Organisation von Abschiebehaft.

Die EU-Kommission hatte die Pläne ursprünglich scharf kritisiert und als Verstoß gegen EU-Recht bezeichnet. Im Juni hatte Brüssel jedoch selbst ein Abkommen mit Tunesien geschlossen, das zum Ziel hatte, die Einreise von Asylsuchenden in die Staatengemeinschaft zu verhindern.

Zudem werden auch in Deutschland und Österreich Forderungen laut, sich an diesem Modell zu orientieren, das Großbritannien vorexerziert hat. Bereits im Jahr 2021 hatte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer Kopenhagen besucht, um sich dort Anregungen zu holen.

Bandenkriminalität und Desintegration in Schweden als Anlässe für Verschärfungen

Spätestens seit der Regierungsübernahme einer Koalition unter Tolerierung durch die weit rechten „Schwedendemokraten“ will auch Schweden dem Beispiel folgen – und für Asylsuchende möglichst unattraktiv werden.

In Stockholm macht man Einwanderer für eine massive Zunahme der Bandenkriminalität und die Desintegration ganzer Stadtteile verantwortlich. Da viele Beteiligte keine Asylbewerber sind, sondern in Schweden geboren wurden und Staatsangehörige sind, ist der Nutzen der Maßnahmen ungewiss.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich Schweden und andere Länder schon bald ein Vorbild an paternalistischen Maßnahmen nehmen, die Dänemark gegen Einwanderer richtet, die man als nicht „westlich“ genug betrachtet.

Um „Gettos“ den Kampf anzusagen, werden mehrere Kriterien definiert, auf deren Basis Wohnviertel beurteilt werden. Erreichen die Quartiere diese nicht, kann notfalls mittels Zwangsumsiedlungen die gewünschte soziale Balance wiederhergestellt werden. Kritiker ziehen bezüglich der Bewertungen und der damit verbundenen möglichen Konsequenzen bereits Vergleiche mit Sozialkreditsystemen.

Werden Einwanderer auch über Asylsuchende hinaus zum Sündenbock gestempelt?

Die finnische Regierung hatte bereits im Juni beschlossen, die Flüchtlingsquoten zu senken und Ausländern den Erwerb der Staatsbürgerschaft zu erschweren. Innenministerin Mari Rantanen hatte die bisherige Praxis der Rückführungen als „das schwache Glied in unserem System“ bezeichnet.

In Norwegen wiederum könnte die ohnehin schon vielfach als übergriffig beanstandete Praxis der Jugendämter verschärft werden. Kritikern zufolge richtet sich diese vor allem gegen sozial Schwache und gegen Einwandererfamilien.

Schwedens Regierung will auch die Mindestanforderungen an die Lohnhöhe bei der Migration von Arbeitskräften erhöhen. Damit, so Malmer Stenergard, solle der überdurchschnittlichen Zuwanderung in gering bezahlte Arbeit entgegengewirkt werden. Angesichts der – ähnlich wie in den meisten anderen EU-Ländern – deutlich sinkenden Geburtenrate sehen Beobachter darin eine nicht gänzlich risikoarme Wette.



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