Horror-Angriff der Hamas auf Kibbuz Beeri: „Eine Tragödie wie 9/11“

Für die Bewohner des Kibbuz Beeri war es ein schicksalhafter Samstagmorgen: Das Leben, wie sie es kannten, endete mit dem Überfall der Terrorgruppe Hamas und eine ungewisse Zukunft begann.
Titelbild
Israelische Soldaten durchsuchen das Gebiet um den Kibbuz Kfar Aza, in dem die Hamas zahlreiche Menschen tötete.Foto: Amir Levy/Getty Images
Epoch Times11. Oktober 2023

Im ersten Moment dachte Inbal Reich Alon, es gebe ein Gewitter. Doch schnell wurde der 58-Jährigen klar, dass es nicht donnerte, sondern ihr Kibbuz angegriffen wurde. Die Terrororganisation Hamas überfiel am Samstagmorgen den Kibbuz Beeri an der Grenze zum Gazastreifen und töteten dort mehr als hundert der rund 1.000 Bewohner und verschleppten weitere. Etwa 150 Überlebende aus dem Kibbuz fanden in einem Hotel am Toten Meer Zuflucht.

Reich Alon hörte Explosionen und Schreie auf Arabisch. Sie flüchtete mit ihrer Familie in einen Schutzraum. „Wir hatten keine Ahnung, was draußen vor sich ging“, berichtet die Frau im Gespräch mit Reportern der Nachrichtenagentur AFP. 15 Stunden lang harrte die Familie in dem Schutzraum aus, während die palästinensischen Angreifer ihr Haus in Brand steckten und Dutzende Nachbarn ermordeten und entführten.

Überleben in Trümmern

Armeesprecher Daniel Hagari sprach am Montag von „etwa 70 Terroristen, die über Nacht in den Kibbuz Beeri eindrangen“. „Die meisten von ihnen wurden nach Feuergefechten getötet“, sagte er israelischen Medien.

„Wir hatten einfach Glück“, sagt Reich Alon im ruhigen Hotel David, das zwischen dem Toten Meer und den Hügeln Judäas etwa 60 Kilometer südlich von Jerusalem liegt. „Wir sind ein großer Kibbuz“, sagt sie und korrigiert sich dann selbst: „Wir waren es zumindest.“ Ob sie jemals wieder in ihre Siedlung zurückkehren wird, weiß Reich Alon nicht.

Im Erdgeschoss des Hotels stapeln sich Kleidung, Spielzeug und Lebensmittel – Spenden für die Kibbuz-Bewohner, die innerhalb weniger Stunden gesammelt wurden. „Israel hat eine unglaubliche Zivilgesellschaft“, sagt Reich Alon. „Leute brachten Medikamente, Kleidung, Kosmetika. Wir kamen hierher nur mit dem, was wir anhatten, manche von uns waren barfuß.“

Während ihre Eltern die Spenden nach Passendem durchsuchen, spielen und malen Kinder in der Nähe. Eine Frau geht weinend mit ihrem Hund spazieren. Psychologen bieten ehrenamtlich Unterstützung an.

„Eine Tragödie wie 9/11“

Alon Pauker blickt hinaus aufs Tote Meer. „Das ist eine Tragödie wie 9/11“, sagt der 57-Jährige. „Der Ort, an dem ich lebe, wird nie wieder derselbe sein.“ Auch Pauker wohnt in Beeri; er ist Historiker und unterrichtet am Beit Berl College.

„Wir müssen begreifen, dass wir nicht mehr den Kibbuz haben, den wir hatten, und dass wir nicht mehr das Land haben, das wir hatten. Das ist eine tektonische Verschiebung“, sagt er. Pauker wirft der israelischen Regierung unter Benjamin Netanyahu vor, „das Land im Stich gelassen zu haben“.

„Die Armee hat die Bürger nicht verteidigt“, sagt Pauker. Das Militär sei im besetzten Westjordanland mit dem Schutz der illegalen jüdischen Siedlungen beschäftigt gewesen. „Die Armee hat zum ersten Mal bewiesen, dass sie nicht weiß, wie man Zivilisten schützt“, sagt Pauker. Jahrelang habe Israel eine mögliche Bedrohung durch die Hamas „vom Tisch gewischt“, sagt auch Reich Alon.

Ermordete Babys und geköpfte Kinder

Die israelische Kibbuz-Bewegung, die vor der Staatsgründung 1948 entstand, hat ihre Wurzeln im Sozialismus und steht bis heute der Linken nahe. Doch jetzt seien sie gezwungen, ihre Vorstellungen von einem Frieden mit den Palästinensern zu überdenken, sagen die Überlebenden aus Beeri. Noch vor wenigen Tagen war es für sie undenkbar, eine Offensive auf den Gazastreifen gutzuheißen. Doch der grausame Großangriff der Hamas vom Samstag hat ihr Weltbild erschüttert.

„Wir haben es mit einer Terrororganisation zu tun, die grundlos Kinder ermordet“, sagt Pauker. Berichten zufolge sollen in Beeri Dutzende Babys ermordet worden sein. Kindern und Frauen sollen teils die Köpfe abgeschnitten worden sein.

Israel hat seit Beginn des Angriffs mehr als 900 Tote gezählt, während 760 Menschen bei Vergeltungsangriffen auf den Gazastreifen ums Leben kamen, unter ihnen auch Kinder.

„Extremisten sowohl in Israel als auch in Gaza nähren sich gegenseitig und kümmern sich nicht um Menschenleben“, urteilt Pauker. „Wir wollen diese Kriege nicht, wir wollten und wollen mit unseren Nachbarn in Frieden leben“, sagt Reich Alon.

Aber dennoch will sie im Moment nur, dass die nach Gaza verschleppten Geiseln befreit werden. „Es mir egal, was dann dort übrig bleibt“, sagt Reich Alon – und ist selbst erschrocken, dass sie nun so denkt. (afp/dl)



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