Zehn Jahre nach „Nichts ist gut in Afghanistan“-Predigt: Wir investieren zu wenig „in Frieden“

Die Lage in Afghanistan ist "auf gut Deutsch zum Gotterbarmen", sagte die Theologin Margot Käßmann. Es seien inzwischen Milliarden in die militärische Präsenz investiert worden. "Aber wir investieren fast nichts für Mediation, Aussöhnung, Perspektiven vor Ort."
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Foto: WAKIL KOHSAR/AFP/Getty Images
Epoch Times25. Dezember 2019

Zehn Jahre nach ihrer aufrüttelnden Predigt mit dem Satz „nichts ist gut in Afghanistan“ hat sich die Theologin Margot Käßmann entsetzt über die Situation in dem vom Krieg zerrütteten Land gezeigt. „Die Lage dort ist auf gut Deutsch zum Gotterbarmen“, sagte Käßmann der Nachrichtenagentur AFP. Bedrückend sei, dass sich offensichtlich die Lage „überhaupt nicht verbessert hat, sondern eher verschlechtert“.

Käßmann hatte als damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in ihrer Neujahrspredigt 2010 in Dresden die Lage in Afghanistan auch mit Blick auf den dortigen Einsatz der Bundeswehr kritisiert. Dies hatte eine politische Debatte mit scharfen, teils hämischen Angriffen auf die Theologin ausgelöst.

Käßmann sagte AFP, „in zehn Jahren seit dieser Predigt wurden keine echten Friedensperspektiven entwickelt. Ich habe damals gesagt, es fehlt Phantasie für den Frieden. Ich denke, das stimmt auch heute noch.“ Sie würde den Parteien im Bundestag raten, bevor sie den dortigen Einsatz der Bundeswehr ein weiteres Mal verlängern, sollten sie überlegen, was verändert werden muss.

Dies sei keine Kritik an den Soldaten. „Aber ich sehe nicht, wo sich Politiker zusammensetzen und engagiert überlegen, was zu verbessern ist. Ich sehe keine Ideen, wie Frieden werden soll in Afghanistan.“ Sie sehe auch niemanden, der da etwas entwickele.

„Was mich wirklich deprimiert ist, dass es so wenige Investitionen in Frieden gibt“, sagte die Theologin. Es seien inzwischen Milliarden in die militärische Präsenz investiert worden. „Aber wir investieren fast nichts für Mediation, Aussöhnung, Perspektiven vor Ort.“

Enttäuscht zeigte sich Käßmann auch von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Als diese zu Monatsbeginn zum Truppenbesuch in Afghanistan war, habe sie sich lediglich die Lage vor Ort angeschaut. „Das war es.“

Um Frieden zu erreichen, müsse aber mehr gemacht werden. „Für eine Friedensinitiative müssen alle am Afghanistan-Krieg beteiligten Partner zusammenkommen und auch die Taliban mit einbeziehen“, sagte Käßmann.

In dem Interview blickte die Mitte 2018 in den Ruhestand getretene Theologin auf ihre Afghanistan-Predigt zurück: Keine Predigt in ihrer Laufbahn habe solch eine große Resonanz ausgelöst, sagte die 61-Jährige.

Die hohe Aufmerksamkeit erkläre sie sich durch den von einem deutschen Oberst befohlenen Luftangriff bei Kundus im September 2009, bei dem Dutzende Zivilisten starben. Käßmann sagte, „in der Zeit davor dachten viele Deutsche, unsere Soldaten bauen in Afghanistan Mädchenschulen und bohren Brunnen.“ Nach Kundus hätten viele ihre Predigt für eine Provokation gehalten. „Das war aber nicht meine Intention. Meine Intention war, den Blick auf diesen Einsatz zu lenken.“

Käßmann sagte in der Predigt damals auch den Satz: „Nichts ist gut beim Klima“. Anders als in Afghanistan sehe sie hier aber Bewegung. „Das muss man den jungen Leuten danken, die Druck gemacht haben.“

Dennoch seien noch viel mehr Maßnahmen notwendig. „Wenn aber etwa Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen wie in anderen Ländern als Unsinn ablehnt, dann zeigt das die Macht der Autolobby“, sagte Käßmann. Dabei ließen sich durch solch eine Maßnahme „sofort die Emissionen senken“. (afp)



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