Studien: „TikTok schädigt Jugendliche“ – US-Bundesstaat Montana verbietet Plattform

Die von Chinas KP-Regime kontrollierte Videoplattform TikTok will gegen ihr Verbot im US-Bundesstaat Montana klagen. Studien erheben derweil schwere Vorwürfe.
Montana hat als erster US-Bundesstaat die in China entwickelte Social-Media-App Tiktok verboten - deshalb klagt der Konzern jetzt.
Montana hat als erster US-Bundesstaat die in China entwickelte Social-Media-App TikTok verboten – deshalb klagt der Konzern jetzt.Foto: Matt Slocum/AP/dpa
Von 23. Mai 2023

Die Videoplattform TikTok will sich gegen ihr Verbot im US-Bundesstaat Montana vor Gericht wehren. Die Plattform des von Chinas KP-Regime kontrollierten ByteDance-Konzerns sieht sich in ihrem Recht auf Redefreiheit nach dem Ersten Verfassungszusatz verletzt. In der Vorwoche beschloss der Bundesstaat ein generelles Verbot der Plattform ab 2024.

Gouverneur Greg Gianforte erklärte dazu, er wolle die „persönlichen und privaten Daten der Menschen in Montana vor der Kommunistischen Partei Chinas schützen“. Für jeden Verstoß gegen das Gesetz droht eine Geldstrafe von 10.000 US-Dollar pro Tag. Inwieweit sich das Verbot praktisch und technisch umsetzen lässt, ist strittig.

Strenge Vorgaben für die App in China selbst

Mit mehr als einer Milliarde Nutzerinnen und Nutzern weltweit ist TikTok besonders bei der jüngeren Generation beliebt. Die Video-App hat hinsichtlich der Nutzungszeit längst andere große Netzwerke wie YouTube, Twitter, Instagram und Facebook überholt.

Der Dienst steht im Verdacht, chinesischen Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten Zugang zu Nutzerdaten in westlichen Ländern zu ermöglichen. Deshalb haben zahlreiche Länder ihren Staatsbediensteten die Nutzung von TikTok auf Diensthandys untersagt. Die Plattform soll auch Peking-kritische Inhalte zensieren und User tracken.

Weitere Vorwürfe gegen TikTok lauten auf Manipulation durch Fake News oder Unterminierung von Gesellschaften. Ein Argument dafür ist, dass in China selbst die Nutzung des Dienstes durch Jugendliche zeitlich begrenzt ist. Außerdem ist der Algorithmus darauf ausgelegt, sozialschädliche Inhalte von chinesischen Jugendlichen fernzuhalten. In westlichen Ländern kennt TikTok diese Restriktionen nicht.

Elon Musk präsentiert verstörenden Bericht über TikTok

Mehrere Studien untermauern mittlerweile den Vorwurf, wonach TikTok eine Schädigung seiner oft minderjährigen Nutzer in westlichen Ländern billigend in Kauf nehme. Die englischsprachige Epoch Times hat dazu eine Analyse veröffentlicht.

Vor einigen Tagen teilte Tesla-CEO Elon Musk den Screenshot eines Berichts auf Twitter. Aus diesem ging hervor, dass die App schädliche Inhalte über Selbstverletzung, Essstörungen und Selbstmord in die Feeds von Kindern schiebt. Musk nannte dies „extrem destruktiv, wenn es stimmt“. Er verwies auf eine kürzlich veröffentlichte Studie des Center for Countering Digital Hate (CCDH), einer britischen gemeinnützigen Organisation.

Mitarbeiter der Einrichtung hatten sich zu Zwecken ihrer Recherche als 13-jährige Teenager ausgegeben und in mehreren westlichen Ländern Accounts angelegt. In einem Fall fügten sie ihrem Namen einen Zusatz hinzu, der den Wunsch erkennen ließ, Gewicht zu verlieren.

Schädliche Inhalte ungefiltert im Feed

Innerhalb von nur 30 Minuten erhielten die Nutzer Empfehlungen von Videos mit potenziell gefährlichen Inhalten. Diese bezogen sich unter anderem auf Essstörungen, Selbstbeschädigung oder psychische Probleme. Ein Konto bekam innerhalb von zweieinhalb Minuten sogar eine Empfehlung, die sich auf Selbstmord bezog.

Wo ein Begriff wie „Abnehmen“ in einem Konto auftauchte, erhielt dieses dreimal mehr sozialschädliche Empfehlungen wie Nutzer ohne diesen Zusatz. Zudem waren zwölfmal mehr Empfehlungen zu Themen wie Selbstmord oder Selbstverletzung in deren Feed.

Nach Veröffentlichung der Studie entfernte die Plattform einige der markierten Videos. Die Urheberkonten und Videos mit ähnlichen Inhalten blieben jedoch bestehen. Es schien wenig Probleme zu bereiten, Inhaltsfilter durch Tarnbegriffe zu umgehen.

„Hass auf den eigenen Körper“, „Selbstverletzung“

Einer Pew-Research-Studie vom April zufolge nutzen mehr als zwei Drittel der US-amerikanischen Teenager TikTok. In 16 Prozent der Fälle bestünden sogar Anzeichen eines suchtähnlichen Verhaltens. Der CEO des CCDH, Imran Ahmed, äußerte über TikTok:

Es fördert bei den Kindern den Hass auf ihren eigenen Körper und extreme Vorschläge zur Selbstverletzung und eine ungeordnete, möglicherweise tödliche Einstellung zum Essen.“

Die Corona-Pandemie hat die Abhängigkeit vieler Kinder und Jugendlicher von der App noch deutlich verstärkt. In der Folge seien bei Jugendlichen zunehmend psychische Auffälligkeiten aufgetreten, beispielsweise Symptome, die Tic-Störungen ähneln.

Einem Bericht des „Wall Street Journal“ aus dem Jahr 2021 zufolge sehen Experten an führenden Kinderkliniken in den USA, Kanada, Australien und Großbritannien eine Gemeinsamkeit in fast allen Fällen. Fast alle betroffenen Teenager seien intensive Nutzer von TikTok gewesen.

Häufig fänden sich auf der Plattform auch Videos, die Nutzer laienhaft dazu aufforderten, sich hinsichtlich gängiger psychischer Erkrankungen selbst einzuschätzen. Viele würden sich in den Störungen wiedererkennen und davon überzeugt sein, dass sie an diesen leiden.

TikTok schlägt Profit aus den Sorgen und Ängsten Jugendlicher

Eine am 3. Januar von der Londoner Wohltätigkeitsorganisation für psychische Gesundheit stem4 veröffentlichte Studie bestärkt die Kritik. Soziale Medien führen demnach bei Kindern und jungen Erwachsenen zu einem geringen Selbstwertgefühl und zu Unzufriedenheit mit ihrem Äußeren.

Für die Studie befragte die Organisation 1.024 Kinder und junge Erwachsene im Alter von zwölf bis 21 Jahren in Großbritannien. Von diesen waren 97 Prozent in sozialen Medien aktiv und verbrachten durchschnittlich 3,65 Stunden pro Tag mit Smartphone-Apps.

Die Studie ergab, dass 77 Prozent der Befragten mit ihrem Aussehen unzufrieden waren. Einige sagten, dass sie sich für ihren Körper „schämen“. Fast die Hälfte der Befragten gab zudem an, negative und hasserfüllte Kommentare über ihr Aussehen erhalten zu haben.

Von den Befragten gaben 42 Prozent – 51 Prozent der Frauen und 31 Prozent der Männer – an, unter psychischen Problemen zu leiden. Der TikTok-Algorithmus scheint dabei wie ein Brandbeschleuniger zu wirken. Experten zufolge sei es ein Ziel des Dienstes im Westen, den Gewinn zu maximieren. Notfalls nehme man dafür in Kauf, dass gepushte Inhalte die Gemüter von Kindern und Jugendlichen schädigen.

(Mit Material von AFP)



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