Abschiedsgeschenk für Ex-Arbeitgeber? SEFE-Auftrag bringt Habeck in Erklärungsnot

Ein mutmaßlicher Millionenauftrag ohne Ausschreibung nährt neue Vorwürfe der Vetternwirtschaft an Minister Habeck. Anlass war die Verstaatlichung von SEFE.
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SEFEFoto: Sean Gallup/Getty Images
Von 8. Juni 2023


Ein mutmaßlicher Millionenauftrag ohne Ausschreibung hat für eine neuerliche Debatte über mögliche Vetternwirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium gesorgt. Bereits zuvor hatte Minister Robert Habeck unter anderem den Rücktritt eines Staatssekretärs infolge ähnlicher Vorwürfe zu verkraften. Diesmal geht es um einen Beratungsauftrag im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Gazprom Germania. Heute ist diese unter dem Namen SEFE bekannt.

Habecks Staatssekretär Philipp hatte Laege empfohlen

Wie der „Business Insider“ berichtet, hat der Generalbevollmächtigte von SEFE, Egbert Laege, im Vorjahr ein Jahresgehalt von rund 1,3 Millionen Euro bezogen. Bevor die Bundesnetzagentur ihn in dieses Amt eingesetzt hat, war Laege als Unternehmensberater für die Boston Consulting Group (BCG) tätig.

Nur sechs Tage nach dem Antritt seines neuen Postens, am 8. April 2022, hat Laege einen mutmaßlich millionenschweren Beratungsauftrag vergeben. Dieser sei ausgerechnet an jenes Unternehmen gegangen, für das er noch Tage zuvor selbst tätig gewesen war.

Eine Ausschreibung war im Vorfeld nicht erfolgt. Die Empfehlung bezüglich der Bestellung Laeges an die Spitze von SEFE sei vom Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp gekommen. Dieser war jüngst in Erklärungsnot geraten, weil er als zuständiger Beamter für die Förderung von Start-ups selbst an solchen beteiligt ist.

Zwangsverwaltung und Umwandlung zu SEFE sollten Gazprom-Germania-Insolvenz vermeiden

Die Bundesregierung hatte am 4. April des Vorjahres unangekündigt und überraschend die „Gazprom Germania“ unter Treuhandverwaltung gestellt. Nach dem Bruch mit Energiepartner Russland infolge der Militäroperation in der Ukraine befürchtete man Vergeltungssanktionen des Kremls.

Angeblich soll dieser ins Auge gefasst haben, einen Moskauer Hobby-DJ als neuen Geschäftsführer einzusetzen. Auf Telegram hatte der staatliche russische Energiekonzern angekündigt, sich von der deutschen Tochter trennen zu wollen. Dies deutete darauf hin, dass Gazprom Germania bald Insolvenz anmelden würde.

In weiterer Folge wäre ein Ausfall der Versorgung von Stadtwerken und anderen Energieanbietern mit Gas zu befürchten gewesen. Die deutsche Energieversorgung wäre potenziell in Gefahr gewesen, so die Bundesregierung.

Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stattete das zu SEFE umfirmierte Unternehmen mit einem Darlehen in Höhe von 13,8 Milliarden Euro aus. Auf diese Weise wollte man den ordentlichen Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. Dennoch fuhr SEFE in Jahr 2022 Verluste in Höhe von umgerechnet 400 Millionen Euro ein.

Ausschreibung der „besonderen Dringlichkeit“ wegen nicht möglich

Minister Habeck selbst erklärte im Mai vor dem Energie- und Wirtschaftsausschuss des Bundestages, er könne mit Blick auf den Auftrag „keinen Konflikt dort erkennen“. Er warf die Frage auf, „wo es hinführen“ solle, würde man Aufträge nicht mehr an frühere Arbeitgeber vergeben können.

SEFE selbst betont auf eine Anfrage hin gegenüber dem Ministerium, man habe den Auftrag „seinerzeit rechtskonform erteilt“. Es sei um „Beratung zu Maßnahmen zur Stabilisierung der Gesellschaft einschließlich der Analyse von Risiken“ gegangen.

Die „Dringlichkeit des Beratungsbedarfs“ habe eine Ausschreibung de facto unmöglich gemacht. Immerhin sei es darum gegangen, sich in kürzester Zeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaften Überblick zu verschaffen.

SEFE beruft sich auf ein „Geschäftsgeheimnis“

Dies betont auch das Ministerium selbst: SEFE habe vor der Aufgabe gestanden, acht Gesellschaften der Gazprom Germania schnell zu restrukturieren. Unter diesen hätten sich jene befunden, die den Gaslieferanten Wingas und den größten Speicher Deutschlands in Rehden betrieben.

Auch „aus Zeitgründen“ habe man auf die Expertise von BCG gesetzt, heißt es vonseiten der SEFE selbst. Der studierte Energietechniker Laege kennt eigenen Angaben zufolge „den Handel mit Strom und Gas […] als Manager seit 1999“. Zur Höhe und Laufzeit des Auftrags an die BCG will sich SEFE nicht äußern – es handele sich um ein „Geschäftsgeheimnis“.

Habeck sieht keine Verletzung von Compliance-Regeln im Ministerium

Aus der Linksfraktion kommen nun Forderungen nach Aufklärung. Finanzsprecher Christian Görke bezeichnete den Auftrag an BCG unmittelbar nach dem Wechsel Laeges als „fragwürdig“. Es sei „nicht nachvollziehbar“, warum weder die Bundesnetzagentur noch das Ministerium hier einen möglichen Compliance-Verstoß erblickten.

Minister Habeck sieht sich seit Ende April zunehmend Vorwürfen ausgesetzt, Vetternwirtschaft in seinem Ministerium zu billigen. So hatten Verwandte und Trauzeugen des mittlerweile zurückgetretenen Staatssekretärs Patrick Graichen hoch dotierte Positionen innerhalb der Behörde oder staatlicher Einrichtungen erhalten.

Habeck sprach von einem „persönlichen Fehler“ Graichens, es sei aber zu keiner Verletzung von Compliance-Regeln gekommen. An Staatssekretär Udo Philipp hielt Habeck trotz der Debatte um Startup-Beteiligungen und daraus möglicherweise resultierende Interessenkonflikte fest.



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