Wladimir Putin: Es war ein Fehler, 1956 Panzer nach Ungarn zu schicken

Der Einsatz sowjetischer Panzer in Budapest im Jahr 1956 war ein Fehler, sagt Putin. Doch aktuell würden die USA genau die gleichen Fehler wie damals die Sowjetunion machen – sie „setzen ihre Verbündeten und ihre sogenannten Partner unter Druck“.
Titelbild
Kremlchef Wladimir Putin nahm an einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok im russischen Fernen Osten teil.Foto: MIKHAIL METZEL/POOL/AFP via Getty Images
Von 18. September 2023


Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wird wiederholt, verglichen mit der sowjetischen Aggression gegen Ungarn im Jahr 1956. Russlands Präsident Wladimir Putin hat vor Kurzem auch eine Parallele mit den Ereignissen von 1956 gezogen.

Die „fehlerhafte Politik der Sowjetunion“

Im Jahr 1956 erhoben sich die Ungarn gegen die kommunistische Unterdrückung durch die Sowjetunion. Ihr Streben nach Freiheit wurde von russischen Panzern buchstäblich in den Boden gerammt.

„Das Vorgehen der Sowjetunion, die 1956 und 1968 Truppen nach Budapest und Prag schickte, war eine fehlerhafte Politik, die nur zu Spannungen führte.“ Das erklärte der russische Präsident Wladimir Putin am 12. September auf dem VIII. Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok.

Putin hat schon 2006 ähnliche Aussagen über den Ungarischen Aufstand 1956 gemacht. Die jetzige Erklärung von Putin wurde von der osteuropäischen Presse rasch verbreitet.

Putin: „Die westlichen Länder tappen gerade in eine Falle“

Das Thema wurde durch den Moderator des Wirtschaftsforums angesprochen. Er richtete sich an den russischen Staatschef, demnach werde „in vielen Ländern, darunter Ungarn und der Tschechischen Republik, angenommen, dass Russland während der Sowjetära als Kolonialist gehandelt hat.“

Putin unterstrich daraufhin, dass selbst in Russland „seit Langem anerkannt wird, dass dieser Teil der Politik der Sowjetunion falsch war“. Denn: „In der Außenpolitik kann man nicht etwas tun, was eindeutig gegen die Interessen anderer Völker gerichtet ist.“

Seiner Meinung nach sei es nicht Russland, welches den gleichen Fehler mache wie früher, sondern der „Westen“, der sich einmischen will. Wenn es also darum gehe, ein Eigentor zu schießen, dann seien es „die führenden westlichen Mächte, und vor allem die Vereinigten Staaten, denen gerade gezeigt wird, was eine Harke ist.“

Die Vereinigten Staaten würden genau die gleichen Fehler wie die Sowjetunion damals machen. Die USA „setzen ihre Verbündeten und ihre sogenannten Partner unter Druck – schließlich haben sie keine Freunde, sondern nur Interessen“.

Dieses Bild vom 6. November 1956 zeigt die Trümmer eines sowjetischen Panzers auf einer Straße in Budapest. Der Aufstand brach am 23. Oktober 1956 aus und wurde am 4. November von sowjetischen Panzern blutig niedergeschlagen. Damit war das Schicksal des Landes als Satellitenstaat Moskaus bis zum Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 besiegelt. Foto: INTERCONTINENTAL/AFP via Getty Images

Ukraine 2022 vs. Ungarn 1956

Von ukrainischer Seite ist zu hören, dass das Land gerade einen ähnlichen Kampf für die Freiheit führt wie die Ungarn 1956. Was sagen die Ungarn dazu?

Im Jahr 1956 begannen in Ungarn antikommunistische und antisowjetische Demonstrationen; die Situation eskalierte. Die Sowjetunion setzte schließlich Panzer gegen die ungarische Hauptstadt ein und schlug den Aufstand in wenigen Tagen nieder. Mehr als 2.600 ungarische und über 600 sowjetische Soldaten starben bei den Kämpfen. Beim ähnlichen antikommunistischen Aufstand in der Tschechoslowakei 1968 verloren 137 Bürger ihr Leben.

Hinsichtlich der Ukraine wird dem ungarischen Ministerpräsidenten Orbán oft vorgeworfen, das Erbe der Helden der ’56er zu verraten. Er nehme nicht am „Kreuzzug gegen Russland“ teil.

Viele Menschen sähen, dass „ein Staat, der nach Freiheit und Selbstbestimmung strebt, von der benachbarten Großmacht in seine eigene Interessensphäre gedrängt wird“. Doch „ohne umfassenderes Fachwissen nähern wir uns historischen Ereignissen verständlicherweise auf einer emotionalen Basis. Und dann sind die Ähnlichkeiten frappierend“, kommentiert der in Ungarn weithin anerkannte Historiker János M. Rainer. Selbst um den Preis von „Blut und Zerstörung“, so Rainer, zitiert von dem liberalen Portal „24.hu“. Es gebe essenzielle Unterschiede.

Andere Forscher sehen es ähnlich. „Die beiden bewaffneten Konflikte dürfen nicht miteinander verwechselt werden, geschweige denn als Fortsetzung des jeweils anderen gesehen werden“, formuliert der Soziologe und Geschichtsforscher Áron Máthé.

Was ist der Unterschied?

Dem Historiker Máthé zufolge besteht der wichtigste Unterschied darin, dass 1956 das gesamte Territorium Ungarns von sowjetischen Truppen besetzt war, „und das Land unter der totalitären kommunistischen Diktatur erdrückt wurde“. Es gab damals in Ungarn eine große Anzahl von politischen Gefangenen, politische Hinrichtungen und eine unmenschliche, brutale Ideologie.

„Im Gegensatz dazu gab es im Jahr 2022 keine ausländische Besatzung in der Ukraine, außer in den abtrünnigen Gebieten und auf der Krim. Die Frage ist natürlich, ob es für die Menschen dort eine ausländische Besatzung oder eine Befreiung war. Im Prinzip herrschte in der Ukraine Demokratie“, so der Experte.

Laut Máthé gab es 1956 eindeutig eine Revolution gegen ein totalitäres Regime und einen Kampf um Freiheit gegen ausländische Besatzer. Der gegenwärtige Krieg in der Ukraine „trägt die Züge eines Kampfes um Leben und Tod zur Selbstverteidigung und gleichzeitig eines Stellvertreterkrieges der USA“.

Panzer der sowjetischen Armee gehen am 12. November 1956 in Budapest in Stellung. Die Rote Armee, die im Rahmen des Friedensvertrags von 1947 in Ungarn stationiert war, griff am 12. November 1956 die ungarische Hauptstadt an, nahm sie ein und schlug den antikommunistischen Aufstand nieder. Foto: INTERCONTINENTALE/AFP via Getty Images

Spezialist: Europa zahlt einen hohen Preis

Sándor Szakály, Doktor der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Universitätsprofessor, äußerte sich ebenfalls zu der Frage. Nach Ansicht des renommierten Experten sei der Unterschied zwischen 1956 und 2022 ganz eindeutig zu erkennen.

„In Ungarn hat sich ein ganzes Volk, eine ganze Nation gegen die sowjetischen Besatzer erhoben“, sagte er in einem Interview mit Zeitungsdirektor und Journalist István Stefka. Er fügte hinzu, dass dies ein Schritt war, der Auswirkungen auf ganz Europa hatte.

„Wir waren die Ersten, die ein großes Loch in das rostige Schiff des Bolschewismus gerissen haben, was schließlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hat“, so Szakály.

Der Unterschied sei also wesentlich: „Die Ukrainer verteidigen nicht die Ungarn und auch nicht Europa!“ Der Historiker fügte hinzu, dass vor dem Ukraine-Krieg Russland keine Bedrohung für Europa darstellte und die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen hervorragend waren.

Sein Fazit lautet: „Die Tatsache, dass Europa die Ukraine plötzlich als Rechtsstaat ansieht, liegt im Interesse der USA.“ Die Ukraine hingegen erfülle keines der Kriterien für einen europäischen Rechtsstaat. Sie sei stark repressiv, „verfolgt ihre Minderheiten, verbietet die Opposition und die Presse und ist von Korruption geprägt“.

Der Preis sei jedoch sehr hoch, meint Szakály: „In der Zwischenzeit zerstört Europa die Volkswirtschaften seiner Mitgliedstaaten mit sinnlosen Sanktionen und sogar den sich abzeichnenden zivilen Wohlstand – alles angeblich wegen der Ukraine.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion