Zwischen „Sicherheitspräsenz“ und Besatzung – die ungewisse Zukunft des Gazastreifens

Premier Netanjahu warf mit Äußerungen zur Zukunft des Gazastreifens Fragen auf. Unterdessen sind israelische Truppen eigenen Angaben zufolge tief nach Gaza vorgedrungen.
Palästinenser suchen nach Überlebenden nach einem israelischen Luftangriff im südlichen Gazastreifen.
Palästinenser suchen nach Überlebenden nach einem israelischen Luftangriff im südlichen Gazastreifen.Foto: Mohammed Dahman/AP
Epoch Times8. November 2023

Israel will nach den Worten eines ranghohen Beraters von Premierminister Benjamin Netanjahu den Gazastreifen nach Ende des Krieges nicht dauerhaft besetzen. Es müsse aber eine Sicherheitspräsenz Israels geben, damit das Militär je nach Bedrohungslage für Einsätze hineingehen könne, stellte Mark Regev im US-Sender CNN eine Äußerung Netanjahus zur künftigen Rolle Israels im Gazastreifen vom Vortag klar. „Wir müssen zwischen Sicherheitspräsenz und politischer Kontrolle unterscheiden.“

Netanjahu hatte angesichts der Bedrohung durch die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas in einem Interview mit dem US-Sender ABC gesagt, dass Israel nach einem Ende des Gaza-Kriegs die Sicherheitskontrolle über das Gebiet für unbestimmte Zeit behalten wolle – von Wiederbesetzung sprach er aber nicht.

John Kirby, der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, wies noch einmal deutlich auf die Haltung der US-Regierung hin: „Der Präsident (Joe Biden) denkt nach wie vor, dass eine Wiederbesetzung des Gazastreifens durch Israels Streitkräfte nicht gut ist. Sie ist nicht gut für Israel und auch nicht gut für das israelische Volk.“ Zugleich betonte Kirby, dass nach einem Ende des Gaza-Kriegs dort nicht dieselbe Regierung herrschen könnte wie vor dem 6. Oktober. „Es kann nicht Hamas sein“, sagte er.

Israelische Bodentruppen dringen tief in die Stadt Gaza vor

Derweil sind Bodentruppen der israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben „tief“ in die Stadt Gaza vorgedrungen. Militärsprecher Daniel Hagari sagte am Dienstagabend: „Wir verzeichnen Erfolge, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns.“

Auf am Mittwoch von der israelischen Armee verbreiteten Aufnahmen waren Panzer und Bulldozer zu sehen, die durch rauchende Trümmerhaufen im Gazastreifen fuhren – sowie Soldaten, die in zerstörte Gebäude eindrangen, während Explosionen zu hören waren. In der Stadt Gaza beobachteten AFP-Reporter dort verbliebene Bewohner, die vor Wassertanks auf ihre Ration warteten.

Die Stadt im Norden des Gazastreifens war nach Angaben des israelischen Militärs zuvor umstellt worden. Ein Sprecher der israelischen Armee hatte kürzlich erklärt, das Küstengebiet sei nun in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt.

Mit Blick auf die Zukunft des Gazastreifens dürfe es „keine Lösung über die Köpfe der Palästinenserinnen und Palästinenser hinweggeben“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach dem G7-Treffen in Tokio. Ein entscheidender Punkt sei, „dass es keine Besetzung von Gaza geben darf, sondern bestmöglich einen internationalen Schutz“. Zudem dürfe die palästinensische Bevölkerung nicht aus dem Gazastreifen vertrieben und dessen Gebiet nicht verkleinert werden. Ähnlich äußerte sich auch US-Außenminister Antony Blinken.

Hunderte gedenken in Jerusalem der Opfer des Anschlags der Hamas

Vier Wochen nach dem Massaker der islamistischen Hamas in Israel gedachten in Jerusalem Hunderte Menschen der Opfer. Mit einer 30-minütigen Mahnwache erinnerten sie Medienberichten zufolge an die von Terroristen am 7. Oktober getöteten und verschleppten Menschen.

Nach Angaben der Zeitung „Haaretz“ errichteten Angehörige der Geiseln in der Nähe des israelischen Parlaments zudem ein Protestcamp. Sie forderten demnach den Rücktritt von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. In Israel gibt es massive Kritik an dem Regierungschef, der bisher keine direkte Verantwortung für das politische und militärische Versagen am 7. Oktober übernommen hat.

IKRK: Bisherige Hilfen in Gaza sind „Tropfen auf heißen Stein“

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) forderte mehr Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. Die bisher eingetroffenen Lieferungen seien nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagte Imene Trabelsi, Regionalsprecherin des IKRK im Nahen und Mittleren Osten, der Deutschen Presse-Agentur.

Die humanitäre Lage für die Bevölkerung verschlechtere sich von Tag zu Tag. Für die Hunderttausenden geflohenen Familien sei die Situation besonders schlimm, da die Notunterkünfte überfüllt seien. „Viele sind gezwungen, auf offenen Flächen auf der Straße zu schlafen“, sagte Trabelsi. Ihnen fehlten Dinge wie Decken oder Babynahrung. (dpa/afp/dl)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion