UNO-Bericht: Westliche Länder vor dramatischem Rückgang der Bevölkerung

Weltweit fallen die Geburtenraten. Absolut wächst die Bevölkerung nur noch in acht Staaten der Welt in relevantem Ausmaß. Keiner davon gehört zum Westen.
Westliche Länder vor dramatischem Rückgang der Bevölkerung
Frauen und Kinder in Afrika.Foto: MOHAMED ABDIWAHAB/AFP/Getty Images
Von 8. Oktober 2022

Der aktuelle Bericht über die Entwicklung der Weltbevölkerung 2022 der Vereinten Nationen bestätigt den weltweiten Rückgang von Geburtenraten. In absoluten Zahlen wird sich dieser den Prognosen zufolge allerdings in unterschiedlichem Maße bemerkbar machen. Das absolute Wachstum der Bevölkerung bis 2050 werde sich zur Hälfte auf acht Länder konzentrieren. Demgegenüber stehen westliche Staaten vor einem dramatischen Rückgang.

Europa vor Rückgang der Bevölkerung um 40 Prozent bis 2100

Bis 2050 werde vor allem in Indien, Pakistan, Ägypten, Äthiopien, Nigeria, der DR Kongo, auf den Philippinen und in Tansania die Bevölkerung substanziell wachsen. Unter den übrigen Ländern mit überdurchschnittlich hohen Geburtenraten sind vor allem jene 46, die als am wenigsten entwickelt gelten. Die meisten von ihnen liegen in Subsahara-Afrika.

Ein Plus im Bereich der absoluten Bevölkerungszahl werde es auch in Ozeanien, Nordafrika und Westasien geben. Allerdings würde sich der Trend hier bereits deutlich verlangsamen. Andere Regionen wie Süd-, Südost- und Ostasien, vor allem aber Europa und Nordamerika stünden hingegen vor einem teilweise dramatischen Bevölkerungskollaps.

EU-weit werden mittlerweile weniger Babys geboren als allein in Nigeria. James Pomeroy, Wirtschaftswissenschaftler bei der chinesischen Bank HSBC, warnt:

In Europa wird sich die Bevölkerung bei dem derzeitigen Tempo vor 2070 halbiert haben, und der Kontinent läuft Gefahr, bis zum Jahr 2100 400 Millionen Einwohner zu verlieren.“

Auf LinkedIn erläutert er, dass die Bevölkerung in Europa insgesamt bis Ende des Jahrhunderts um 40 Prozent schrumpfen würde. Gleichzeitig werde allein die Zahl der Altersrentner bis Ende des laufenden Jahrzehnts um 17 Prozent steigen.

Eines der Länder, die am stärksten betroffen sind, ist Italien – das am Wochenende eine konservative Regierung gewählt hat. Dort wird sich „Bloomberg“ zufolge die Bevölkerung in 50 Jahren halbieren. Bereits in diesem Jahr wurden in Italien 121.000 Schüler weniger eingeschult als das Jahr zuvor – offiziellen Angaben zufolge werden 2.300 Klassen verschwinden. Von 7,4 Millionen Schülern im Jahr 2021 soll die Zahl offiziellen Prognosen zufolge bis 2034 „in Wellen“ voraussichtlich auf 6 Millionen sinken.

In Deutschland ist die Zahl der Einwohner zuletzt auf 84 Millionen gestiegen. Allerdings geht dieser Trend einmal mehr auf eine große Zuwanderungsbewegung zurück. Im Jahr 2022 flohen 750.000 Menschen vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland. In den 1990er-Jahren waren 700.000 Menschen infolge von Grenzöffnungen in Osteuropa und dem Jugoslawien-Krieg ins Land gekommen. Nach 2015 waren es knapp eine Million Menschen aus Syrien und dem Irak.

In vielen Fällen handelt es sich dabei jedoch nur um eine temporäre Zuwanderung. Vor allem von den Jugoslawien-Kriegsflüchtlingen ist ein erheblicher Teil wieder in die jeweiligen Herkunftsländer zurückgekehrt. Ähnliches wird mit Blick auf die Ukraine-Flüchtlinge erwartet. Ohne die Zuwanderung wäre die Bevölkerung Deutschlands geschrumpft. Bereits seit den 1970er-Jahren übersteigt in Deutschland die Zahl der Verstorbenen pro Jahr jene der Lebendgeborenen.

Indien und Festlandchina stellen 37 Prozent der gesamten Bevölkerung weltweit

Insgesamt hat das Wachstum der Weltbevölkerung bereits die niedrigste Rate seit 1950 erreicht, stellt die „Financial Times“ mit Blick auf den UN-Bericht fest. Die Unterschiede der Entwicklung in den jeweiligen Regionen führen jedoch zur Verlagerung von Schwerpunkten.

Bereits in den kommenden Jahren wird Indien voraussichtlich Festlandchina als bevölkerungsreichstes Land der Welt überholen. Beide Länder kommen dann jeweils auf eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen und werden zusammen 37 Prozent der Weltbevölkerung stellen.

Dennoch rächen sich in beiden Ländern die Folgen einer langjährigen Politik staatlich erzwungener Geburtenbeschränkung. Im Machtbereich der KP Chinas wird die Bevölkerung bis Ende der 2050er um voraussichtlich 12 Millionen geschrumpft sein. Das wäre der stärkste Einbruch in der Geschichte des Landes. Über die nächsten 45 Jahre könnte sich die Bevölkerung des Landes sogar halbieren, warnt eine Studie, die in der „Bangkok Times“ veröffentlicht wurde.

In Indien haben staatliche Experimente zur Eindämmung der Bevölkerung wiederum zu einem massiven Überschuss an männlicher Bevölkerung geführt. Dies macht sich nicht nur in deutlich mehr und deutlich brutaleren Sexualverbrechen bemerkbar. Auch die Stabilität des Bruttoinlandsprodukts ist – wie auch in China – immer stärker in Gefahr.

Allerdings wird auch Taiwan von einem drastischen Bevölkerungsrückgang heimgesucht. Dem „Telegraph“ zufolge hat das Land die niedrigste Geburtenrate der Welt, die möglichen Folgen seien verheerend:

Im Jahr 2050 wird das Land nur noch 20 Millionen Einwohner haben und das Durchschnittsalter wird von heute 39 auf 57 Jahre steigen.“

Südkorea sieht „Gefahr für die nationale Sicherheit“

In Japan, wo politische Kräfte die pazifistische Nachkriegsverfassung infrage stellen, leidet das Militär ebenfalls an der Überalterung. Zwischen 1994 und 2015 ist die Zahl der Männer in wehrfähigem Alter um elf Millionen oder 40 Prozent geschrumpft. „Japan hat keine Leute mehr, um Krieg zu führen“, hieß es bei „Forbes“. Zum ersten Mal kauften die Japaner „mehr Windeln für Erwachsene als für Babys“.

Mit Blick auf Südkorea schlug das „Wall Street Journal“ 2019 in ähnlicher Weise Alarm. Dort heißt es:

Der Geburtenrückgang in Südkorea ist zu einer Herausforderung für die nationale Sicherheit geworden.“

Die damals 600.000 Mann starke Armee des vom kommunistischen Norden bedrohten Landes wäre der Prognose zufolge bis heute um ein Sechstel eingebrochen.

Elon Musk warnt vor „verknöcherten Gesellschaften“

Während Alarmisten vor allem in westlichen Ländern immer noch von einer angeblich drohenden „Überbevölkerung“ sprechen, warnt Tesla-Gründer Elon Musk seit längerem vor einem Geburtenrückgang.

Musk sah darin bereits 2020 im Rahmen der „Springer-Awards“ eine Gefahr für die menschliche Zivilisation. Ein Geburtenkollaps bewirke eine globale Überalterung, wirtschaftliche Stagnation sowie fehlende Dynamik und Innovationskraft. Zudem würde die Überalterung die jungen Generationen über Gebühr belasten. Darüber hinaus würden überalterte Länder geprägt von einer „verknöcherten Gesellschaft […], in der neue Ideen keinen Erfolg haben“.

Den offiziellen Daten der UNO und der Weltbank zufolge sinkt die weltweite Geburtenrate in praktisch allen Ländern. Unterschiede gibt es lediglich im Tempo, in dem sich dieser Prozess vollzieht.

Im Land mit der höchsten Geburtenrate, dem Niger, ist die durchschnittliche Zahl der Geburten pro Frau in gebärfähigem Alter vom Höchststand von 7,9 im Jahr 1983 auf heute 6,8 gesunken. In dem 24-Millionen-Einwohner-Staat erreichen acht Prozent der Kinder ihr fünftes Lebensjahr nicht. Drastisch ist demgegenüber der Rückgang der Geburtenrate im kriegsgeschüttelten Jemen. Dort sank sie im gleichen Zeitraum von 8,8 auf 3,6 Kinder pro Frau in gebärfähigem Alter.

Noch deutlicher sinkt die Geburtenrate in Entwicklungsländern, die einen Prozess der Stabilisierung erlebt haben. In Oman ging sie in den vergangenen Jahrzehnten von 8,3 auf 2,4 zurück. Nachdem sich Ruanda nach dem Genozid von 1994 wirtschaftlich und politisch erholen konnte, sank die Zahl dort von 8,2 auf 3,6.

In Katar sank die Geburtenrate zwischen 1973 und 2019 von 6,7 auf 1,85. Gleichzeitig fiel das BIP pro Kopf von 157.000 auf 90.000 US-Dollar. Das ist zwar im globalen Vergleich immer noch ein hoher Wert. Dennoch macht das Beispiel des Ölemirats deutlich: Der Wohlstandsverlust durch Geburtenrückgang ist langfristig größer als der kurzfristige Aufwand für Investitionen in Bildung oder Infrastruktur bei steigender Geburtenrate.

Unterschiedliche Szenarien durchgerechnet

Was die künftige Entwicklung der Weltbevölkerung anbelangt, hat der UN-Bericht mehrere mögliche Szenarien entworfen. Im Extremfall würde diese bis Ende des Jahrhunderts 13,6 Milliarden Menschen erreichen, ehe auch der absolute Höhepunkt erreicht wäre. Dies würde jedoch eine annähernd gleichbleibende Geburtenrate voraussetzen, die dem verfestigten Trend der letzten 40 Jahre entgegenlaufen würde.

Ein mittleres Szenario geht von einem absoluten Höchststand der Weltbevölkerung von 10,4 Milliarden im Jahr 2100 aus. Realistischer erscheint in Anbetracht der Entwicklung jedoch jenes Szenario, das von einem Höchststand von 8,7 Milliarden zwischen 2050 und 2060 ausgeht. Bis 2100 würde die Bevölkerung der Erde auf 7,3 Milliarden gesunken sein – und damit auf einen niedrigeren Wert als heute (7,96 Milliarden).

Alternative langfristige Bevölkerungsprognosen des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der Bill & Melinda Gates Foundation geht von 8,8 Milliarden im Jahr 2100 aus. Auch dort gibt es mehrere Szenarien mit einer Spanne von 6,8 Milliarden bis 11,8 Milliarden Menschen.

Das IHME geht davon aus, dass die Fruchtbarkeit weltweit schneller sinken wird als im mittleren Szenario der Vereinten Nationen. IHME geht von einer durchschnittlichen Anzahl der Kinder pro Frau aus, die bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,66 Kinder fallen wird. Das wäre weltweit weniger als die Bevölkerungserhaltungsrate von 2,1. Die Vereinten Nationen gehen für den gleichen Zeitpunkt von einer Fruchtbarkeit von 1,84 Kindern pro Frau aus.

Religion und Tradition als Bollwerke gegen demografischen Niedergang

Einer der entscheidenden Faktoren, die dem allgemeinen Trend zum Bevölkerungsrückgang noch entgegenwirken, scheinen traditionelle Vorstellungen zu sein. Vor allem die Religion wirkt als stabilisierender Faktor. Auch wenn der Rückgang der Geburtenrate in vielen mehrheitlich muslimischen Ländern – wie etwa im Iran oder in Katar – dramatisch ist, bleibt diese höher als in westlichen Staaten.

Sogar in Russland könnte, so eine Einschätzung der „Prawda“, der Islam bis 2050 die größte Religionsgemeinschaft darstellen. Die dortige Geburtenrate hat sich von deutlich unter einem Prozent in den 1990er-Jahren auf zuletzt 1,27 erholt. Dies liegt zwar teilweise auch an der staatlichen Familienpolitik, die stark von der orthodoxen Kirche inspiriert wird.

Feministische Propaganda ist in Russland beispielsweise als „extremistisch“ eingestuft, ebenso die positive Darstellung von freiwilliger Kinderlosigkeit. Im Wesentlichen sind es jedoch die Geburtenraten in den mehrheitlich muslimischen Gebieten des Landes, die zur Stabilisierung beitragen.

Auch im Judentum zeigt sich ein ähnlicher Trend. Während die Geburtenrate in Israel unter säkularen Juden nur bei 2,2 Kindern pro Frau in gebärfähigem Alter liegt, ist sie in religiösen Communitys weiter hoch. Bei jüdischen Frauen, die sich als „traditionell“ einstufen, liegt sie bei 2,7. Orthodoxe Gemeinschaften wie die Chassidim verzeichnen „Haaretz“ zufolge eine Geburtenrate von vier, die ultraorthodoxen Haredim sogar von sieben. Diese ist auch seit den 1980er-Jahren stabil. Bis 2065 könnte der stark religiöse Anteil unter Juden in Israel auf 32 Prozent ansteigen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 65, vom 8. Oktober 2022.



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