Syrische Kurden: Angriff der Türkei würde Kampf gegen die Reste des IS um Jahre zurückwerfen

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Protest gegen eine mögliche türkische Militäroffensive in Syrien: Eine Frau hält das Porträt eines kurdischen Kämpfers, der im Kampf gegen die Terrormiliz IS getötet wurde.Foto: Ahmad Baderkhan/AP/dpa/dpa
Epoch Times9. Oktober 2019

Seit der Einnahme des syrischen Dorfes Baghus im Frühjahr ist das „Kalifat“ des Islamischen Staats (IS) in Syrien zerschlagen. Doch die angekündigte türkische Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) im Nordosten des Landes könnte es der Dschihadistenmiliz erlauben, sich neu zu formieren. Denn ein Angriff der Türkei würde die YPG-Miliz zwingen, ihre Kräfte vom Kampf gegen die Dschihadisten abzuziehen.

Die IS-Miliz sei weiter eine Bedrohung und könnte bald „Metastasen“ bilden, wenn die YPG gezwungen sei, „ihre Aufmerksamkeit und Ressourcen für eine Schlacht zur Verteidigung gegen die Türkei umzuleiten“, warnt Sam Heller von der International Crisis Group. Auch die kurdische Autonomieverwaltung, die den Nordosten Syriens kontrolliert, warnt, dass eine türkische Offensive den Anti-IS-Kampf um Jahre zurückwerfen werde.

„Der Kampf gegen den IS ist nicht vorüber“, sagt Abdulkarim Omar, der die Autonomieverwaltung in auswärtigen Fragen vertritt. „Es gibt hunderte Schläferzellen in den jüngst befreiten Gebieten.“ Auch die US-Streitkräfte hatten seit der Einnahme der letzten IS-Bastion am Euphrat wiederholt gewarnt, dass die Dschihadisten sich neu sammeln könnten, wenn der Druck der Staatengemeinschaft auf die Extremistengruppe nachlasse.

Trotzdem hatte US-Präsident Donald Trump am Wochenende nach einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan angekündigt, die US-Truppen aus dem Nordosten Syriens abzuziehen, wo sie die YPG bisher im Kampf gegen die IS-Miliz unterstützten. Damit schien er grünes Licht für eine Intervention der Türkei zu geben, um eine „Sicherheitszone“ an der türkischen Grenze zu den Kurdengebieten in Nordsyrien umzusetzen.

Die Türkei sieht die Präsenz der YPG an der Grenze seit langem als Bedrohung, da sie eng mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden ist. Zwar versicherte Trump nach massiver Kritik aus seiner Republikanischen Partei inzwischen, die USA würden ihre kurdischen Alliierten nicht fallen lassen. Doch scheint die Türkei entschlossen, mit der lange angedrohten Militäroffensive ernst zu machen. Die Folgen, so befürchten nicht nur die syrischen Kurden, wären katastrophal.

Sorge bereiten insbesondere die gefangenen IS-Kämpfer. Die YPG hält seit der Einnahme der letzten IS-Bastion tausende Dschihadisten gefangen, darunter viele Ausländer. Im Lager Al-Hol befinden sich zudem 12.000 Frauen und Kinder von IS-Kämpfern. Die YPG hat bereits wiederholt gewarnt, sie könne die Dschihadisten und ihre Angehörigen nicht mehr bewachen, wenn sie ihre Truppen für den Kampf gegen die Türkei abziehen müsse.

„Im Fall eines Sicherheitsvakuums könnten diese Kriminellen die Gelegenheit finden auszubrechen“, warnt Omar. Das Lager Al-Hol sei ohnehin eine „Zeitbombe“. Schon lange berichten die YPG über Angriffe auf Wachen, Morde und Ausbruchsversuche. Erst im September rief der IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi seine Anhänger auf, die gefangenen IS-Kämpfer und ihre Familien aus der Haft im Irak und in Syrien zu befreien.

Das Institute for the Study of War warnte vergangene Woche in einem Bericht, die IS-Miliz versuche, Wachen zu bestechen und Frauen aus den Lagern zu schmuggeln. Vermutlich bereite die Gruppe „koordiniertere und komplexere Einsäzte“ vor, um ihre gefangenen Anhänger zu befreien, warnte das Forschungsinstitut. Auch besteht die Sorge, dass sich die IS-Anhänger in den Lagern neu gruppieren.

Die Türkei versichert, sie werde nicht zulassen, dass die IS-Miliz „in irgendeiner Form zurückkehrt“. Der Experte Heller warnt aber, Aufstände und Ausbruchsversuche würden wahrscheinlicher, wenn die YPG ihre Truppen abziehe. Wenn die IS-Kämpfer im folgenden Chaos ausbrechen, könnten sie neue Angriffe vor Ort verüben. Oder sie könnten ins Ausland fliehen und sich dort anderen Extremistengruppen anschließen.(afp)

 



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