Zu teuer und zu ideologisch? Geringerer Andrang an Hochschulen in den USA

Dem Hechinger Report zufolge verzichten immer mehr Highschool-Absolventen in den USA auf ein Studium an einer Hochschule. Bereits vor Jahren hatte Investor Peter Thiel zu diesem Schritt aufgerufen. Ob der Trend auch in Deutschland Fuß fassen wird, ist ungewiss.
Titelbild
University of Tennessee in Knoxville, USA. Symbolbild.Foto: iStock
Von 2. September 2022

Das Vertrauen der Amerikaner in ihre Hochschulen ist im Laufe der vergangenen Jahre stark gesunken. Dies macht sich nun auch in einem deutlichen Rückgang des Prozentsatzes jener Highschool-Absolventen bemerkbar, die nach deren Abschluss zum Zwecke des Studiums auf ein College wechseln.

Rückgang wie sonst nur zu Kriegszeiten

Für den Hechinger Report des gleichnamigen Instituts zu Bildung und Medien wurden in den gesamten USA Schulabgänger über ihre Zukunftspläne befragt und zusätzlich bereits bekannte Daten aus den vorangegangenen Jahren ausgewertet. Die aktuelle Studie unterstreicht jenen Trend, der sich erstmals bereits 2010 abgezeichnet hatte: Immer weniger Highschool-Absolventen schreiben sich an Colleges ein.

Mittlerweile ist der Rückgang aber offenbar dramatisch: „Mit Ausnahme der Kriegszeiten haben die Vereinigten Staaten noch nie eine Periode durchgemacht, in der die Teilnahme an höherer Bildung in diesem Ausmaß zurückgegangen ist“, äußert Michael Hicks, Leiter des Forschungszentrums am Miller College of Business an der Ball State University.

Während sich dem Nationalen Zentrum für Bildungsstatistik (NCES) zufolge im Jahr 2018 immerhin noch 70 Prozent der Highschool-Absolventen an einer akademischen Bildungseinrichtung einschrieben, waren es 2020 nur noch 63 von 100. Das war der niedrigste Prozentsatz der letzten zehn Jahre. Im Frühjahr 2022 ist die Zahl der Studienberechtigten, die sich an einem College eingeschrieben haben, landesweit gegenüber zwei Jahren zuvor um eine weitere Million zurückgegangen.

„Anti-Elitismus und aus dem Ruder laufende Kosten“

Der Rückgang in der Nachfrage nach einem Studium, den der Leiter der Behörde für höhere Bildung im Staat Indiana, Chris Lowery, gegenüber „The Hill“ als „alarmierend“ bezeichnet, betrug in dem Bundesstaat zwölf Prozentpunkte seit 2015. Mittlerweile sind dort nur noch 53 Prozent der Highschool-Absolventen für ein College eingeschrieben.

In Alabama waren es 2020 nur noch 54 Prozent, die an ein College strebten, was einen Rückgang von elf Prozent seit 2014 darstellte. In Michigan ist der Anteil der angehenden Akademiker ebenfalls auf dieses Niveau gesunken. In Arizona und West Virginia wollen mit 46 Prozent sogar weniger als die Hälfte der Studienberechtigten ein Studium beginnen, in Idaho sogar nur 39 Prozent.

Während der finanzielle Aufwand für ein mindestens vierjähriges College- oder zum Teil noch längeres Universitätsstudium steigt, zweifeln viele am Wert einer solchen Investition von Zeit und Geld. Bei einer Umfrage von Strada Education nannten 57 Prozent der Befragten die Kosten als den entscheidenden Faktor, der sie von einer weiterführenden Ausbildung abhielt.

Gleichzeitig sinkt auch der Anteil derjenigen, die der Überzeugung sind, dass der Nutzen einer solchen Zusatzqualifikation die Kosten aufwiegt: Im Frühjahr 2020 gingen immerhin noch etwa 50 Prozent der Befragten davon aus, dass ein Studium die Kosten wert sei. Bereits im Herbst des Jahres war dieser Prozentsatz auf 35 Prozent und ein Jahr später auf 32 Prozent gesunken.

Über die Kostenfrage hinaus hat die Hochschule in den USA zudem noch ein grundsätzliches Problem: Einer Gallup-Erhebung zufolge hatte die höhere Bildung in den Jahren von 2015 bis 2019 einen größeren Einbruch im öffentlichen Vertrauen erlitten als jede andere Institution in den Vereinigten Staaten – mehr noch als Präsidentschaft, Kongress, Big Business oder die Strafjustiz.

„Es gibt einen Anti-Elitismus, einen Anti-Institutionalismus und eine Wahrnehmung, dass die Kosten außer Kontrolle geraten“, erklärt Stephanie Marken von Gallup. „Zudem machen sich die Nachwirkungen des Handelns vieler schlechter Akteure in der höheren Bildung bemerkbar, die ihr Produkt schlecht vertreten haben.“

Diese Probleme seien über Jahre hinweg sichtbar gewesen, aber die akademischen Einrichtungen hätten wenig getan, um diese anzugehen.

Bill Maher rückt Hochschulen in die Nähe von „Betrug“

Das US-amerikanische Institut für Arbeitsmarktstatistik bemüht sich derweil, jungen Menschen zu versichern, dass ein Hochschulabschluss trotz aller Missstände eine lohnende Investition sein kann. Im Jahr 2020 habe der durchschnittliche Wochenverdienst von Arbeitnehmern mit einem Bachelor-Abschluss bei 1.305 US-Dollar gelegen, verglichen mit nur 781 Dollar für diejenigen, die nur einen Highschool-Abschluss hatten.

Auch sei die Arbeitslosenquote für Arbeitnehmer mit Bachelor-Abschluss mit 5,5 Prozent niedriger als die derjenigen, die nur die Highschool beendet hätten (neun Prozent).

Demgegenüber ermuntern mehrere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die Schulabgänger, bewusst auf ein Studium zu verzichten, solange es sich nicht um MINT-Fächer, Medizin, Rechtswissenschaften oder andere Gegenstände handelt, die ihrem Wesen zufolge eine akademische Ausbildung verlangten.

Im Jahr 2017 gründete der US-Milliardär mit deutschen Wurzeln, Peter Thiel, ein eigenes Förderprojekt, in dessen Rahmen er Studenten sogar 100.000 US-Dollar dafür bot, dass sie das College verlassen und stattdessen ein Unternehmen gründen. Er sah dies als gebotene Maßnahme gegen eine „Blasenbildung“ im akademischen Bereich, der vom Prestige lebe, das frühere Generationen ihm zugedacht hatten, dem dieser allerdings nicht mehr annähernd gerecht werde.

Der liberale Kommentator Bill Maher nannte die höhere Bildung in ihrer heutigen Form im Vorjahr sogar einen „Betrug“.

Deutschland: Immer mehr Studenten – immer weniger Unternehmensgründungen

In Deutschland sind das Vertrauen und der Respekt gegenüber der akademischen Bildung und den dadurch erworbenen Titeln hingegen offenbar noch ungebrochen. Vergleichbare Aufrufe wie jener Thiels, nach dem Abitur Unternehmer zu werden, sind von prominenter Seite nicht bekannt.

Stattdessen hat die Bereitschaft zur selbstständigen Existenzgründung in Deutschland über die Jahre weiter abgenommen – vor allem in der Bevölkerungsgruppe ohne Migrationshintergrund. Lediglich in Einwanderercommunitys ist, wie eine Bertelsmann-Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, die Bereitschaft zur Unternehmensgründung im Steigen begriffen – zumal diese vielfach als Strategie begriffen wird, Diskriminierungen und Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt gegenzusteuern.

Einzig Handwerksverbände und andere Vertretungen der gewerblichen Wirtschaft appellieren an junge Menschen und deren Familien, über eine Lehre als Alternative zum Studium an einer Universität nachzudenken – bis dato mit überschaubarem Erfolg. Bundesweit suchen Unternehmen nach geeigneten Bewerbern um einen Ausbildungsplatz. Viele davon werden auch in diesem Jahr unbesetzt bleiben.

Immerhin steht mit der Fachhochschule und dem Weg dorthin über das Fachabitur auch Absolventen einer Lehre im Rahmen des dualen Ausbildungssystems der Weg zu akademischen Abschlüssen offen. Dazu kommen Optionen über den zweiten Bildungsweg, die IHK oder andere Einrichtungen. Die Kommunikation dieser Möglichkeiten scheint bis dato jedoch in puncto Effizienz noch Luft nach oben zu haben.



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