Überraschung: Deutschland will der Drei-Meere-Initiative osteuropäischer EU-Staaten beitreten

Deutschland will als Teil der "neuen Ostpolitik" der Drei-Meere-Initiative von zwölf osteuropäischen EU-Mitglieder beitreten, um ein Auseinanderdriften Europas zu verhindern.
Titelbild
Jean-Claude Juncker (C), Präsident der Europäischen Kommission und Vertreter der Three Seas Initiative (3SI oder TSI), nahm ebenfalls am 18. September 2018 im Cotroceni-Palast, dem Hauptsitz der rumänischen Präsidentschaft in Bukarest, an einem TSI-Gipfel teil.Foto: DANIEL MIHAILESCU/AFP/Getty Images
Epoch Times18. September 2018

Deutschland will überraschend der Drei-Meere-Initiative zwölf osteuropäischer EU-Mitglieder beitreten, um ein Auseinanderdriften Europas zu verhindern. „Ich glaube, es ist auch innerhalb der Europäischen Union ein wichtiges Signal, dass ein Land wie Deutschland nicht nur nach Westen schaut, sondern vor allen Dingen auch unsere osteuropäischen Nachbarn auch über die Europäische Union hinaus in den Blick nimmt“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag beim Gipfeltreffen der Staatengruppe in Bukarest. „Das ist das, was wir als eine neue Ostpolitik bezeichnen.“

Die 2015 von Polen und Kroatien ins Leben gerufene Gruppe, die Staaten zwischen den drei Meeren Ostsee, Adria und Schwarzes Meer vereint, galt bisher als osteuropäisches Gegengewicht zur westlichen Achse Paris-Berlin. Die zwölf Staaten von Estland im Norden bis Bulgarien im Süden wollen unter anderem ihre Interessen bei Infrastrukturprojekten und bei der Energieversorgung durchsetzen. Beteiligt sind die Länder Österreich, Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei und Slowenien.

Heiko Maas strebt dauerhafte Mitgliedschaft an

Mit Maas nahm in Bukarest auf Einladung der rumänischen Gastgeber erstmals ein Vertreter der Bundesregierung an einem Drei-Meere-Gipfel teil. Der Außenminister strebt nun sogar eine dauerhafte Mitgliedschaft Deutschlands an. „Wir wollen dieses Forum nutzen, auch in Zukunft, um uns stärker einzubringen bei den Diskussionen, die unsere osteuropäischen Nachbarn führen“, sagte er. Deutschland wolle eine „aktive Rolle“ in dem Forum spielen.

Rumäniens Präsident Klaus Iohannis unterstützte ebenso wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine dauerhafte Teilnahme Deutschlands an den Treffen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erwähnte Deutschland dagegen in seiner Rede mit keinem Wort.

Der Aufnahme eines Landes in die Gruppe müssen aber alle Mitglieder zustimmen. Ungarn war bei dem Treffen nur durch seinen Botschafter vertreten, der Budapester Staatspräsident Janos Ader sagte die Reise nach Bukarest wegen eines Schadens an seinem Flugzeug kurzfristig ab. Die Regierungen Polens und Ungarns sind heftige Kritiker der EU, sie schreiben Deutschland den entscheidenden Einfluss auf Brüssel zu.

Bisher sah Deutschland die Osteuropäer kritisch

Die zwölf Länder umfassen ein Drittel der Gesamtfläche der EU und stellen gut ein Fünftel der Bevölkerung. Maas sagte, Deutschland passe als Ostsee-Anrainer nicht nur geografisch in die Gruppe, sondern auch historisch, politisch und wirtschaftlich. Er argumentierte unter anderem damit, dass Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung einen ähnlichen Transformationsprozess wie viele osteuropäische EU-Staaten durchgemacht hat. Zudem sei Deutschland heute für jedes Mitglied der Drei-Meere-Initiative ein zentraler Wirtschaftspartner.

Bisher hatte Deutschland die Drei-Meere-Initiative eher kritisch gesehen. Es gab Befürchtungen, die Gruppe könne Europa auseinanderdividieren. Der Initiative gehören mit Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn alle Länder der so genannten Visegrad-Gruppe an, die zu den schärfsten Widersachern von Bundeskanzlern Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik gehören.

Die meisten östlichen EU-Mitglieder stemmen sich mit Unterstützung der USA gegen den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 zwischen Russland nach Deutschland, aus Furcht vor einer zu starken Abhängigkeit Europas von russischen Energielieferungen.

Maas bekräftigte die Haltung der Bundesregierung: „Unsere Argumente dazu haben sich nicht geändert: Das ist ein wirtschaftliches Projekt in erster Linie.“ Politische Auswirkungen etwa auf die Ukraine versuche man durch Gespräche mit beiden Seiten abzufedern.

US-Energieminister Rick Perry sagte bei der Konferenz, die USA seien besorgt wegen der wachsenden Abhängigkeit der Länder in der Region von russischem Gas, was Moskau „mit einer aggressiven Position“ vorantreibe. Am Vortag hatte US-Präsident Donald Trump in einer Grußbotschaft geschrieben, die USA wollten vor allem mit Exporten von Flüssiggas zur Diversifizierung der Energiequellen in Osteuropa beitragen.

Maas hatte bereits im Juni in einer europapolitischen Grundsatzrede eine neue europäische Ostpolitik gefordert. „Wir müssen auch lernen, Europa stärker durch die Augen der anderen Europäer zu sehen“, sagte er damals.

Der Begriff Ostpolitik geht auf den früheren SPD-Bundeskanzler Willy Brandt zurück, der ab 1969 eine Annäherung der Bundesrepublik Deutschland an die Staaten des von der Sowjetunion dominierten Warschauer Pakts betrieb und dafür den Friedensnobelpreis erhielt. Für die SPD ist das bis heute eine zentrale Traditionslinie ihrer Außenpolitik.

Am Nachmittag reiste Maas nach Mazedonien. Weitere Stationen seiner viertägigen Balkanreise sind Albanien und Griechenland. (dpa)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion