WHO stuft Süßstoff Aspartam als „möglicherweise krebserregend“ ein
Ein häufig in Softdrinks, Joghurt und Kaugummi eingesetzter Süßstoff kann laut einer neuen Experteneinstufung unter Umständen bei Menschen Krebs auslösen – aber in den üblichen konsumierten Mengen dürfte er kein Problem darstellen. Es geht um Aspartam, einen von elf in der EU zugelassenen Süßstoffen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ändert ihre Richtlinien trotz der neuen Einstufung nicht. Sie sieht in den zugrundeliegenden Studien keine Hinweise darauf, dass ein Verzehr im Rahmen der empfohlenen Höchstwerte gefährlich sein könnte. Wer sich daran halte, setze sich nach derzeitigem Wissensstand keinem höheren Krebsrisiko aus, berichtete die WHO.
„Wir raten Unternehmen nicht dazu, ihre Produkte zurückzurufen, und wir raten Verbrauchern auch nicht, den Konsum komplett einzustellen“, sagte Francesco Branca, Direktor für Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit bei der WHO, am Freitag in Genf.
Zucker oder Süßstoff?
In Anbetracht der scheinbar widersprüchlichen Informationen über Aspartam, gab Branca einen Rat an die Verbraucher. Sie sollten bei der Entscheidung, ob sie Limonade mit Süßstoffen oder mit Zucker wählen, auch eine dritte Option in Erwägung ziehen.
„Anstelle von gesüßten Getränken könnte Wasser eine gute Alternative sein.“ Und weiter: „Darüber hinaus könnten generell der Konsum von gesüßten Produkten eingeschränkt werden. Es gibt nämlich Alternativen, die weder freie Zucker noch Süßstoffe enthalten. Diese sollten von den Verbrauchern bevorzugt werden.“
Die neue Einstufung als „möglicherweise krebserregend“ für Aspartam stammt von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon. Sie gehört zur WHO. Die IARC veröffentlichte ihre Erkenntnisse am Freitag in der Fachzeitschrift „The Lancet Oncology“. Sie sah in drei Studien mit Menschen Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer bestimmten Form von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom).
Keine Risiko-Analyse
Die IARC-Fachleute beurteilen nur, ob ein Stoff im Prinzip Krebs verursachen könnte. Sie berücksichtigen nicht, wie viel davon ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben, erklärte Mary Schubauer-Berigan. Sie leitet das für die Einstufung zuständige IARC-Monographs-Programm.
Risiko-Analysen für Menschen machen andere Institutionen, etwa der Ausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der WHO und der UN-Agrarorganisation FAO (JECFA) – oder Behörden für Lebensmittelsicherheit wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die empfohlene Höchstmenge von Aspartam liegt bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Den Grenzwert würde ein Mensch mit 70 Kilogramm Gewicht erst erreichen, wenn er an einem Tag neun bis 14 Dosen herkömmlicher Größe mit stark aspartamhaltigem Diät-Getränk trinkt, berichtete die WHO.
Mehr Studien nötig
Einige Wissenschaftler und die Industrie für künstliche Süßstoffe fürchten nun, dass das neue Label der WHO Verwirrung stiften könnte. Mary Schubauer-Berigan, Leiterin des Programms zur Einstufung von Aspartam, hofft auf weitere Forschungen, die sich mit möglichen Krebsrisiken im Zusammenhang mit dem umstrittenen Süßstoff beschäftigen. (dpa/dl)
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