Zustimmung von allen – außer Deutschland: Von der Leyens Nominierung entzweit die große Koalition

"Es ist bitter, dass die Demokratie verloren und das Hinterzimmer gewonnen hat“, sagte CSU-Chef Söder zu den Ergebnissen der EU. Die SPD erklärt: Eine Politikerin, die "überhaupt nicht zur Wahl gestanden hat, kann nicht überzeugen".
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SPD, CDU/CSU.Foto: Gutzemberg/iStock
Epoch Times2. Juli 2019

Die Nominierung der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin entzweit die große Koalition. Die SPD verweigerte nach Angaben der Parteiführung ihre Zustimmung zu der Brüsseler Personalentscheidung.

Merkel nannte es „ein gutes Zeichen“, dass mit von der Leyen zum ersten Mal eine Frau an die Spitze der mächtigen EU-Kommission rücke. Erstmals seit dem CDU-Politiker Walter Hallstein vor 52 Jahren stelle Deutschland damit wieder den Kommissionspräsidenten, betonte sie.

Scharfe Kritik kam dagegen aus der Berliner SPD: Dass mit von der Leyen eine Politikerin zum Zuge komme, die Ende Mai bei der Europawahl nicht als Spitzenkandidatin einer Parteiengruppe zur Wahl gestanden habe, „kann nicht überzeugen“, erklärten die kommissarischen SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel. „Damit würde der Versuch, die Europäische Union zu demokratisieren, ad absurdum geführt.“

Grüne, CSU und SPD lehnen ab

Die Grünen wiesen den Brüsseler Personaldeal als „grotesk“ zurück. „Wir brauchen nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner, der persönliche Interessen und Parteipolitik befriedigt“, erklärte die Ko-Fraktionsvorsitzende Ska Keller aus Deutschland. „Das ist nicht, was die europäischen Bürger verdienen.“

CSU-Chef Markus Söder hat die Niederlage für Manfred Weber im Poker um den Posten des künftigen EU-Kommissionspräsidenten als Niederlage für die Demokratie und für Europa kritisiert. „Manfred Weber wäre der legitime Kommissionspräsident gewesen, das wäre auch der demokratischste Weg gewesen. Es ist bitter, dass die Demokratie verloren und das Hinterzimmer gewonnen hat“, sagte Söder. Gleichwohl trägt die CSU die Nominierung Ursula von der Leyens als künftige Kommissionspräsidentin mit.

Die SPD verweigert ihre Zustimmung

Die ablehnende Haltung der SPD führte dazu, dass sich die deutsche Bundesregierung auf dem EU-Gipfel bei der Nominierung einer deutschen Kandidatin für den mächtigen Posten an der Kommissionsspitze enthalten musste. Merkel respektierte nach eigenen Angaben mit ihrem Stimmverhalten im EU-Rat die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD.

Dass mit der bisherigen Bundesverteidigungsministerin eine Politikerin zum Zuge komme, die „überhaupt nicht zur Wahl gestanden hat, kann nicht überzeugen“, erklärten die kommissarischen SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel. „Damit würde der Versuch, die Europäische Union zu demokratisieren, ad absurdum geführt. Aus diesem Grund lehnt die SPD den Vorschlag von EU-Ratspräsident Donald Tusk ab.“

Mit Frans Timmermans, Manfred Weber und Margrethe Vestager seien „drei veritable Kandidaten bei der Europawahl angetreten, um die EU-Kommission künftig zu führen“, erklärten die SPD-Chefs.

Wir brauchen einen politischen Wettbewerb zwischen den Parteien in Europa, nicht zwischen den Mitgliedsländern. Wir sind überzeugt, dass nur auf diesem Weg die Europäische Union weiter an Souveränität und Legitimation bei den Bürgerinnen und Bürgern gewinnen kann.“

In ihrer Erklärung verwiesen Dreyer, Schwesig und Schäfer-Gümbel auch auf den Koalitionsvertrag der großen Koalition.

„Im Koalitionsvertrag haben die drei Regierungsparteien vereinbart, dass wir ein Europa der Demokratie mit einem gestärkten Europäischen Parlament wollen und Europa bürgernäher und transparenter werden soll“, erklärten sie. „Wir haben weiter vereinbart, wie wir das Europäische Parlament in seiner Handlungsfähigkeit stärken wollen.“ Dies sei mit der Entscheidung zugunsten von der Leyens aber nicht gegeben.

Zustimmung von allen – außer Deutschland

Die SPD reagierte mit Verärgerung – zumal es zuvor so ausgesehen hatte, als ob mit dem Niederländer Frans Timmermans ein Sozialdemokrat an die Kommissionsspitze treten könnte. Wegen des großen Widerstands einiger EU-Mitgliedsländer schlug Ratspräsident Donald Tusk dann aber am Nachmittag unerwartet die deutsche Ministerin von der Leyen vor. Sie erhielt – abgesehen von der Enthaltung Deutschlands – die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten.

Auch andere SPD-Politiker reagierten verärgert. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sagte, seine Partei werde von der Leyen die Unterstützung aufkündigen. „Wir haben als Koalitionspartner von der Leyen bisher immer geschont. Das können wir so nicht mehr aufrecht erhalten“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Lauterbach sprach von einer „skandalösen Schwächung der EU und des Wahlverfahrens“. Es gehe nicht an, „dass schwächelnde Minister, die im EU-Wahlkampf keinerlei Rolle gespielt haben, jetzt in Brüssel versorgt werden sollen“.

Auch der frühere SPD-Parteichef Martin Schulz übte heftige Kritik. „Das ist ein Sieg von Viktor Orban und den Osteuropäern“, sagte Schulz dem „Spiegel“. Diese hätten den Sozialdemokraten Timmermans „verhindert, der für die Rechtsstaatlichkeitsprinzipen in der EU steht“. Der Spitzenkandidatenprozess sei nun „tot“ sagte Schulz. „Die Regierungschefs um Angela Merkel und Emmanuel Macron dealen im Hinterzimmer etwas aus und führen das Europäische Parlament vor.“

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete von der Leyen gegenüber dem „Handelsblatt“ als „gescheiterte Verteidigungsministerin“. Ihr nun einen „eleganten Ausstieg“ nach Brüssel zu ermöglichen, sei „ein starkes Stück“. (afp)



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