Spanien: Über 200 Bürgerinitiativen gegen ökologischen „Irrweg“ der Regierung

Großkonzerne und Regierung treiben in Spanien den Ausbau von Wind- und PV-Anlagen kräftig voran. Unter dem Motto „Erneuerbare Energien ja – aber nicht so!“ weisen die Bürger auf viele vermeintliche Nachteile hin, die diese Großprojekte mit sich bringen.
Spanien: Über 200 Bürgerinitiativen gegen Energiepläne der Regierung
Spanien baut riesige Solarenergie-Industriefelder, wie hier in Andalusien. Ebenso wird die Windkraft stark ausgebaut.Foto: iStock
Von 17. Januar 2023

Spanien will sich künftig nicht nur selbst mit Energie versorgen, sondern auch im großen Maßstab andere europäische Länder. Photovoltaik brachte in Spanien Anfang des Jahres 2022 rund 15 Gigawatt (GW) Spitzenleistung, bis zum Jahr 2030 sollen es mindestens 39 GW werden. Ein entscheidender Motor für die Großprojekte sind Investoren aus dem Ausland, auch aus Deutschland. Damit soll zusätzliche Energie für die deutsche Industrie zur Verfügung gestellt werden.

In Deutschland gibt es viel Widerstand gegen erneuerbare Projekte, besonders gegen Windkraftanlagen. Für Großkonzerne ist es ertragreicher, den Widerstand zu umgehen, in sonnenreicheren Ländern den Strom produzieren zu lassen und dann zu importieren.

„Erneuerbare Energien ja – aber nicht so!“

Widerstand bildet sich jedoch auch in Spanien, wo dieses „koloniale Projekt“ betrieben wird, wie es viele lokale Aktivisten mittlerweile bezeichnen.

„Keiner hat die Spanier gefragt, ob sie Energieproduzent und -lieferant für Mittel- und Nordeuropa werden wollen“, erklärte der Biologe und Aktivist Luis Bolonio von der Umweltorganisation ALIENTE (Alianza Energía y Territorio) gegenüber der „Taz“. Im Energieplan aus dem Jahr 2020 stünde nichts davon, dass die Anlagen für Erneuerbare Energien in Spanien auch andere Länder versorgen sollten. Stattdessen sei von Nachhaltigkeit und Eigenbedarf die Rede.

Bolonio forderte: „Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez muss einen neuen Plan vorlegen, in den solche Großprojekte eingebunden werden. Und die Bevölkerung muss beteiligt werden.“

Laut dem Aktivisten sind die Bürgerinitiativen nicht pauschal gegen eine Energiewende. Sie sollte nur mit Vernunft durchgeführt werden, entsprechend dem Motto von ALIENTE „Erneuerbare Energien ja – aber nicht so!“. Das Allgemeinwohl, Rücksicht auf die Natur und Bürgerinteressen müssten im Vordergrund stehen. Die Organisation fordert eine ordnungsgemäße Planung der Anlagen und eine ausreichende Bürgerbeteiligung.

Profite vor ökologischem Nutzen

Einer der deutschen Großinvestoren ist RWE. Der Energieriese betreibt in Spanien bereits Onshore-Windparks sowie kleinere Wasserkraftwerke. Außerdem ist das Unternehmen in zahlreichen Photovoltaik-Projekten wie in der spanischen Provinz Toledo beteiligt, ebenso am solarthermischen Kraftwerk Andasol 3. Ein weiteres Solarkraftwerk wurde im Jahr 2020 südlich der Stadt Ciudad Real in Betrieb genommen. Es verfügt über eine Kapazität von 45 Megawatt. Ende des Jahres 2022 nahm RWE die Freiflächen-Photovoltaikanlage Casa Valdes mit 44 Megawatt nahe Madrid in Betrieb.

Auch der Hamburger Wind- und Solarparkbetreiber Encavis AG hat von Hive Energy (Großbritannien) einen baureifen 55-Megawatt-Solarpark in Spanien erworben. Die Solarparkentwicklung befindet sich in Guillena (Andalusien), einer Stadt in der Nähe von Sevilla.

Momentan stünden die Interessen von multinationalen Unternehmen und Energieversorgern im Vordergrund, beklagte Bolonio in einem Artikel von „Riffreporter“. Denn „vom Boom der Erneuerbaren Energien profitieren vor allem große Konzerne“. Die Verbraucher hingegen würden mit die höchsten Strompreise in Europa zahlen.

Korrupte Verwaltung

Hinzu komme, dass die öffentliche Verwaltung in Spanien äußerst korrupt sei. „Anders als in Italien agiert die Mafia hier nicht außerhalb der Verwaltung, sie sitzt mittendrin“, schilderte der Aktivist die Lage. Sie würde nicht im Interesse der Bürger handeln, sondern mache gemeinsame Sache mit den großen Unternehmen. Diese wenigen Großunternehmen würden die derzeitige Energiewende vorantreiben.

„Jedoch sind sie weniger am Kampf gegen die Erderhitzung interessiert, sie nutzen es als eine Gelegenheit zur Steigerung ihrer Profite“, vermutet Bolonio. Mittlerweile seien die Unternehmen Aktiengesellschaften; Iberdrola und Endesa zählen zu den größten. Das bedeute, dass die Energiewende in Spanien letztendlich entscheidend von ausländischen Investoren und von wenigen Großunternehmen vorangetrieben werde. Zu den Investoren zählen unter anderem BlackRock, aber auch der Norwegische Staatsfonds.

Das Logo des spanischen Energieriesen Endesa auf einer Windkraftanlage. Foto: JOSE LUIS ROCA/AFP via Getty Images

Energiewende auf dem Irrweg

Die Umweltorganisation ist fest davon überzeugt, dass „die Energiewende in ihrer jetzigen Form ein Irrweg ist“. Sie würde kaum zur Lösung der Klimakrise beitragen, stattdessen richte sie irreversible Umweltschäden im ganzen Land an. Der Biologe appelliert:

Deshalb setzen wir uns für ein Ausbau-Moratorium (Aufschiebung) von sechs bis zwölf Monaten ein, die genutzt werden sollten, um eine wirkliche Energiewende in Gang zu setzen. Eine, die sowohl naturschonend als auch sozial gerecht ist.“

Dabei sollten die Verantwortlichen besonderen Wert auf die Lebensweise und die Erhaltung der Lebensqualität der Menschen in den betroffenen Regionen legten. Auch der Naturreichtum ihrer Heimat solle erhalten bleiben. Diese Menschen würden sich zudem dagegen wehren, dass die Befürworter der jetzigen Energiewende sie „als rückständig bezeichnen oder gar als Klimawandelleugner diffamieren.“

Gewaltiger Flächenbedarf

„Es gibt keine Planung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien“, meinte Bolonio. „Die Regierung gibt nur Gigawattzahlen vor, die Auswahl der Flächen bleibt den Betreibern der Anlagen überlassen.“ Im Jahr 2021 lag die installierte Leistung spanischer Wind- und Solarenergieanlagen bei rund 43 GW. Der Integrierte Energie- und Klimaplan der spanischen Regierung (PNIEC) sieht allerdings vor, diese Leistung bis 2030 auf 89 GW zu erhöhen.

Die Installierte Solarleistung in Spanien in den letzten Jahren. Foto: Bildschirmfoto, Quelle: Wikipedia

„Aber allein die Leistung der zurzeit geplanten Wind- und Fotovoltaikanlagen beläuft sich auf über 200 Gigawatt. Das entspricht einem gewaltigen Flächenbedarf“, kritisierte Bolonio.

Eine spanische PV-Anlage auf Land nimmt durchschnittlich 2,2 Hektar ein. „Würde das Land alle Wind- und Solarprojekte, die derzeit zur Genehmigung anstehen, realisieren, dann würden sie nach unseren Berechnungen eine Fläche von 8.000 bis 10.000 Quadratkilometern einnehmen“, schilderte Bolonio.

Das entspricht der Ausdehnung einer durchschnittlich großen spanischen Provinz oder knapp viermal der Fläche des gesamten Saarlandes.

Eine großflächige PV-Anlage. Foto: iStock

Schaden für die Umwelt

Im Weiteren bemängelt der Aktivist die negativen Auswirkungen der aktuellen spanischen Energiewende auf die Umwelt. Er nennt es „den folgenschwersten Umwelteingriff, den Spanien in den vergangenen beiden Jahrhunderten erlebt hat.“ Dieses „ökologische Desaster“ würde sich nicht im Laufe von Jahrzehnten vollziehen, sondern innerhalb weniger Jahre.

So seien in Spanien manche Vogelarten auf die großen, freien Flächen zur Nahrungsbeschaffung angewiesen. Wenn diese durch PV-Anlagen zugebaut sind, wären diese Arten vom Aussterben bedroht. Auch bei den Windkraftanlagen liegt der Verdacht nahe, dass die Mortalität durch Vogelschlag durch die Rotorblätter viel höher ist als bislang bekannt.

Die Umweltorganisation würde bei der Energiewende an einem ganz anderen Punkt ansetzen: dem Energiesparen. „Unser Wirtschaftssystem ist derart verschwenderisch, es wird schlicht unmöglich sein, die gesamte derzeit verbrauchte Menge an fossiler Energie durch grüne Energie zu ersetzen“, sagte Bolonio.

Der gleichen Ansicht seien auch Experten des Weltklimarats IPCC: In einem kürzlich geleakten Report habe eine Gruppe von ihnen darauf hingewiesen, dass nur eine radikale Reduktion des Energieverbrauchs, vor allem bei den reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung, eine Veränderung bewirken könne. Diese Reduktion wäre sogar ohne größere Einbußen unserer Lebensqualität möglich.



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