Thunberg-Heimat Schweden erreicht Klimaziele nicht – und das stört kaum jemanden

Nach Großbritannien zeichnet sich auch in Schweden eine Wende hin zu pragmatischerer Klimapolitik ab. Einer der Gründe dafür dürfte ein Realitätsschock sein. Die Menschen leiden unter hohen Zinsen und Inflation.
Titelbild
Klimaaktivistin Greta Thunberg dürfte von den politischen Schwerpunkten der Regierung ihrer Heimat Schweden wenig erbaut sein.Foto: Ole Jensen/Getty Images
Von 25. September 2023


Die Blütezeit ambitionierter Klimaziele scheint sich auch in Europa langsam ihrem Ende zuzubewegen. Erst in der Vorwoche hatte Großbritanniens Premier Rishi Sunak verkündet, in einigen Bereichen zurückzurudern, um die arbeitende Bevölkerung keinen übermäßigen Belastungen auszusetzen. Nun zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung in Schweden ab – bisher einem Musterland in Sachen „Green Deal“.

Schweden folgt dem Weg Großbritanniens

Wie die „Welt“ berichtet, will auch die Mitte-rechts-Regierung unter Ulf Kristersson von einigen Klimazielen Abstand nehmen. Einige weitere Klimaziele wird sie nicht erreichen, ohne dass Kabinettsmitglieder dies bemängeln würden.

Noch vor sechs Jahren hatte das damalige Linkskabinett öffentlich angekündigt, das Ziel der „Klimaneutralität“ noch schneller erreichen zu wollen als die EU selbst. So sollte dieser Zustand in Schweden schon 2045 Platz greifen, und das vor allem auf der Grundlage des Ausbaus erneuerbarer Energien.

Mittlerweile scheint jedoch ein Realitätsschock eingekehrt zu sein. Zwar hat Schwedens Regierung nicht wie Rishi Sunak in Großbritannien offen verkündet, Etappenziele im Klimaschutz zurückzustellen. Die Politik der vergangenen Monate hat jedoch vollendete Tatsachen geschaffen, und nun macht auch Finanzministerin Elisabeth Svantesson deutlich, dass die Entlastung der Bürger Vorrang hat:

Sie dürfen nicht vergessen, dass die Zeiten für viele Menschen sehr hart sind.“

Absenken der Lebenshaltungskosten steht im Vordergrund

Im schwedischen Haushaltsentwurf für 2024 heißt es, dass man von 19 Etappenzielen der Klimapolitik nur zwei mit Sicherheit erreichen werde. Sieben hingegen werde man voraussichtlich nicht erfüllen. Es werden sogar generelle Zweifel laut, ob das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 zu halten sein wird.

Bereits im Mai hatte das Kabinett Kristersson auf Druck der Schwedendemokraten einen ersten symbolischen Schritt gesetzt. Die Regierung lockerte ihre Einsparungsziele im Bereich der Emissionen durch fossile Brennstoffe. Der Pflichtanteil an Biokraftstoffen, der Benzin und Diesel beizumengen sei, sinkt ab 2024 auf sechs Prozent. Von den EU-weit höchsten Vorgaben sinkt er damit auf den Mindestanteil.

Zudem sieht der Haushaltsentwurf ein Absenken der Steuern auf Kraftstoffe vor. Dies wird Benzin günstiger machen und voraussichtlich dessen Absatz ankurbeln. Die Regierung erklärt zwar, das Langzeitziel der Klimaneutralität im Auge zu behalten, derzeit habe jedoch ein Absenken der Lebenshaltungskosten Vorrang.

Schweden setzt künftig auf „fossilfreie“ statt nur „erneuerbare“ Energiequellen

Weitere Einsparungen, die das Kabinett in Stockholm im Bereich der Klimapolitik veranlasst hat, betreffen Prämien für den Kauf von Elektroautos und den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsbahnen. Generell gibt es in der aktuellen Regierung erstmals seit den 1980er-Jahren kein eigenes Umweltministerium mehr. Mittlerweile ist auch nicht mehr die Rede davon, die Klimaneutralität ausschließlich durch erneuerbare Energien erreichen zu wollen.

Stattdessen setzt das Kabinett vor allem auf die Kernkraft und deren Ausbau. Möglich macht es die Formulierung, wonach die Energieerzeugung stattdessen aus „zu 100 Prozent fossilfreien“ Quellen stattfinden soll.

Die Regierung geht davon aus, dass sich der Stromverbrauch des Landes bis 2040 verdoppeln wird. Dies werde die Konsequenz der Elektrifizierung von Mobilität und Transportwesen sein. Bewältigen, so die Überzeugung, lasse sich dieser Mehrbedarf nur durch den Ausbau der Kernkraft.

Grüne kommen weiterhin nicht über vier Prozent hinaus

Obwohl Schweden der Ausgangspunkt der „Fridays for Future“-Bewegung ist, hat das Kabinett kaum Widerstände gegen die jüngst angekündigten Schritte zu befürchten. In Umfragen haben zwar die Sozialdemokraten seit dem Herbst des Vorjahres wieder Boden gutgemacht. Die Grünen krebsen jedoch stabil an der Vier-Prozent-Hürde herum und kämpfen weiter um ihr politisches Überleben.

Kritik kam vom Klimarat, aber der Großteil der Bevölkerung interessiert sich derzeit deutlich mehr für Lebenshaltungskosten und Zinsanstieg als für den ökologischen Fußabdruck. Da viele private Bauherren Hypothekendarlehen mit variablen Zinssätzen aufgenommen haben, wirkt sich gerade auf sie die Zinspolitik der Zentralbank aus. Diese versucht nach Jahren der Nullzinspolitik nun der Inflation durch Drehen an der Zinsschraube entgegenzuwirken.

Mittlerweile kommt auch von Umweltbewegten Zustimmung zu den Ambitionen des Kabinetts. Viele von ihnen werfen „Fridays for Future“ eine dogmatische und unwissenschaftliche Betrachtungsweise vor. Dies gilt insbesondere mit Blick auf deren ablehnende Position zur Kernkraft.



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