Warum dem Prozess gegen Bo Xilai die entscheidenden Inhalte fehlten

Titelbild
Bo Xilai, der entmachtete KP-Star am 22. August 2013, seinem ersten Prozesstag.Foto: Screenshot/Epoch Times
Epoch Times30. August 2013

„Ein Verfahren von nie dagewesener Transparenz und Offenheit“ – das war der Bo Xilai-Prozess laut Chinas Staatsmedien. Experten sehen darin jedoch einen reinen Schauprozess. Er soll das empfindliche politische Gleichgewicht innerhalb des Regimes wahren und Schaden begrenzen.

Ein bisschen Mord, ein bisschen Schmiergeld

In einem Politbüro-Meeting Ende September 2012 gab die Parteispitze bekannt, dass der Prozess gegen Bo der Justiz übergeben wird. Ein Report des Antikorruptionsausschusses hatte sie dazu bewogen. Der Bericht zeugte von Bo´s Machtmissbrauch und Hauptverantwortung in der Affäre Wang Lijun, der versucht hatte, ins US-Konsulat zu flüchten. Auch die Vertuschung des Mordes an Neil Heywood, der mutmaßlich von Bo´s Frau Gu Kalai begangen wurde, wird ihm darin zur Last gelegt. Bo Xilai habe außerdem persönlich und durch seine Familienmitglieder Bestechungsgelder entgegen genommen. Dazu kommen außereheliche Affairen mit mehreren Frauen. Und trotzdem beschränkte der Staatsanwalt die Klage auf „Bestechung, Unterschlagung und Machtmissbrauch“.

Laut Heng He, einem politischen Kommentator des unabhängigen chinesischsprachigen Senders NTDTV, stützte sich der gesamte Prozess gegen Bo auf Verharmlosung und Entpolitisierung.

Abgekartetes Spiel soll das Regime stützen

Hauptanliegen des Prozesses war, das empfindliche Mächtegleichgewicht innerhalb der Partei zu wahren, sagt He. Das sollte Schaden vom Regime abwenden. Laut He muss es bereits im Vorfeld zu einem Konsens zwischen Bo und der Staatsanwaltschaft gekommen sein – denn niemand der Beteiligten wagte es, Kritik am Einparteien-System zu üben, oder die Auswirkungen dieses Systems in irgendeiner Weise mit der Causa Bo Xilai in Verbindung zu bringen.

Dass Bo wagte, vor Gericht Aussagen zu bestreiten, die er während des Untersuchungsverfahrens gemacht hatte sei auf seinen Status als „Prinzling“ zurückzuführen, meint He Qinglian, eine Kommentatorin für Politik und Wirtschaft. Prinzlinge nennt man in China die Söhne hoher kommunistischer Partei-Kader, die aufgrund der Prominenz und des Einflusses ihrer Väter einen Sonderstatus genießen.

Druck von den Prinzlingen im Hintergrund

Bo habe unter den Prinzlingen viele Unterstützer. Seit seiner Verhaftung seien Berichte aufgetauscht, wonach Parteichef Xi Jinping, der selbst ein Prinzling ist, mehrfach versucht hatte, die Bo-Sympathisanten unter den Prinzlingen zu berschwichtigen. Dies seien Persönlichkeiten wie der frühere Vize-Minister Chen Yuan, jetzt Vorsitzender von China Development; Liu Yuan, ein General, Leiter der Akademie für Militärwissenschaft der Volksbefreiungsarmee und Sohn des früheren Staatschefs Liu Shaoqi; und Zhang Haiyang, ein weiterer General.

Ein weiterer Grund sei laut Heng He, dass Bo genau wußte, dass das Beweismaterial des Antikorruptionsausschusses vor Gericht überhaupt nicht zum Einsatz kommen würde. Er kennt also die Grauzonen des Justizsystems besser als die Staatsanwaltschaft …

Sogar die Toilettenpausen waren geplant

He Qinglian sagte, es sei ein Bilderbuch-Schauprozess eines hochrangigen KP-Beamten gewesen. Prozesse gegen Partei-Bonzen würden grundsätzlich vorher geprobt und das sogar sehr genau. Der Prozess gegen den Shanghaier Parteisekretär und Politbüro Mitglied Chen Lianyu war „bis in die Details vorher abgesprochen worden“. „Sogar die Momente, in denen Chen eine Pinkelpause eingeräumt wurde, waren laut Chens Anwalt, sorgfältigst geplant.“ Und natürlich stand bei diesem Schauprozess das Urteil schon vorher fest.

Damit es nach einer echten Verhandlung aussah, gaben die Machthaber Bo die Gelegenheit, herum zu argumentieren und Kleinigkeiten zu bekritteln. Also schlug er vor Gericht zurück und verteidigte sein „politisches Vermächtnis“ für den Fall eines zukünftigen Comebacks …

Bos mögliches Comeback sollte ausgeschlossen werden

Vermutlich glaubt die Staatsanwaltschaft, dass die Anschuldigugen „Bestechung“ und „Untreue“ schon ausreichen, um die Partei vor einem möglichen Comeback Bo Xilai´s zu bewahren, sagt Heng He. Und das, obwohl es in China enorm schwierig ist, Beweise für Bestechung und Untreue zu sammeln. Denn die korrupten Kader haben eines gemeinsam: Sie bringen ihr Schwarzgeld nicht wie die braven Bürger zur Bank. Und stets beteuern sie ihre Unschuld. Meist seien es die Frauen, Kinder oder andere Angehörige des Täters, die das Schmiergeld stellvertretend für ihn und in Bar entgegen nehmen.

Kein Erfolg für Parteichef Xi Jinping

Transparenz und Offenheit sieht Heng He in dem Prozess nicht gegeben, da weder Kameras noch Journalisten zugelassen waren und die Mitschrift zensiert wurde, bevor sie auf Weibo erschien.

Er bezweifelt überdies, das Xi Jinping aus dem angeblich „offenen Verfahren“ irgendeinen politischen Vorteil ziehen konnte. „Die meisten Chinesen sind überzeugt, dass es ein Schauprozess war. Und damit hat Xi weder bei den Rechten noch den Linken Punkte gesammelt.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion