Baerbocks 360-Grad-Spruch sorgt für viel Häme

Wenn sich Putin nicht „um 360 Grad“ ändert, kann die Ukraine nicht sicher sein: Das Statement fiel vor wenigen Tagen auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Urheberin war Außenministerin Annalena Baerbock. Die hämischen Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.
Annalena Baerbock während ihrer Rede bei der Sondersitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Archivbild) schießt auch auf internationalem Parkett gerne mal einen sprachlichen „Bock".Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 27. Februar 2023

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) international für Erstaunen gesorgt, als sie sagte, dass die Ukraine nicht sicher sei, bevor der russische Präsident Wladimir Putin sich nicht „um 360 Grad“ gedreht habe. Wörtlich sagte sie: „If he doesn’t change by 360 degree: no.“ (Zu Deutsch: „Wenn er sich nicht um 360 Grad ändert: nein“ (Video auf YouTube).

Nonsens

Zwei Interpretationen sind rein logisch denkbar. Erst die wörtliche: Die würde bedeuten, dass Baerbock es ernst meinen und insgeheim mit Putins Kurs einverstanden wäre. Für diese Hypothese würde sprechen, dass Baerbock auf dem Podium gleich zweimal die „360 Grad“ nannte – und nicht nur einmal. Doch angesichts ihrer ansonsten seit einem Jahr geäußerten Haltung scheint diese Hypothese von vorneherein als völliger Nonsens. Baerbocks jüngste Rede vor dem UN-Sicherheitsrat vom 24. Februar räumt jegliche Zweifel aus:

Dieser Krieg ist nicht der Krieg der Welt. Dieser Krieg ist nicht der Krieg des russischen Volks. Dieser Krieg ist Putins Krieg. Der russische Präsident riskiert die Zukunft seines eigenen Landes, seiner Soldaten, seiner Kinder.“

Die zweite mögliche Erklärung ist naheliegender und noch simpler: Annalena Baerbock hat sich – erneut – einen Lapsus geleistet. Sie meinte wohl, Putin müsse sich um „180 Grad“ drehen. Dieser Deutung schließt sich auch die überwältigende Zahl jener Baerbock-Interpreten an, für die das MSC-Zitat scheinbar ein gefundenes Fressen ist.

Medvedev: „Wir bleiben bei unserer Position“

Der Stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates und ehemalige Präsident Dmitry Medvedev sparte beispielsweise nicht mit gönnerhafter Schadenfreude: „Es macht richtig Spaß, dass solche Ignoranten Europa regieren. Annalena Baerbock hat gesagt, sie würde sich freuen, wenn Moskau seine Position um 360 Grad drehen würde, also gleich bleiben würde. Kein Zweifel, Geometriemeister […], so wird es sein. Wir bleiben bei unserer Position.“

„Ich glaube nicht, daß in Russland mehr über uns gelacht wird als überall auf der Welt. Mittlerweile tarnen sich Deutsche im Ausland schon als Schweizer“, gab „TheRealTom“ zu bedenken. Der Twitter-User „Ümran“ vermutet, dass sich die Zuhörer im Saal „vor lauter Fremdschämen“ gewünscht hätten, „dass sich endlich ein Erdloch öffnet“.

„Man möchte an ein Deepfake glauben oder an eine russische Kampagne. Leider ist es unsere Außenministerin“, meint der Twitterer „Thomas“.

Steilvorlagen

Baerbock hatte ihren Gegnern in den vergangenen Jahren immer wieder selbst Steilvorlagen für ähnliche Schmähungen gegeben. Weltpolitisch am brisantesten dürfte ihre Einlassung nach ihrer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg am 24. Januar 2023 gewesen sein. Baerbock erklärte damals auf die Frage eines britischen Gesandten, wann Deutschland sich endlich zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine durchringen könne, unter anderem: „We are fighting a war against Russia and not against each other“ („Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“, Video auf YouTube).

Kritiker machten sich Sorgen ob der so offen ausgesprochenen „Kriegserklärung“. Und zwar so lautstark, dass die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann kurz darauf auf der Bundespressekonferenz (BPKJ) reagieren musste: Deutschland sei lediglich Unterstützer der Ukraine, aber eben nicht Kriegspartei (Video auf YouTube). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte übrigens am Tag des „War-against-Russia“- Spruchs die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern aus Bundeswehrbeständen und von anderen NATO-Ländern genehmigt.

Schon am 31. August 2022 hatte sich Baerbock wegen einer anderen Randbemerkung den Unmut großer Teile der deutschen Bevölkerung zugezogen: Sie hatte der Ukraine in Prag unbegrenzte Hilfe zugesagt, „no matter what my german voters think“ („ganz egal, was meine deutschen Wähler denken“, Video auf YouTube). Baerbock hatte in verschiedenen Interviews oder Reden außerdem verlautbart, dass bereits im 19. Jahrhundert Kriege „mit Panzern“ geführt worden seien, Deutschland „das größte Land in Europa“ sei und ein Land „Hunderttausende Kilometer“ entfernt sei (Video auf YouTube). Annalena Baerbock fiel schon Mehrfach mit Versprechern und falschen Ausdrücken auf, über die sich Kritiker zuweilen auch lustig machen.

Grüne selbst um 180 Grad gedreht

Das Onlinemagazin „Tichys Einblick“ lieferte eine weitere Interpretation des „360 Grad“-Zitats: „Offensichtlich hatte Baerbock aus der Schule vage in Erinnerung behalten, dass die Angabe von Bogengraden etwas mit Richtungswechsel zu tun haben könnte. Und da Deutschland sich bereits ‚um 180 Grad geändert‘ habe, musste sie wohl von Putin fordern, seine Richtung um doppelt so viel zu ändern, nämlich um 360 Grad.“

Baerbock und mit ihr die gesamte Partei der Grünen war in Sachen Kehrtwende nach dem 24. Februar, dem Tag des Einmarsches der russischen Truppen in die Ukraine, vorangegangen: Der noch im Wahlkampf plakatierte Slogan „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete. Bereit, weil Ihr es seid“ (Grafik auf Facebook) wurde in sein Gegenteil verwandelt. Die getäuschten Wähler scheint’s nicht zu stören: Laut „ZDF-Politbarometer“ von Mitte Februar liegen die Grünen mit 19 Prozent heute deutlich höher als noch zur Bundestagswahl 2021. Das amtliche Endergebnis wies damals 14,8 Prozent aus.

Epoch Times hatte auch beim Auswärtigen Amt um eine Stellungnahme zur „360-Grad“-Aussage der Außenministerin gebeten. Eine Antwort war kurzfristig nicht zu bekommen.



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