Zensurgefahr: Twitters neue „unabhängige“ Direktorin Li Feifei – die Frau mit den roten Kontakten

Li Feifei steht in enger Verbindung mit Auslandsorganisationen der Kommunistischen Partei Chinas, ist Expertin für Künstliche Intelligenz und wurde nun für das Twitter-Direktorium engagiert. Nun befürchten Twitter-User die Ausbreitung von Zensur zugunsten der KPCh im Mikrobloggingdienst. Die ersten Konten wurden bereits gesperrt.
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Die ehemalige Chefwissenschaftlerin des Google AI China Centers wurde für das Direktorium von Twitter engagiert. Viele User befürchten nun Zensurbestrebungen im Sinne der Kommunistischen Partei Chinas.Foto: Oli Scarff/Getty Images - Matt Winkelmeyer/Getty Images for WIRED25 - Comp.ET
Von 26. Mai 2020

Vergangene Woche gab der Social Media-Riese, die Twitter Inc. Aktiengesellschaft, die Ernennung einer neuen „unabhängigen“ Direktorin im Board of Directors bekannt. Li Feifei, Informatikprofessorin an der Stanford University in Kalifornien, USA, war vor einiger Zeit noch Chefwissenschaftlerin des Google AI China Centers, der Abteilung des Konzerns für Artificial Intelligence (AI, KI, Künstliche Intelligenz).

Die Aufregung im Internet war groß. Doch offensichtlich will Twitter mit diesem Schritt seine Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf Künstliche Intelligenz (KI) gegenüber Google und Facebook stärken.

Der Kritiker „Life Vision“ nannte Li Feifei direkt eine „rote Expertin“. Der in Frankreich lebende Kritiker Wang Longmeng meinte, dass im Gegensatz zu Google und Facebook Twitter immer als soziales Medium angesehen wurde, dass sich der KP China gegenüber selten gebeugt habe. Die Amtsübernahme von Li Feifei gebe jedoch Anlass zur Sorge, dass man nun einen „Fuchs schickt, um den Hühnerstall zu bewachen“.

Erhöhte Zensurgefahr bei Twitter?

Der in Finnland lebende unabhängige Journalist Li Fang verwies in diesem Zusammenhang auf ein ausländisches Mitglied der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Huang Xutao (Thomas Huang, University of Illinois), ein Unterstützer Li Feifeis.

Dieser hatte eine große Anzahl Experten für visuelle Erkennung für China ausgebildet und wurde dabei offenbar zum Aufbau eines riesigen nationalen Überwachungsnetzwerkes benutzt. Li Fang glaubt deshalb, dass die Einberufung von Li Feifei ins Twitter-Direktorium nun das Zensurrisiko bei dem in China verbotenen Mikrobloggingdienst erhöhen werde.

Im April 2016 hatte der Internetkonzern bereits die chinesische Informatikerin Chen Kui (Kathy Chen) zur Leiterin der Region Greater China von Twitter ernannt. Chen arbeitete früher als Ingenieurin in der militärischen Raketenforschung (bis 1997) in China und in einem Joint Venture mit Beteiligung der Polizeibehörden für Öffentliche Sicherheit (1999 – 2005).

Aufgrund dessen machten sich viele User Sorgen um die Unabhängigkeit von Twitter und protestierten gegen den Einsatz von Kathy Chen mit ihrem „roten“ Hintergrund, weshalb Chen nach acht Monaten Twitter wieder verließ.

Twitter sperrt Accounts

Vor einigen Tagen wurde nun bekannt, dass mehrere Twitter-Konten, wie etwa „Beacon News“, „Calvin Watch America“ ​​und „Cold Finance Eyes“ von Twitter für Beiträge über die neue „unabhängige“ Direktorin Li Feifei gesperrt worden waren.

„Cold Finance Eyes“, ein Finanzkommentator, sagte, dass Twitter viele User wegen Li Feifeis Hintergrund blockiere. Er verwies auch auf den Umstand, dass Li Feifei zwar die Zusammenarbeit bei Google mit dem US-Militär ablehnte, aber bei der Zusammenarbeit mit der Tsinghua Universität und demzufolge auch mit dem chinesischen Militär offenbar keine Probleme hatte. Er schlug vor, dass das FBI die Sache untersuchen sollte.

Im Interview mit der chinesischsprachigen Epoch Times gab er an, dass am Montag, 18. Mai, gegen 19 Uhr seine vier Konten (darunter: @ charles984681, @ goodrick8964 und @ ziyoufeng8964) gleichzeitig gesperrt worden waren, ohne dass Twitter auch nur einen Grund dafür angab. Der User legte Beschwerde ein und wollte auch die Möglichkeit der Strafverfolgung nicht ausschließen. Er gab an, dass die Accounts Hunderttausende Fans hätten und es Jahre gedauert habe, diese aufzubauen. Es brauche auch viel Zeit, jeden Tag zahlreiche Artikel zu veröffentlichen und Videos zu bearbeiten.

Mehrere Twitter-User wurden offenbar im Zusammenhang mit der Ernennung von Li Feifei ins Direktorium von Twitter gesperrt. Foto: Screenshot

Er meinte, dass es nicht fair sei, dies alles innerhalb einer Sekunde zu blockieren und dass wir unsere Rechte schützen müssten. Am 23. Mai teilte ihm Twitter mit, dass die Veröffentlichung derselben Inhalte auf mehreren Konten gegen die Regeln sei. Er könne nur einen der vier Accounts entsperren.

Meinungsfreiheit und demokratische Prinzipien

„Ich frage Li Feifei: Wenn Sie denken, es sei ein Gerücht, können Sie mich verklagen, Sie können mich widerlegen. Man soll dich aber nicht einfach löschen, wie die KPCh es macht und du keine Chance zu sprechen hast. Ich denke, dies entspricht nicht der Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft. Prinzipien.“

„Lighthouse Explosion News Agency“, der Leak-News veröffentlicht, hatte Zehntausende von Fans. Der Kanal veröffentlichte beispielsweise auch Informationen über Li Feifeis Villa mit einem Marktwert von fast zehn Millionen US-Dollar, woraufhin der Account gelöscht wurde.

Ein nicht genauer genannter User brachte es mit einem Kommentar auf den Punkt: „Li Feifei kommt, ich muss rennen.“ Nach dem Tweet wurden seine Haupt- und Backup-Nummern gesperrt.

Unabhängiger Social-Media-Verband gefordert

Viele Internetnutzer hinterließen auf Li Feifeis Twitter-Account demnach Fragen: „Kann Twitter ein chinesisches Weibo werden?“ oder „Können Sie uns etwas über das Libellenprojekt erzählen?“ [Anm. d. Red.: Googles „Dragonfly“] Doch Li Feifei antwortete nicht.

„Cold Finance Eyes“ sagte, dass es in der Tat schrecklich sei, dass die Kommunistische Partei Chinas die USA infilitriert und nannte den Begriff „Trojanisches Pferd“ in diesem Zusammenhang.

„[Ich] habe viele zu tragische Dinge um mich herum gesehen, zum Beispiel wegen Zwangsenteignungen sprangen viele von Gebäuden. Wenn man versucht, seine Rechte zu verteidigen, wird man von der Regierung unterdrückt. Man hat einfach das Gefühl, dieses Land sei abnormal, sehr dunkel, und es gibt keine Möglichkeit, seine Rechte geltend zu machen, keine soziale Hilfe dabei. Solange die Kommunistische Partei nicht untergeht, werden die Menschen in diesem Land weder Sicherheit noch Freiheit haben. Sie muss fallen oder was für ein Leben führen die einfachen Leute sonst hier?“

„Cold Finance Eye“ forderte die Gründung eines unabhängigen Social-Media-Verbandes, um die Benutzerrechte zu schützen.

Kommunistische Ehren für Li Feifei

Wie allerdings in diesem Zusammenhang bekannt wurde, genießt die neue Direktorin auch bei Chinas Kommunistischer Partei ein gewisses Ansehen, sodass diese durch die Zeitung „China Women’s Daily“ als eine der „Top Ten Female Characters“ auszeichnet wurde, wie der chinesische Staatssender CCTV berichtete.

Bei den ausgesuchten Frauen in der staatlichen Zeitung handelte es sich um parteitreue Wissenschaftlerinnen oder um andere Frauen, die sich gut für die Parteipropaganda einspannen lassen.

Die (kommunistische) Exklusivität der Preisträgerinnen zeigte sich dadurch, dass unter ihnen auch Hongkongs Peking-treue Regierungschefin Carrie Lam oder die Nachwuchskommunistin Su Mingjuan waren, die 2017 zur stellvertretenden Parteisekretärin der Kommunistischen Jugendliga der Provinz Anhui ernannt wurde.

Die ebenso hervorgehobene Li Feifei wurde als „bekannte chinesische Expertin auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz“ und Laborleiterin für KI an der Stanford University vorgestellt. Zum Zeitpunkt der „Ehrung“ arbeitete sie bereits als Chefwissenschaftlerin bei Googles AI China Center.

Im Januar 2018 wurde Li Feifei von der Kommunistischen Partei Chinas mit dem „Top Ten Female Character Award“ (2017) ausgezeichnet. Foto: Screenshot

Chinas Interesse an KI und Big Data

Obwohl die Suchmaschine Google seit 2010 Jahren in China gesperrt ist, veranstaltete Google zusammen mit dem chinesischen Regime im Mai 2017 das Future of Go Summit. Mitte Dezember 2017 eröffnete Google in Beijing unter der Leitung der Wissenschaftlerinnen Li Feifei und ihrer Stellvertreterin Li Jia das Google AI China Center. Laut CCTV glaube Google-Chefwissenschaftlerin Li Feifei, dass Daten eine wichtige Kraft für China seien, um die Entwicklung künstlicher Intelligenz zu fördern.

Zu diesem Zeitpunkt berichtete die BBC, dass Google zwei Niederlassungen mit 600 Mitarbeitern in China betreibe. Allerdings seien die Zensurmaßnahmen Chinas seit 2016 immer schärfer geworden, die „Große Firewall“ immer ausgefeilter. Laut dem öffentlich-rechtlichen Sender Großbritanniens habe China im Juli 2017 seinen nationalen Plan für KI zum Einholen der USA angekündigt. Auf diesem Forschungszweig liegt jedoch auch der Schatten der Überwachung von Menschen in Chinas durch Technik aus dem Bereich Künstliche Intelligenz.

Chinas Führer Xi Jinping forderte dem Artikel nach in der zweiten Dezemberwoche 2017 hochrangige Beamte bei einem wichtigen Treffen der Kommunistischen Partei dazu auf, „die Implementierung von Big Data zu beschleunigen“. Xi betonte zudem „die Notwendigkeit, Big Data zur Verbesserung der Regierungsführung einzusetzen“.

Google-Tsinghua-Connection?

Anfang 2017 kam Li Feifei zu Google. Nachdem der Internetkonzern im Dezember 2017 das Google AI China Center unter Li Feifeis Führung gegründet hatte, kündigte Li den Aufbau einer kooperativen Beziehung mit dem Forschungsinstitut für künstliche Intelligenz der Universität Tsinghua (Tsinghua AI) in Peking an, einer vom chinesischen Militär unterstützten Institution.

Tsinghua hatte erst im Juni 2017 das „National Defense Advanced Technology Laboratory für militärische und zivile Integration“ eingerichtet, dessen vorrangiges Projekt die KI-Technologie sei, berichtet in diesem Zusammenhang die chinesischsprachige Epoch Times (DaJiYuan, DJY).

Laut Angaben der Tsinghua-Universität zur offiziellen Eröffnung am 28. Juni 2017 handelt es sich dabei um ein „High End-Labor für militärische Geheimdienste“, errichtet im Auftrag der Wissenschafts- und Technologiekommission der Zentralen Militärkommission Chinas. Auch Googles KI-Chef Jeff Dean wurde bei Tsinghua als Mitglied des Beratungsausschusses für Informatik engagiert.

Forschung für Kampfjets

Im Juni 2018 wurde ein Artikel des Tsinghua-Vizepräsidenten Zheng You vom Bildungsministerium Chinas veröffentlicht: „Der Weg zur Entwicklung künstlicher Intelligenz für die militärisch-zivile Integration.“ Der Autor thematisierte dabei auch die enge Integration in die „AI Power Strategy“, um „sicherzustellen, dass die Grundlagenforschung der KI die militärische Anwendung der KI effektiv unterstützt“.

Laut You habe die KI-Forschung der Universität zwei Hauptrichtungen: Die Grundlagenforschung und die angewandte Technologieforschung, wobei es Hauptziel der Letzteren sei, die militärischen Bedürfnisse der nationalen Verteidigung zu erfüllen.

Am 28. Juni 2019 veröffentlichte die offizielle Website der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ein Papier mit der Behauptung, dass Zhai Shumin, ein chinesischer Spitzenwissenschaftler im Google AI-Team, eine Technologie für die Mensch-Maschine-Interaktion im J-20, dem fortschrittlichsten Stealth-Kampfflugzeug der Kommunistischen Partei, entwickelt habe. Der Jet verfügt demnach über einen um mehr als 50 Prozent größeren Touchscreen als der F-22-Kampfjet (Raptor) der U.S. Army. Er sei sogar um 35 Prozent größer als der des F-35 (Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug).

„Globalismus und Vielfalt“ auf höchstem Niveau

Während Li Feifei als Chefwissenschaftlerin bei Google AI China arbeitete, arbeitete der Internetkonzern gemeinsam mit dem US-Verteidigungsministerium an der Verbesserung der Genauigkeit von Drohnenangriffen durch KI-Technologie. Diese Zusammenarbeit löste jedoch einen internen Streit bei Google und eine Mitarbeiter-Petition mit rund 4.000 Unterschriften gegen KI-Kriegswaffen aus. Die Zusammenarbeit wurde schließlich beendet, berichtete damals die „New York Times“.

Wie „Medium“, eine von Twitter-Mitbegründer Evan Williams gegründete Blogging-Plattform im September 2018 berichtete, habe Google bekannt gegeben, dass Chefwissenschaftlerin Li Feifei wieder an die Uni Stanford zurückkehren werde, als Professorin und Direktorin des Stanford AI Lab. Für Google werde sie aber weiterhin als KI-Beraterin tätig sein. Zwei Monate später, im November 2018, berichtete „Medium“, dass auch Li Jia das Google-Cloud AI-Projekt verlasse, um wieder an der Stanford-Uni mit KI im medizinischen Bereich zu forschen.

Laut „Medium“ hätten die chinesischen KI-Talente Li Feifei und Li Jia für Google ein „neues Gesicht des Globalismus und der Vielfalt“ auf höchstem Niveau und „eine Brückenrolle beim Wiederaufbau des Images und der Präsenz des Unternehmens in China“ dargestellt.

Einige Monate später geriet Google unter Beschuss, weil es sein extern wie auch intern umstrittenes China-Projekt „Dragonfly“, eine zensierte Suchmaschine, die auf Wunsch Pekings das Suchverhalten der Nutzer mit ihren Handynummern verbinden sollte, offenbar doch nicht eingestellt hatte, entgegen vorheriger Ankündigungen.

Die Medien-Website „Intercept“ schrieb im März 2019, dass Google-Mitarbeiter anonym angegeben hätten, dass an dem Projekt weiterhin Änderungen vorgenommen würden, es also nicht beendet sei: Im Dezember seien es rund 500, im Januar über 400 gewesen. Zudem seien noch rund 100 Mitarbeiter der „Dragonfly“-Kostenstelle zugeordnet. Auch gab es Verbindungen zu zwei neuen Smartphone-Such-Apps, Maotai und Longfei, für Android und IOS-Nutzer in China.

Der Hintergrund Li Feifeis

Die 1976 in Peking geborene Li Feifei wuchs in der zentralchinesischen Provinzhauptstadt Chengdu (Sichuan) auf. Laut CCTV sei sie als Kind mit ihren Eltern in die USA ausgewandert. Einem Bericht der US-Computerzeitschrift „Wired“ zufolge ging jedoch ihr Vater zunächst allein in die USA (Parsippany, New Jersey), als Li Feifei zwölf Jahre alt war. Mutter und Tochter folgten etwa vier Jahre später, als Li Feifei 16 Jahre alt war.

Li Feifei absolvierte 1995 die Parsippany High School und begann ein Studium in Physik, Informatik und Ingeneurswesen mit Bachelor-Abschluss in Physik an der renommierten privaten Princeton University. Zur Zeit des Physikstudiums in Princeton hatten ihre Eltern von einem Bekannten 20.000 US-Dollar geliehen und eine chemische Reinigung in Parsippany (ca. 80 Kilometer von Princeton entfernt) gekauft, in der auch Li Feifei am Wochenende arbeitete, sagte sie einst CNN gegenüber.

Ihren Master und Doktor in Engineering machte sie am California Institute of Technology in Pasadena. Ihr weiterer Weg brachte sie über diverse Firmen- und Professorenjobs schließlich auch an die Stanford University (Kalifornien) und zu Google, so ihr Lebenslauf laut Stanford.

Nähe zur KPCh-Elite?

Weniger bekannt dürfte sein, dass der Vater Li Feifeis, Li Shun, chinesischen Medien zufolge aus der Provinz Sichuan stamme und in Yan’an einst an der „Revolution“ teilnahm. Später habe er als KP-Beauftragter von Luzhou, einer Stadt im Südosten von Sichuan unter Li Jingquan (Gouverneur: 1952 – 1955, ab 1958 Politbüromitglied) gedient.

Ebenso wenig bekannt dürfte sein, dass Li Feifei selbst auch enge Beziehungen zur KPCh-Übersee-Einheitsorganisation „European-American Student Association“ (EASA) unterhält und auch zum „Future Forum“ der KPCh, in dem Li Feifei (wissenschaftlicher Ausschuss) und auch Li Jia (Jugendrat) Positionen innehaben.

Weitere Mitglieder des „Forums“ sind bekannte „Prinzlinge“ der Kommunistischen Partei Chinas, unter anderem Liu Lefei, Sohn des ehemaligen Mitglieds des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas, Liu Yunshan oder auch Zhu Yunlai, Sohn des ehemaligen Premierministers Zhu Rongji.



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