Wagner-Kämpfer bleiben in Belarus – Minsk hört nicht auf die NATO-Länder
Anfang dieser Woche forderten die Innenminister Polens und der baltischen Staaten Belarus auf, alle Wagner-Kämpfer unverzüglich aus seinem Staatsgebiet auszuweisen. Auf einer Pressekonferenz am 28. August in Warschau forderten sie außerdem die Abschiebung von Migranten aus den Grenzgebieten und deren Rückkehr in ihre Heimatländer.
Belarus hat die Forderungen strikt zurückgewiesen. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko bezeichnete diese als „unvernünftig und verrückt“. Erst kürzlich trafen die Kämpfer der russischen Wagner-Gruppe in Belarus ein, sie bilden dort aktuell belarussische Armeeeinheiten aus.
„Sie [Polen und die baltischen Staaten] sind so weit gegangen, den sofortigen Rückzug [der Wagner-Kämpfer] aus Belarus zu fordern“, wurde Präsident Lukaschenko von der belarussischen Nachrichtenagentur „BelTa“ am 31. August zitiert. Er gab an, dass die vier NATO-Staaten gleichzeitig „große militärische Formationen“ an der Grenze von Belarus stationiert hätten.
Bedrohung für die gesamte Ostflanke der NATO
Für Aufregung sorgten bei den Nachbarstaaten von Belarus beispielsweise Einrichtungen der Wagner-Söldner nahe der polnischen Grenze. Auch die Tatsache, dass das private Militärunternehmen mit Verbindungen zum Kreml bis vor Kurzem an vorderster Front im Konflikt mit der Ukraine tätig war, sorgt für Unbehagen.
Belarus ist ein wichtiger Verbündeter Russlands und grenzt sowohl an Russland als auch an die Ukraine – und außerdem an Polen, Litauen und Lettland. Die drei letztgenannten Staaten gehören zusammen mit Estland der NATO an.
Polnische Beamte haben wiederholt behauptet, dass die Wagner-Präsenz in Weißrussland nicht nur eine Bedrohung für Polen, sondern für die gesamte Ostflanke der NATO darstelle. Die mit der NATO verbündeten Nachbarn von Belarus beschuldigen Minsk außerdem, Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika zum illegalen Überschreiten der belarussischen Grenze zu ermutigen, um ihre Länder zu destabilisieren.
„Dies ist Teil der hybriden Kriegsführung des Lukaschenko-Regimes unter Beteiligung der sogenannten Wagner-Gruppe“, sagte Paweł Jabłoński, stellvertretender polnischer Außenminister, am 29. August der polnischen Nachrichtenagentur PAP.
Minsk seinerseits bestreitet die Behauptungen.
Angespannte Lage
Seit der Ankunft von Wagner-Kämpfern in Weißrussland im letzten Monat haben sich die Spannungen an der Grenze erheblich verschärft. Am 10. August kündigte Warschau an, 10.000 Soldaten an die polnisch-weißrussische Grenze zu entsenden. Kurz darauf wies der lettische Verteidigungsminister das Militär an, seine Präsenz entlang der lettischen Grenze zu Weißrussland zu verstärken.
Am 19. August schloss Litauen einseitig zwei seiner sechs Grenzübergänge zu Belarus, als Grund gab die Regierung „geopolitischer Umstände“ an. Zwei Tage später forderte das US-Außenministerium US-Bürger in Belarus auf, das Land „unverzüglich“ zu verlassen. In seinem Reisehinweis prangerte das Außenministerium an, dass Minsk „den unprovozierten Angriff Russlands auf die Ukraine, den Aufbau russischer Streitkräfte in Belarus und die willkürliche Durchsetzung lokaler Gesetze“ unterstütze.
Belarus und Russland, die durch einen eigenen Verteidigungsvertrag gebunden sind, sind der Ansicht, dass die polnische Aufrüstung entlang der Grenze darauf hindeutet, dass Warschau „groß angelegte aggressive Aktionen“ plant. Moskau hat wiederholt gewarnt, dass ein Angriff auf Belarus „durch Polen oder einen anderen Aggressor“ als ein Angriff auf Russland selbst betrachtet würde.
In einem Interview erklärte Weißrusslands Präsident Lukaschenko kürzlich: „Wenn von Polen, Litauen oder Lettland ein Angriff auf unser Land ausgeht, werden wir sofort mit allem, was wir haben, antworten.“
Der empfindliche Punkt: die Suwalki-Lücke
Warum Warschau so viel Furcht vor Wagners Kämpfern hat, darauf gibt es laut Fachleuten und Analysten eine konkrete Antwort. Das zumindest hat der Londoner Korrespondent Endre Szvetnik in seiner Analyse für die ungarische „Infostart“ dargelegt.
Ihm zufolge haben bei der polnischen Führung Ende Juli die Alarmglocken geläutet, weil sich die Wagner-Söldner einem besonders sensiblen Ort näherten: der Stadt Grodno im Westen von Belarus.
„Entlang dieses Grenzabschnitts verläuft die 65 bis 100 km lange sogenannte Suwalki-Lücke. Sollten die Wagner-Söldner ihn erobern, würde er Belarus, einen Verbündeten Moskaus, mit der westlichen Exklave Russlands, dem Kaliningrader Gebiet, verbinden. Außerdem würde sie Polen von Litauen und damit von den drei baltischen NATO-Verbündeten abschneiden“, schreibt Svetnik.
Im vergangenen Jahr habe Litauen hier „den russischen Eisenbahntransit unter Berufung auf die Sanktionspolitik teilweise geschlossen“.
Der Kampf um den „Korridor“ ist ein Standardszenario für alle Militärübungen in der Region. Das betrifft sowohl die Übungen der NATO als auch die von Belarus.
Eine Besetzung dieses Territoriums dürfte von der russischen Führung als ebenso wichtig angesehen werden. Dies bestätigte der russische Abgeordnete und pensionierte General Andrej Kartapolow. Mitte Juli sagte er in der bekannten Kremlsendung von Wladimir Solowjow: „Präsident Putin hat Wagner nicht nur nach Belarus geschickt, um die dortige Armee auszubilden, sondern weil es einen solchen Korridor (…) gibt (…), und wenn es sich so ergibt, brauchen wir ihn wirklich.“
Die Iskander sind einsatzbereit
Seit 1999 sind Russland und Belarus durch einen „Unionsstaatsvertrag“ gebunden. Ziel ist es, die bilateralen Beziehungen, insbesondere im Bereich der Verteidigung, zu festigen. Hier einige Eckdaten der militärischen Zusammenarbeit.
Im vergangenen Herbst entsandte Russland im Rahmen des Vertrags Truppen und militärische Ausrüstung nach Belarus. Anfang dieses Jahres hat Moskau Pläne zur Stationierung von Atomwaffen in dem Land bekannt gegeben. Laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sollen alle für Belarus bestimmten Atomwaffen bis Ende 2023 verlegt werden.
Lukaschenko erklärte kürzlich, dass sich bereits einige russische Atomwaffen im Land befänden, ohne zu sagen, wie viele. Wie die russische Nachrichtenagentur TASS berichtet, hat Moskau auch bei der Umrüstung belarussischer Militärflugzeuge geholfen, damit diese „Spezialmunition tragen und einsetzen können“.
Im Dezember 2022 erklärte Minsk, dass die von Russland stationierten Raketensysteme Iskander und S-400 auf belarussischem Territorium im Einsatz seien. Am 30. August gab das belarussische Verteidigungsministerium bekannt, dass ein weiteres Iskander-Raketensystem, von Russland an die belarussischen Streitkräfte übergeben wurde. Das System ermöglicht es, nukleare Nutzlasten zu transportieren.
Am 1. September beginnen die militärischen Einsatzkräfte der Mitgliedsstaaten der OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit) mit einwöchigen gemeinsamen Übungen in Belarus. Die 1991 gegründete OVKS ist ein von Moskau geführtes Militärbündnis aus sechs Nationen. Neben Russland und Belarus gehören ihr derzeit Armenien, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan an.
Anfang dieser Woche erklärte Anatoli Sidorow, der gemeinsame Stabschef der OVKS, dass die Übungen keine „Aggression“ darstellten. Die gemeinsamen Übungen richteten sich auch nicht „gegen Drittländer“, versicherte er. Am 29. August erklärte Alexander Volfovich, der Vorsitzende des belarussischen Sicherheitsrates, dass Polen und Litauen eingeladen worden seien, Beobachter zu den Übungen zu entsenden, aber keines der beiden Länder habe bisher geantwortet.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „On Eve of Wargames, Minsk Rejects NATO States‘ Call to Expel Wagner Fighters“ (deutsche Bearbeitung und Ergänzung ef)
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