Stahlwerk in Mariupol: Weitere Zivilisten sollen evakuiert werden
In Mariupol haben internationale Helfer eine erneute Evakuierung von im Asow-Stahlwerk eingekesselten Zivilisten vorbereitet. Nachdem am Wochenende erstmals dutzende Menschen das riesige Industriegelände verlassen konnten, sollte am Montagmorgen eine erneute Rettungsaktion beginnen. Während in Mariupol eine für die Evakuierungsaktion vereinbarte Waffenruhe galt, gingen die russischen Angriffe in der übrigen Donbass-Region weiter. Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Kämpfe erteilte Russlands Außenminister Sergej Lawrow eine Absage.
Die Evakuierung am Montag sollte nach Angaben des Leiters der Militärverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, eigentlich um 07.00 Uhr (Ortszeit; 06.00 Uhr MESZ) beginnen. Bis zum Mittag waren die Evakuierungsbusse nach Angaben des Rathauses von Mariupol jedoch noch nicht an der vereinbarten Sammelstelle angekommen.
Mehr als 100 Menschen evakuiert
Am Sonntag waren nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mehr als 100 Menschen aus dem Stahlwerk fortgebracht worden. Sie wurden am Montag in der 220 Kilometer entfernten Stadt Saporischschja erwartet. Wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, standen auf einem zu einer Flüchtlingsaufnahmestelle umgewandeltem Parkplatz am Stadtrand von Saporischschja zwei gepanzerte Allrad-Fahrzeuge des UN-Kinderhilfswerks Unicef sowie Fahrzeuge weiterer Hilfsorganisationen.
Koordiniert wurden die Evakuierungsaktionen vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Abstimmung mit den Kriegsparteien. „Zum ersten Mal hat es in diesem Gebiet für zwei Tage eine echte Waffenruhe gegeben“, erklärte Selenskyj am Sonntagabend.
Das strategisch wichtige Mariupol am Asowschen Meer ist zum Symbol der russischen Kriegsführung in der Ukraine geworden. Russische Truppen hatten die inzwischen weitgehend zerstörte Stadt bereits in den ersten Kriegstagen umzingelt. Die Ukraine schätzt die Zahl der seit Beginn der Belagerung gestorbenen Menschen in Mariupol auf mindestens 20.000. Mittlerweile ist das Industriegelände des Konzerns Asow-Stahl die letzte Bastion des ukrainischen Widerstands in der Stadt.
In den unterirdischen Gängen der elf Quadratmeter großen Anlage befinden sich nach Angaben der ukrainischen Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk noch hunderte Zivilisten. Auch in einem russischen Medienbericht war von noch etwa 500 Zivilisten die Rede. Die Menschen haben kaum Zugang zu Wasser und Nahrung, viele benötigen zudem medizinische Hilfe.
Donbass unter Beschuss
In den übrigen Teilen des Donbass setzten die russischen Streitkräfte ihre Angriffe mit unverminderter Härte fort. Intensive Kämpfe meldete die ukrainische Armee vor allem aus den Städten Isjum, Rubischne und Lyman. Dort versuchten die russischen Truppen, „die Kontrolle zu übernehmen, um ihren Angriff auf Sewerodonezk vorzubereiten“, erklärte der ukrainische Generalstab.
Im Schwarzen Meer versenkte die ukrainische Armee unterdessen nach eigenen Angaben zwei russische Patrouillenboote. Bei dem Einsatz kamen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew Bayraktar-Drohnen zum Einsatz, die die Ukraine aus der Türkei bezieht.
Ein baldiges Ende der Kämpfe scheint nicht in Sicht. Russland strebe nicht an, seinen Militäreinsatz in der Ukraine bis zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland am 9. Mai zu beenden, sagte Außenminister Sergej Lawrow dem italienischen Fernsehsender Mediaset. „Unser Militär wird seine Handlungen nicht künstlich an irgendeinem Datum ausrichten.“
Am 9. Mai feiert Russland traditionell den Sieg über Nazi-Deutschland mit einer Militärparade und einer Rede des Staatschefs auf dem Roten Platz in Moskau. Experten hatten lange angenommen, dass Präsident Wladimir Putin an dem symbolisch wichtigen Datum einen großen Sieg in der Ukraine verkünden will.
Der Westen arbeitet unterdessen an einer Verschärfung seiner Sanktionen gegen Russland. Ein von der EU-Kommission geplantes Öl-Embargo dürfte das Sondertreffen der EU-Energieminister am Montagnachmittag bestimmen. Ein Importverbot für russisches Öl wird inzwischen auch vom lange zögerlichen Deutschland unterstützt. (afp/mf)
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