„AfDnee“ gegen „AfDjaa“: Kachelkampf im Netz
Der gemeinnützige Verein Demokult e.V. mit Sitz in Frankfurt am Main hat auf X unter dem Hashtag „AfDnee“ vor einigen Tagen eine Onlinekampagne gestartet, um die hessischen Wähler von einem Kreuzchen bei der Alternative für Deutschland (AfD) abzuhalten. Die Kernbotschaft: „2023 Wählen Ja. #AfDNee.“
Die hochformatigen Fotos des Anti-AfD-Werbefeldzugs zeigen ernste Gesichter in Schwarzweißoptik, neben denen fiktive Botschaften aus einer nicht allzu weit entfernten Zukunft auftauchen. Der gemeinsame Tenor: Wenn ihr jetzt für die blaue Partei stimmt, wird es euch sehr bald sehr schlecht ergehen. Oder in den Worten von Demokult: „Damit aus einem Denkzettel kein Boomerang wird.“
Botschaften aus einer düsteren Zukunft
So heißt es beispielsweise in einem Statement eines grau melierten Herren, der seine AfD-Wahl im Mai 2027 bitter zu bereuen scheint:
„Ich wollte nur die etablierten Parteien ärgern. Jetzt arbeite ich mit 70 immer noch.“ Darunter der Slogan: „Es geht nicht gegen die da oben, es geht gegen Sie. Wählen ja. #AfDnee.“
Ein anderes Bild zeigt eine Dame mit ihrer kleinen Tochter im Juni 2026, daneben die Aussage: „Ich war sauer auf die CDU und die Ampel. Jetzt gibt es keinen Krippenplatz für meine Kleine.“ Und wieder der Slogan: „Es geht nicht gegen die da oben, es geht gegen Sie. Wählen ja. #AfDnee.“
Noch ein Beispiel? „Ich wollte nur, dass weniger Ausländer ins Land kommen. Jetzt finde ich keine Azubis mehr“, bedauert ein Unternehmer im Oktober 2027.
„Faktengecheckte“ Kampagne
Elf solcher erfundener Reuebekenntnisse hat Demokult, der „Verein zur Förderung demokratischer Bildung und Kultur“ Stand 21. September unter anderem auf einem neuen X-Kanal veröffentlicht. Das Konzept dazu stammt von der Frankfurter Werbeagentur Kastner. Deren ernüchternde Zukunftsschau wird per „Faktencheck“ auf einer eigenen AfDnee-Website untermauert.
Dabei greift die Kampagne auf Quellen wie den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), die „Frankfurter Rundschau“ oder Marcel Fratzschers Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung zurück, verlinkt aber auch auf offizielle Wahlprogramme oder Eckpunktepapiere der AfD.
Konter und Gegenkonter voller Spott und Häme
Für viele Anhänger der Alternative ist die Idee ein gefundenes Fressen. Kaum entdeckt, konterten sie mit eigenen Memes im Stil der Originalkampagne. Viele davon sind schon unter dem Hashtag „#AfDjaa“ zu finden.
Dort heißt es dann beispielsweise aus dem Munde eines fiktiven Familienvaters und AfD-Wählers aus der Zukunft: „Ich wollte nur eine kleine Wohnung für meine Familie mieten. Jetzt kann ich mir auch eine größere leisten.“
Ein anderes Foto zeigt ein augenscheinlich glückliches Rentnerpaar: „Wir wollten nur keine Pfandflaschen sammeln. Jetzt kann man wieder von seiner Rente leben.“ Eine Sammlung von 20 solcher Pro-AfD-Memes hat der Nutzer „@BlNinsider“ veröffentlicht.
Besonders beliebt sind im X-Space auch mehr oder weniger humorvolle Zukunftsdarstellungen mit Prominenten oder Politikern. So heißt es neben einem Foto von einem künftigen Ex-Minister Robert Habeck (Grüne): „Ich wollte nur ein wenig die Wirtschaft zerstören. Jetzt schreibe ich wieder Kinderbücher.“
Inzwischen ist geradezu ein Wettbewerb um die originellsten Kacheln zwischen AfD-Gegnern und -Befürwortern entstanden. „Ich wollte nur mal dicke Hose in der Politik spielen. Jetzt streiche ich ich [sic] wieder Wände und zwar in der JVA Cottbus!“, steht in einem Porträt mit AfD-Co-Parteisprecher Tino Chrupalla, der als „Ossi & Aushilfsclown, 2028“ tituliert wird. Auch Hashtags wie „#AMPELnee“ oder „#GRÜNEnee“ machen inzwischen die Runde.
„AfDnee“ mit deutlich mehr Followern
Der X-Kanal der „AfDnee“-Initiatoren hat es wenige Tage nach Start übrigens auf knapp 10.000 Follower gebracht. Die „AfDjaa“-Fraktion hinkt mit etwas über 4.000 noch weit hinterher.
Nach Einschätzung des Onlineportals „Philosophia-perennis.com“ ist die „AfDnee“-Kampagne trotzdem „krachend gescheitert“. Denn die „Kampagnenmacher“ hätten „offensichtlich nicht [damit] gerechnet, […] dass Ihnen [sic] aus dem Netz sehr schnell und sehr schlagfertig eine Gegenkampagne unter dem Titel AfDjaa entgegenschlägt“.
Protest- und Wechselwähler im Visier
Doch zurück zur Originalkampagne des Vereins Demokult e.V. Diese richtet sich nach eigenen Angaben ausdrücklich nicht an jene Hälfte der AfD-Wähler, die „latent oder manifest rechtsextrem eingestellt“ seien, sondern ganz gezielt nur an den potenziellen Rest, nämlich „die Protest- und Wechselwähler“. Eben diese Zielgruppe gelte es, via Facebook und Instagram per Bezahlwerbung zu erreichen. Und genau dafür bittet der Verein um Geldspenden.
Der Frage, ob Demokult e.V. mit diesem Versuch der Wählerbeeinflussung zugleich seinen Status als gemeinnützig anerkannter steuerbegünstigter Verein auf Spiel setzt, ist das Onlineportal „Apollo News“ nachgegangen. Mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit würde automatisch die Befreiung von Körperschaft- und Gewerbesteuer und das Recht zur Entgegennahme abzugsfähiger Spenden für den Verein wegfallen.
Gemeinnützigkeit infrage gestellt
Im Einklang mit einem Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom 5. November 2021 (PDF) folgert „Apollo News“, dass einer „steuerbegünstigten Körperschaft […] eine eigenständige Befassung mit Fragen der politischen Willensbildung verwehrt“ sei. Dies gehe aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hervor (Az. I R 203/81):
Zu den nach § 52 Abs. 2 AO eigenständig steuerbegünstigten Zwecken gehört weder die Einflussnahme auf die politische Willensbildung (§ 2 Abs. 1 PartG) noch die Gestaltung der öffentlichen Meinung (§ 1 Abs. 2 PartG).“
Drei Gewerkschafter geben bei Demokult e.V. den Ton an
Kopf des Vereins Demokult e.V. ist übrigens Philipp Jacks, der Frankfurter Chef des SPD-nahen DGB und Geschäftsführer der DGB-Region Frankfurt-Rhein-Main.
Jacks, studierter Politikwissenschaftler und Soziologe, warb im Februar 2022 auch für die sogenannte „Frankfurter Erklärung“, die sich während der Corona-Krise für eine „klare Kante gegen Rechts“ ausgesprochen hatte. Ihr Aufruf richtete sich insbesondere gegen „Rechtsextreme*, Rechte* und Feind*innen unserer Verfassung“, die bei „Demonstrationen der Coronaleugner*innen“ festgestellt worden seien. Nach einem Bericht der „Frankfurter Neuen Presse“ hatte Jacks einige Jahre zuvor in Wiesbaden „auch einen No-Pegida Spaziergang mit rund 10.000 Teilnehmern“ organisiert.
Auch die beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins Demokult sind Gewerkschaftsfunktionäre: Michael Erhardt ist erster Bevollmächtigter und Kassierer der IG Metall Frankfurt; Alexander Klein arbeitet als Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Frankfurt am Main und Region.
8. Oktober: Landtagswahl in Hessen
In Hessen wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die AfD steht einer Umfrage des „Instituts Wahlkreisprognose“ vom 15. September zufolge bei 17,5 Prozent, knapp vor den Grünen (17 Prozent), aber deutlich hinter CDU (30 Prozent) und SPD (20 Prozent). Für die SPD geht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ins Rennen.
Im August hatte die Antifa in Hessen Privatadressen von AfD-Kandidaten im Netz veröffentlicht und ihre Mitglieder aufgefordert, der Partei „auf militante Weise“ zu begegnen und ihr „das Leben zur Hölle zu machen“.
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