UN: Abschiebung von „Klimaflüchtlingen“ könnte deren Rechte verletzen

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat jüngst entschieden, eine „unmittelbare Gefährdung durch den Klimawandel“ könne eine Abschiebung in gefährdete Gebiete unzulässig machen. Der Spruch hat Empfehlungscharakter, Gerichte könnten ihn aber als Soft Law heranziehen.
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Kiribati (Insel Tararwa).Foto: iStock
Von 21. Januar 2020

Einer der Gründe, warum beispielsweise Österreich die Unterzeichnung des UN-Migrationspakts im Jahr 2018 abgelehnt hatte, war die Befürchtung, dass der nach Angaben seiner Architekten „politisch, aber nicht rechtlich verbindliche“ internationale Vertrag auf Umwegen doch verbindlich werden könnte. Dies, so erklärte damals Bundeskanzler Sebastian Kurz, könnte etwa auf dem Wege von Gerichtsentscheidungen vonstattengehen, die sich in ihrer Gesetzesauslegung auf internationale Verträge und Standards stützen.

Der UN-Menschenrechtsausschuss (CCPR) hat nun einen potenziellen Ansatzpunkt dafür mit einer jüngst ausgesprochenen Empfehlung geliefert, über die BBC berichtet. Der CCPR ist ein Kontrollorgan, dessen Aufgabe es ist, die Umsetzung und Einhaltung des UN-Zivilpakts von 1976 in den einzelnen Mitgliedstaaten zu überwachen – und den Staaten, sollte er Mängel feststellen, Vorschläge und Empfehlungen zu dessen besserer Umsetzung zu unterbreiten.

Bereits 2015 nach Kiribati abgeschoben

Einen solchen meinte er im Fall der Abschiebung des Asylbewerbers Ioane Teitiota in sein Heimatland, auf die Südseeinsel Kiribati, durch den Staat Neuseeland erkennen zu müssen. Im Jahr 2013 hatte Teitiota dort Schutz begehrt, weil Kiribati „durch den Anstieg des Meeresspiegels gefährdet“ wäre. Neuseeland verweigerte ihm Asyl und schob ihn 2015 ab.

Da internationale Konventionen nur Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und Weltanschauung als Ansatzpunkte für Asylbegehren aufführen, käme Asyl nur in Betracht, wenn Menschen auf der Grundlage eines dieser Tatbestände verfolgt werden, hieß es durch die Instanzen. „Bedrohung durch den Klimawandel“ werde diesbezüglich nicht genannt.

Teitiota wendete sich anschließend an den CCPR und forderte, dieser möge eine Vertragsverletzung feststellen. Er stützte sich dabei auf Behauptungen des Weltklimarates (IPCC), wonach die Insel bis 2050 „unbewohnbar“ sein könnte, einen Bericht der „Environmental Justice Foundation“ (EJF), die von „mehreren zehn Millionen Klimaflüchtlingen“ bereits in den kommenden zehn Jahren sprach, und Aussagen der Weltbank aus dem Jahr 2018, wonach der Klimawandel „140 Millionen Menschen in Südasien, Subsahara-Afrika und Lateinamerika“ dazu zwingen könnte, ihre Heimat zu verlassen.

Die nunmehrige Entscheidung des CCPR besagt zwar, dass Neuseeland den Zivilpakt mit seiner Entscheidung nicht verletzt habe. Eine unmittelbare Gefahr konnte Teitiota nicht nachweisen. Es gäbe immerhin „einen Spielraum von 10 bis 15 Jahren, die […] der Republik Kiribati mit Unterstützung durch die Internationale Gemeinschaft das Veranlassen von Maßnahmen zum Schutz und erforderlichenfalls zur Umsiedlung der Bevölkerung“ ermögliche.

Asylpraxis auf „extremes Risiko“ ausweiten

Genau in diese Richtung sollten Mitgliedstaaten des UN-Zivilpaktes ihre Asylpraxis jedoch anpassen, meint der Menschenrechtsausschuss in seiner Entscheidung. Menschen, die aufgrund der angeblichen Klimakrise in unmittelbarer Gefahr seien, könnten, so der CCPR, nicht nach Hause zurückgeschickt werden. In diesem Fall könne eine solche Maßnahme „Personen in die Gefahr bringen, in ihren Rechten verletzt zu werden“. Das Risiko des „Versinkens eines gesamten Landes“ sei so extrem, dass die Lebensbedingungen in einem solchen Land „bereits unvereinbar mit dem Recht auf ein würdevolles Leben werden könnten, bevor sich das Risiko verwirklicht“.

Teitiota erklärte, die Insel von Süd-Tarawa, auf der er lebe, leide an zu großer Bevölkerungsdichte. Von 1947 bis 2010 sei die Bevölkerung dort von 1641 auf 50 000 Personen angewachsen, was durch den steigenden Meeresspiegel bedingt sei und zu sozialen Spannungen führe. Auch gedeihe auf Kiribati kein Getreide mehr.

Allerdings gibt es, wie James Agresti auf „The Stream“ darlegte, keine belastbaren Hinweise darauf, dass Kiribati tatsächlich vom Versinken bedroht sei. Eine quantitative Analyse der physischen Veränderungen von 27 zentralpazifischen Atollen und Inselgruppen inklusive Kiribati über mehrere Jahrzehnte hinweg, wie sie im Jahr 2010 im Journal „Global and Planetary Change“ veröffentlicht wurde, legte eher eine gegenteilige Entwicklung nahe.

Vier Inseln in der Region Tarawa wurden über Perioden zwischen 31 und 65 Jahren ausgewertet. Demnach seien die drei urbanisierten Inseln Betio, Bairiki und Nanikai um 30 bzw. 16,3 und 12,5 Prozent an Fläche gewachsen, Buariki in Norden des Atolls um zwei Prozent.

Veränderungen an Pazifikküsten Folge natürlicher Kreisläufe

Die Entwicklung sei nicht auf Kiribati beschränkt. Insgesamt habe man 43 Inselflächen beobachtet. Davon seien im untersuchten Zeitraum knapp 43 Prozent flächenmäßig stabil geblieben, 15 Prozent im Ausmaß zwischen drei und 14 Prozent kleiner geworden und der Rest von mehr als 42 Prozent im Ausmaß von drei bis 30 Prozent gewachsen.

Von einer flächendeckenden Verringerung des Lebensraumes, bedingt durch einen steigenden Meeresspiegel, könne also nicht die Rede sein – zudem habe die Bevölkerung vor Ort in keiner Weise den Eindruck, sich in einer drohenden Gefahrenlage zu befinden, wie Journalisten häufig nach persönlichen Besuchen auf der Insel berichten.

Auch eine 2013 im Journal „Sustainability Science“ publizierte Auswertung von Luft- und Satellitenaufnahmen im Zusammenhang mit der Küstenpositionen der Atolle hatte zum Ergebnis, dass die Inseln in Tarawa von 1943 bis 2007 sogar „substanziell an Fläche zugenommen“ hätten. Vieles davon sei menschlichen Aktivitäten zu verdanken, etwa die Erweiterung von Hafenanlagen mithilfe von Material, das man von nahegelegenen Küsten gewonnen habe. Aber auch in ländlichen Gegenden, wo natürliche Prozesse dominierten, hätten sich „die meisten Atolle stabilisiert“ oder seien sogar von einem „moderaten natürlichen Wachstum“ gekennzeichnet.

Trends bezüglich einer natürlichen Zu- oder Abnahme von Flächen entlang der Küsten hätten häufig, so die Autoren der Studie, mit „zyklischen Erscheinungen“ zu tun, die natürliche Entwicklungen seien und nichts mit dem Klimawandel zu tun hätten.



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