„Souveränität in Migrationsfragen“: Frankreichs Republikaner wollen EU-Recht außer Kraft setzen können

Die französische Partei Les Républicains fordert eine Verschärfung des Einwanderungsgesetzes, das die Regierung in den kommenden Monaten vorlegen will. Zudem will sie Ausnahmeregeln im EU-Recht erreichen – nach dem Vorbild Dänemarks.
Titelbild
Eric Ciotti, der Vorsitzende der französischen Partei Les Republicains (l.) und der Vorsitzende der LR-Fraktion in der Nationalversammlung Olivier Marleix am 5. April 2023 in Paris.Foto: Thomas Samson/AFP via Getty Images
Von 23. Mai 2023

In Frankreich haben die Republikaner zwei neue Gesetzesentwürfe zur Asyl- und Migrationspolitik vorgestellt. Der Präsident der Partei Les Républicains (LR), Éric Ciotti, sprach in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Journal du Dimanche“ über das seiner Meinung nach sowohl „mutige“ als auch „ernste Projekt des Bruchs, um der Masseneinwanderung Einhalt zu gebieten“.

Laut dem LR-Vorsitzenden Ciotti sei es dabei notwendig, die Verfassung zu ändern. Mit der Einführung von Ausnahmeregeln müsse EU-Recht außer Kraft gesetzt werden können, wenn „fundamentale Interessen der Nation“ auf dem Spiel stünden. Nach dem Vorschlag der Republikaner sollten künftig Referenden zu Migrationsfragen abgehalten werden können.

„Die Franzosen müssen wählen können, wen sie willkommen heißen, wen sie nicht willkommen heißen wollen, und wer keinen Platz mehr auf unserem Territorium hat“, sagt Ciotti gegenüber „Le Journal du Dimanche“. Nur durch die Verfassungsänderung könne „unsere Souveränität in Migrationsfragen“ wiederhergestellt werden.

Wenn Regierungen bisher gescheitert seien, liege das an „ideologischer Selbstzufriedenheit wie denen von Herrn Hollande oder Herrn Macron, aber auch an echten rechtlichen Hindernissen“, so der LR-Abgeordnete weiter.

Abstimmung für Einwanderungsgesetz für Juli geplant

Die Vorstellung der zwei Gesetzestexte erfolgt im Vorfeld der Gespräche mit Premierministerin Elisabeth Borne. Diese hatte im April zunächst angekündigt, das neue Einwanderungsgesetz müsse auf Herbst verschoben werden. Als Grund nannte sie, dass sich die konservativen Les Républicains untereinander nicht einig wären.

Dann erfolgte jedoch ein Sinneswandel. Einer Quelle aus dem Umfeld von Elisabeth Borne zufolge könne die Regierung nun doch im Juli einen Gesetzesentwurf zur Einwanderung vorlegen, wie aus einem Artikel der Zeitung „cnews.fr“ hervorgeht.

So habe die Premierministerin den Innenminister Gérald Darmanin aufgefordert, die „Konsultationen“ in diese Richtung wieder aufzunehmen. Dieser hatte bereits einen Text vorgelegt, dessen Prüfung für Ende März im Senat vorgesehen war. Präsident Emmanuel Macron hatte jedoch zunächst dessen Verschiebung angekündigt.

Entwurf laut Ciotti „nicht antieuropäisch“

Ein weiterer Unterstützer der zwei neuen Gesetzesvorlagen aus den Reihen der Republikaner ist der LR-Fraktionsvorsitzende der Nationalversammlung, Olivier Marleix. Dieser stellte in dem Interview mit „Le Journal du Dimanche“ klar, dass seine Fraktion nur dem eigenen Entwurf zustimmen werde. „Es geht um ihn oder um nichts“, sagte er. Dabei wies er darauf hin, dass sich die Regierung mit dem Gesetz seit einem Jahr Zeit lasse.

LR-Parteichef Ciotti betonte zudem, dass es sich bei dem Vorwurf keinesfalls um einen europafeindlichen Text handele.

Dieser Entwurf ist nicht antieuropäisch“,

sagte der konservative Politiker. Am Beispiel Dänemark könne man sehen, wie Einwanderungskontrolle funktionieren könne. Denn dieses Land habe Ausnahmeregeln in der EU durchgesetzt.

Blick auf Dänemark: Besuch zur Analyse der Migrationspolitik

Deshalb reist Ciotti auch ab diesem Dienstag, 23. Mai, nach Dänemark, um „die Politik der drastischen Reduzierung der Migrationsströme“ des skandinavischen Landes zu analysieren, so die Zeitung „cnews.fr“.

Seine Partei hatte in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass Dänemark „eine der strengsten Einwanderungspolitiken in Europa betreibt“. Die Partei gratulierte dem Land, das „nach der Aushandlung einer Reihe von Ausnahmen von EU-Verträgen den Kurs seines Schicksals wieder aufnehmen konnte“.

Schweden und Dänemark galten über viele Jahre hinweg als bevorzugte Ziele für Asylsuchende in Europa. Mittlerweile, so der „Focus“, sind diese Zeiten vorbei, wie ein aktuelles Ranking des dänischen Ministeriums für Einwanderung und Integration zeige. Grund sei der harte Kurswechsel in der Migrationspolitik.

So habe das dänische Parlament bereits im Jahr 2002 die Geldleistungen für Nicht-EU-Bürger um die Hälfte gekürzt. Dieser Kurs sei in der Migrationskrise noch einmal verschärft worden. Das skandinavische Land habe sich zudem über das Schengen-Abkommen der EU hinweggesetzt und 2016 einen Kontrollposten an der deutsch-dänischen Grenze errichtet, so der „Focus“ weiter.

Bis heute könnten die Behörden vor dem Hintergrund des „Schmuckgesetzes“ ankommenden Asylsuchenden Wertsachen ab einem Wert von umgerechnet rund 1.340 Euro abnehmen. Dies wäre in Deutschland undenkbar.

Gesetzesvorlage sieht verschärfte Bedingungen vor

Die beiden Gesetzesvorschläge der Republikaner in Frankreich bestehen laut „Le Journal du Dimanche“ aus einem einfachen Gesetzentwurf und einem Verfassungsentwurf. Ersterer werde laut der Partei Les Républicains die meisten Vorschläge des Senates nach der Prüfung des Regierungstextes aufgreifen.

Darunter fallen eine Verschärfung der Bedingungen für den Zugang zu staatlicher medizinischer Hilfe, zur Familienzusammenführung, zum Asylrecht oder auch zu Sozialleistungen für Ausländer. Und der Text des Verfassungsgesetzes sehe unter anderem vor, dass „niemand seine Religion als Vorwand nehmen kann, um von der allgemeinen Regel abzuweichen“.



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