„Wenn das Coronavirus hier reinkommt, sind alle tot“: Häftlinge in Italien gehen auf die Barrikaden

In mehreren Gefängnissen Italiens kam es wegen der Coronavirus-Epidemie zu gewaltsamen Protesten. Zuvor hatte die Regierung beschlossen, Besuche von Angehörigen einzuschränken.
Titelbild
Hinter Gittern.Foto: Rattankun Thongbun
Epoch Times10. März 2020

„Wenn das Coronavirus hier reinkommt, sind alle tot“, sagt Monica. Ihr Mann sitzt im norditalienischen Modena im Gefängnis, verurteilt zu acht Jahren Haft. „Die meisten der Gefangenen sind HIV-positiv oder haben Lungenprobleme vom Rauchen – ihrem einzigen Vergnügen. Mein Mann raucht drei Schachteln am Tag.“

Eine Ansteckung würde kaum ein Gefangener überleben, fürchtet die 50-Jährige. Die wegen des neuartigen Coronavirus verhängten Restriktionen in Italiens Haftanstalten sorgen dennoch für Spannungen und sogar gewaltsame Gefängnisaufstände.

Um Häftlinge vor Infektionen zu schützen, haben die Behörden Besuche im Gefängnis verboten und Freigänge eingeschränkt. Diese Maßnahmen stoßen auf vehementen Widerstand. In mehr als 20 Gefängnissen in Italien – unter anderem in Rom, Mailand, Neapel und Bari – rebellierten seit Sonntag Gefangene.

Insgesamt elf Häftlinge kamen dabei ums Leben. Unter den Opfern waren acht Insassen der Haftanstalt Sant’Anna in Modena. In Rieti nordöstlich von Rom starben am Dienstag drei Gefangene nach der Einnahme von Medikamenten, die sie bei Unruhen am Abend zuvor aus der Krankenstation gestohlen hatten.

Nach Ansicht von Gilberto, Vater eines Häftlings in Modena, ist mangelhafte Kommunikation schuld an den Revolten. „Die Gefangenen waren nicht darüber informiert worden, was sich draußen abspielt“, sagt der 59-Jährige, der anonym bleiben möchte. „Deshalb ist das alles passiert, dieser Krieg.“

Im Gefängnis San Vittore in Mailand kletterten Gefangene aufs Dach und riefen „Wir wollen Freiheit!“. Auch wütende Angehörige von Insassen versammelten sich vor mehreren Haftanstalten, um gegen das Besuchsverbot zu demonstrieren.

Die Einschränkungen von Besuch und Freigang sind aber nur ein Grund für die Aufstände. Die Gefangenen haben auch Angst, dass sich in der räumlichen Enge die Epidemie rasend schnell ausbreitet. Die italienischen Gefängnisse sind stark überbelegt: 61.000 Insassen kommen auf 51.000 Plätze.

Um Ansteckungen zu verhindern, kündigten die Behörden an, 100.000 Atemschutzmasken in den Haftanstalten zu verteilen und 80 Zelte an den Eingängen aufzubauen, in denen Neuzugänge auf mögliche Corona-Infektionen untersucht werden sollen. Nach Angaben der Organisation Antigone müssen alle Gefängnismitarbeiter täglich bei Dienstbeginn ihre Körpertemperatur messen.

Die Gefahr weiterer Revolten scheint noch nicht gebannt. „Die Situation kann schnell eskalieren“, sagt Andrea Oleandri von Antigone. „Wir bitten die Gefangenen und ihre Angehörigen inständig, mit den gewalttätigen Protesten aufzuhören, weil diese weitere auslösen können.“ Wenn die Häftlinge durch das Fernsehen von Aufständen in anderen Gefängnissen erführen, bestehe die Gefahr, dass sie aus Solidarität ebenfalls rebellierten, sagt Oleandri.

Italienische Medien berichteten von anhaltenden starken Spannungen in den Gefängnissen. Die Wärter fürchten demnach auch Zusammenstöße unter den Gefangenen – den Befürwortern und Gegnern weiterer Revolten. (afp)



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