Demonstrant im Gespräch mit ET: „Wenn du deine Freiheit nicht beschützen willst, bist du kein Hongkonger“

Die "Epoch Times" in Hongkong sprach mit Demonstranten, die an den bereits seit zwei Monaten anhaltenden Protesten teilnehmen. Sie schildern ihre Beweggründe und ihre Sicht auf das, was bisher geschah.
Titelbild
Hongkong erlebt einen turbulenten Sommer. Immer wieder kommt es zu Unruhen in der Metropole. Diesmal gerieten Polizisten und Protestler aneinander nach einer Demonstration gegen chinesische Händler.Foto: Kin Cheung/AP/dpa
Epoch Times15. August 2019

Die Gesichter auf den Fotos von den Protesten in Hongkong, die die letzten Monate die Titelseiten füllen, sehen jung aus. Denn der Großteil der Demonstranten ist im Teenageralter und in den Zwanzigern. Sie verbrachten den Großteil der Sommermonate dieses Jahr anders als ihre Altersgenossen in anderen Regionen – auf mit Tränengas gefüllten Straßen.

Die „Epoch Times“ sprach kürzlich mit mehreren Demonstranten darüber, warum sie seit Juni die Demonstrationen fortsetzen. Um Repressalien der örtlichen Polizei zu vermeiden, die seit Beginn der Massenproteste rund 700 Demonstranten verhaftet hat, wählten sie sich Nicknamen aus.

Hongkonger befürchten Verlust der Rechtsstaatlichkeit durch die KP China

Die meisten äußerten die Befürchtung, dass aufgrund des umstrittenen Auslieferungsgesetzes, das aufgrund der Proteste mittlerweile zurückgezogen wurde, Hongkong seine Unabhängigkeit vom chinesischen Regime verlören hätte.

Sie befürchteten, dass der Gesetzesvorschlag es der Kommunistischen Partei China ermöglicht hätte, jeden aus Hongkong, der vor Gericht steht, unter das undurchsichtige Rechtssystem in Festland-China zu stellen. Damit wäre die Rechtsstaatlichkeit Hongkongs untergraben und eine unabhängige Justiz nicht mehr vorhanden gewesen.

Demonstranten werfen während einer Demonstration gegen das umstrittene Auslieferungsgesetz im Bezirk Sham Shui Po in Hongkong am 11. August 2019 Tränengas zurück, das von der Polizei verschossen wurde. Foto: ANTHONY WALLACE/AFP/Getty Images

Demonstranten fürchten, dass Hongkong sich nicht mehr vom Festland unterscheidet

Hongkong, eine ehemalige britische Kolonie, wurde 1997 in die chinesische Souveränität zurückgeführt. Die meisten der jungen Demonstranten wissen nicht, wie das Leben vor der chinesischen Herrschaft war – denn sie wurden entweder nach der Übergabe geboren oder waren vor der Übergabe sehr jung.

Aber sie befürchten, dass ihre Stadt dann nicht mehr vom chinesischen Festland zu unterscheiden sei, wo ein autoritäres Regime keine Grundfreiheiten zulässt.

Ah Ming, ein 24-jähriger Student sagt:

Seit dem 4. Juni 1989, also der gewaltsamen Niederschlagung der friedlichen Studentenbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens, hat das chinesische Regime wirtschaftliche Maßnahmen ergriffen, um die Menschen zu besänftigen …, wenn ein Gebiet wirtschaftlich floriert, werden die Bürger die persönlichen Freiheiten vergessen und sich nicht mehr auf die Regierung konzentrieren.“

Hongkonger Demonstranten zeigen ein Poster des berühmten „Panzermanns“, der vor chinesischen Militärpanzern auf dem Tiananmen-Platz in Peking sich stellte. Hongkong ist die einzige chinesische Stadt, die offen an das Massaker vom 4. Juni 1989 erinnern kann. Foto: DALE DE LA REY/AFP/Getty Images

Er sorgt sich um ein zukünftiges Hongkong ohne Meinungsfreiheit. „Wenn ich etwas Falsches sage, dann kann ich vielleicht nicht in den Urlaub oder in den Zug fahren“, sagte er und bezog sich auf die übliche Taktik der chinesischen Behörden, wenn sie Vergeltungsmaßnahmen gegen Dissidenten ergreifen.

Wir wollen nicht, dass Hongkong ein Ort ohne Freiheit und Menschenrechte ist“, erklärte Ah Ming.

Hongkonger Regierung hat nicht auf die Forderungen der Demonstranten reagiert

Ah Ming sagt, er sei enttäuscht darüber, dass die Regierung von Hongkong nicht auf die Forderungen der Demonstranten reagiert habe. Dazu zählt auch die vollständige Rücknahme des Gesetzes und die Durchführung einer unabhängigen Untersuchung über den polizeilichen Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten. Er nennt die Regierung eine „Marionettenregierung“ von Peking.

Die Regierung versucht nur, der Realität auszuweichen“, sagte er. „Sie versucht, Dissidenten zu erschrecken, damit sie nicht heraustreten“, so Ah Ming.

Er forderte die Hongkonger auf, Maßnahmen zur Sicherung der Grundrechte in der Stadt zu ergreifen.

„All die Freiheiten, die du besitzt … wenn du sie genießt, denkst du dann darüber nach, woher sie kommen“, erklärte Ah Ming. „Wenn du nicht bereit bist, die Freiheiten zu beschützen, die du hast, sag nicht, dass du ein Hongkonger bist, du bist nur ein ‚Freedom Freerider'“, so Ah Ming.

Protest in Hongkong. Foto: Billy H.C. Kwok/Getty Images

Verletzungen sind für Demonstranten Routine

Verletzungen sind für Demonstranten Routine, wenn sie vor der Polizei stehen, wenn diese Tränengas verwenden, oder Schlagstöcke, Gummigeschosse, Bohnensäcke und andere Methoden einsetzen, um Massenversammlungen aufzulösen.

„Mit jeden Atemzug, den du machst, fühlst du dich schlechter, aber du kannst auch nicht einfach aufhören zu atmen, denn du hast dann keinen Sauerstoff“, sagte Ah Lok und erinnerte sich an seine erste Erfahrung, mit Tränengas. „Du kannst nicht mehr mit den eigenen Augen sehen.“

Der 22-Jährige sagte, dass er sich den Protesten am 16. Juni anschloss, als etwa 2 Millionen Hongkonger sich auf den Straßen versammelten. Die Regierungschefin der Sonderverwaltungszone Hongkong, (Chief Executive) Carrie Lam, hat die Klage auf das Auslieferungsgesetz ausgesetzt, sich aber geweigert, den Forderungen nach einem vollständigen Rückzug der Gesetzesvorlage nachzukommen.

Carrie Lam, Regierungschefin von Hongkong, der die Demonstranten pekingtreue bescheinigen, verurteilt die anhaltende Gewalt bei Demonstrationen in der Stadt. Foto: Kin Cheung/AP/dpa/dpa

Polizei feuerte bereits abgelaufene Tränengasbehälter ab

„Nachdem ich Tränengas abbekommen hatte, bekam ich eine ganze Woche lang Durchfall, als hätte ich einen Virus in meinem Magen“, sagte der 27-jährige Ingenieur Ah Man und fügte hinzu, dass lokale Medien berichten, dass die Polizei abgelaufene Tränengasbehälter auf sie abgefeuert habe.

Ah Man glaubt, dass der Einsatz von Gewalt durch die Polizei – wie das Feuern von Tränengas auf Demonstranten aus nächster Nähe und in einer geschlossenen U-Bahn-Station – die Demonstranten ermutigt hat, ihren zivilen Ungehorsam zu verstärken.

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte hat die Polizei von Hongkong aufgerufen, Massenkontrollen gegen Demonstranten einzustellen die „auf eine Weise durchgeführt werden, die durch internationale Normen und Standards verboten ist“.

Das Gesicht des Jungen war voller Blut – er fühlte sich hilflos

Ah Yan, die 16 Jahre alt ist, erinnerte sich lebhaft an einen Vorfall während der Zusammenstöße mit der Polizei am 11. August, als mitten im Chaos ein anderer Teenager-Protestler vor sie fiel. Als sie sein Gesicht sah, war es voller Blut, was sie hilflos machte.

Es war, als ob … das Tränengas nur eine Art Pestizid wäre, das überall auf der Straße zu finden sei“, sagte sie über die Aktionen der Polizei. „Jedes Mal, wenn ich heil zurückkam, war ich so glücklich, als ob ich gerade im Lotto gewonnen hätte.“

Im Tränengasdunst gehüllt lassen sich die Schemen von Demonstranten und Polizei ausmachen. Seit Wochen bestimmen Massenproteste das Tagesgeschehen in Hongkong. Foto: Kin Cheung/AP/dpa

Demonstranten sind entschlossen bis zum Ende zu kämpfen

Trotz müder Körper und steigender Gefahr sagten die jungen Demonstranten, sie seien entschlossen, bis zum Ende zu kämpfen.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, furchtlos zu sein, aber wenn wir nachgeben, dann würden wir Hongkong aufgeben“, sagte Ah Yan.

Sie sagte, dass sie ihres Gewissens wegen zu den Protesten gekommen sei. Die physische Gefahr, sagte sie, verblasse im Vergleich zu dem Gefühl, von den Hongkonger Behörden dämonisiert zu werden.

„Egal, ob wir geschlagen oder vergast werden, es wird uns nicht allzu sehr stören, weil wir uns bereits darauf vorbereitet haben“, sagte sie.

Die Hongkonger Polizei verhaftet hier am 7. Juli 2019 nach einem Marsch in Hongkongs Tourismusdistrikt Nathan Road bei Mongkok einen Mann, der gegen die Auslieferungsgesetze protestierte. Foto: REUTERS/Thomas Peter

Demonstrantin: „Polizisten merken nicht, dass wir ihre Freiheit verteidigen“

Vielmehr unangenehmer war für die 16-Jährige, von der Polizei als „Unruhestifter und Kakerlaken bezeichnet zu werden“. Das erzählt sie, während Tränen über ihr Gesicht laufen.

Sie (die Polizei) dachte, dass wir die Gesellschaft stören. Sie merken nicht, dass wir ihre Freiheit verteidigen“, so Ah Yan.

Anwohner laufen an Polizisten an einem Zebrastreifen in Hongkong. Seit zwei Monaten kommt es in der Stadt immer wieder zu Protesten und Ausschreitungen. Foto: Vincent Thian/AP/dpa

Nur wenn die Polizei eingriff, eskalierte die Situation

Ah Yeen (18) sagte, dass die Etikettierung der Regierung von Demonstranten als „gewalttätig“ und „radikal“ unbegründet sei, da es sich in den meisten Fällen um eine Polizeiintervention handele, die die Situation eskalieren ließ.

„Während des Seniorenmarsch in Hongkong gab es keine Polizeipräsenz, also war es friedlich. So war es auch beim Sit-in am Flughafen“, sagte Ah Yeen.

Aber während der Märsche schickt die Polizei die Bereitschaftspolizei. Dann wurde es blutig“, so ah Yeen.

Erneut werden Hunderttausende Demonstranten in Hongkong erwartet. Foto: Anthony Kwan/Getty Images

Die Ungerechtigkeit bewegt die Menschen auf die Straße zu gehen

Ah Man, der auch an den Pro-Demokratie-Massenprotesten 2014 teilnahm, sagte, das ihn die Ungerechtigkeiten dazu bewegen, wieder auf die Straße zu gehen.

Einfach dazusitzen und gehorsam zu sein, funktioniert nicht“, sagte er.

Während einer Demonstration im nördlichen Bezirk Wong Tai Sin sah Ah Man einen 13-jährigen Jungen mit einer medizinischen Maske, die sein halbes Gesicht bedeckte, an der Vorderseite der Protestlinie unweit der Bereitschaftspolizei stehen. Ah Man nahm seine Gasmaske ab und gab sie dem Jungen und sagte ihm, er solle sich von der Frontlinie wegbewegen.

Auch Kinder protestieren in Hongkong mit. Foto:

Ah Man erklärt, dass alle Demonstranten ihr Bestes geben würden.

Wir können nicht klein beigeben. Wenn wir es nicht tun, wird es niemand tun. Wenn wir es nicht tun, werden wir es in Zukunft nicht mehr können“, sagte er. „Wir müssen unser Bestes geben, um durchzuhalten.“

Das Original erschien in The Epoch Times (USA) (deutsche Bearbeitung von er)
Originalartikel: Hong Kong’s Youth Resist a Tyrannical China



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