Umstrittener EU-Munitionsplan: Mitgliedstaaten befürchten zu große Machtbefugnisse

Die kürzlich vorgestellten EU-Pläne für einen schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten für Munition sorgen für Misstrauen. Normalerweise sind die Bestände der Produktionsmittel und -kapazitäten eines Unternehmens streng vertraulich. Das könnte sich bald ändern – mit weitreichenden Folgen.
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Verschiedene Arten von Munition. Mit dem neuen Gesetz hätte die EU Zugang zu vertraulichen Informationen der Munitionsindustrie der Mitgliedstaaten.Foto: iStock
Von 31. Mai 2023

Einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union befürchten, dass sich die EU-Kommission durch einen im März vorgestellten Munitionsplan selbst zu weitreichende Befugnisse einräumt.

Konkret geht es in einem neuen Gesetzesentwurf darum, dass die Europäische Kommission die Munitionsproduktion in Europa ankurbeln will. Dabei hat die Kommission vor, dies mit einer Milliarde Euro zu fördern.

Weil die derzeitigen Lagerbestände und Produktionskapazitäten in der EU zur Neige gehen, hofft die EU-Kommission auf diese Weise, innerhalb von zwölf Monaten der Ukraine eine Million neue Artilleriegeschosse liefern zu können.

Obgleich die EU-Unterstützung willkommen ist, sind nun einige Mitgliedstaaten besorgt, dass Brüssel sich dadurch zu sehr einmischen könnte. Das wurde aus Kreisen von EU-Diplomaten im europäischen Nachrichtenportal „Euractiv“ bekannt.

Vertrauliche Daten für EU-Kommission abrufbar

Demnach hätte die Europäische Kommission durch das neue Gesetz mit dem Namen „Act in Support of Ammunition Production“ (ASAP) Zugang zu allen vertraulichen Informationen der Munitionsindustrie der verschiedenen Länder.

Brüssel könnte damit Daten über aktuelle Produktionskapazitäten der Unternehmen, voraussichtliche Engpässe, Elemente der Lieferkette, Lagerbestände oder Schwierigkeiten beim Zugang zu bestimmten Produkten anfordern.

Ein Ausschnitt aus dem vorgeschlagenen Gesetzestext lautet wie folgt: „Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme wird die Europäische Kommission (…) die Produktionskapazitäten und die Lieferketten der Unternehmen kontinuierlich überwachen und ihre Fähigkeit bewerten, auf die erwartete Entwicklung der Marktnachfrage zu reagieren“ (Seite 16).

Brüssel als höhere Gewalt

Auch soll die Kommission Unternehmen dazu verpflichten können, Bestellungen aus EU-Ländern vorrangig zu bedienen. Lieferungen an Nicht-EU-Länder könnten im Zweifelsfall verschoben oder gestrichen werden.

Um den Mechanismus in Gang zu setzen, würde es ausreichen, wenn ein EU-Staat, der zum Beispiel Munition für die Ukraine beschaffen möchte, die Kommission um Unterstützung bittet. Alternativ könnten auch mindestens drei Mitgliedsländer, die gemeinsam Munition kaufen wollen, ein Eingreifen der Kommission fordern.

Das Einschreiten Brüssels sei dabei rechtlich als höhere Gewalt zu betrachten. Eventuellen Klagen aus betroffenen Drittländern, die dadurch leer ausgehen würden, wären nichtig.

Normalerweise sind die Bestandsaufnahmen der Produktionsmittel und -kapazitäten eines Unternehmens streng vertraulich. Vor ausländischen Regierungen, internationalen Gremien und Konkurrenten werden sie gut geschützt. Deshalb stellt sich die Frage, wie diese Informationen dann verwendet und gesichert werden. Und auch, ob sie mit Konkurrenten oder anderen Hauptstädten geteilt werden könnten.

„Präzedenzfall sollte sorgfältig geprüft werden“

Wie es aus Diplomatenkreisen gegenüber „Euractiv“ heißt, sei nicht klar, wie und warum die Europäische Kommission plane, diese Informationen zu nutzen. Da Rüstungsindustrien eng mit ihren Regierungen verbunden sind, wollen viele EU-Staaten verständlicherweise ihre nationalen, staatlich geförderten Industrien und Geschäftsgeheimnisse schützen.

Mit dem vorgeschlagenen Gesetz könnte die Europäische Kommission auch bestimmen, welche Aufträge mit welcher Prioritätseinstufung an die europäische Munitionsindustrie übergeben würden.

Ferner könnten die Hersteller die Munition und deren Bestandteile exportieren – ohne vorherige Genehmigung oder Kontrolle der Regierung des Landes, in dem sie sich befinden sind. Aus der Sicht von EU-Diplomatenkreisen stelle dies einen Präzedenzfall dar. Deshalb sollte dies sorgfältig geprüft werden, um einen Machtmissbrauch durch die Industrie zu vermeiden.



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