AKW-Verlängerung gegen Tempolimit? Grüne und FDP lehnen „Kuhhandel“ ab

Seit vielen Jahren wird über das Tempolimit gestritten. Im Zeichen der Energiekrise kommt jetzt wieder Bewegung in die Diskussion.
Das Tempolimit auf Autobahnen ist wieder in der Diskussion.
Das Tempolimit auf Autobahnen ist wieder in der Diskussion.Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Epoch Times19. Juli 2022

Einen „Deal“ aus längeren AKW-Laufzeiten und einem Tempolimit wird es wohl nicht geben – denn dies lehnen sowohl die Grünen als auch die FDP ab. Es wäre „absolut absurd“, Atomkraft und Tempolimit zu verknüpfen, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstagsausgaben). Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sagte bei „Bild TV“, beides habe nichts miteinander zu tun.

„Atomenergie ist eine Hochrisikotechnologie, der man ernsthaft und mit Fakten begegnen muss“, sagte Haßelmann. Zum beschlossenen Ausstieg gebe es einen breiten gesellschaftlichen Konsens. „Das ist keine Verschiebemasse für politische Spielchen.“

Dürr sagte, es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen dem Strommarkt einerseits und dem Gasverbrauch andererseits. Denn in Deutschland werde Erdgas immer noch zur Verstromung für den grundlastfähigen Strom genutzt, den aber auch Atomkraftwerke gewährleisteten. Deswegen schlage die FDP vor, über den 31. Dezember hinaus die drei deutschen Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen, um zu erreichen, dass kein einziger Kubikmeter Gas mehr verstromt werden müsse. „Und da hilft natürlich ein Tempolimit an der Stelle gar nichts. Denn das, was Sie an der Tankstelle tanken, ist ja nicht Teil des Strommarktes.“

Spahn offen für Kompromiss

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hatte zuvor im ARD-„Morgenmagazin“ gesagt, das Tempolimit mache zwar einen relativ geringen Unterschied beim Energieverbrauch aus, „aber wenn die Grünen sagen, das wäre dann ein nationaler Kompromiss, wir machen bei der Kernenergie für ein halbes Jahr länger eine Nutzung in der Mangellage, dann finde ich, sollten wir auch über ein Tempolimit reden können.“

In der Union gibt es scharfe Kritik an Spahns Vorstoß. Zu „Bild“ (Dienstagausgabe) sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe Stefan Müller: „Mit der CSU gibt es kein Tempolimit. Unter dem Deckmantel der Energiekrise jetzt das ideologische Tempolimit durchzudrücken, lehnen wir entschieden ab. Eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen hilft uns bei den aktuellen Problemen null weiter und soll Autofahrer nur noch weiter gängeln.“

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Tilman Kuban: „Ein Tempolimit hilft nicht, unser Gasproblem zu lösen, und sorgt auch nicht für warme Wohnungen im Winter. Beim Öl haben wir aktuell keinen Mangel. Es ist extrem teuer und da muss jeder selbst entscheiden, ob man nicht besser spritsparend fährt.“ Die meisten täten es jetzt schon.

Auch Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt lehnt den Vorstoß unter Verweis auf den „Nanny-Staat“ ab. „Die Bürger können schon selber einschätzen, wann sie den Fuß vom Gas nehmen, um Benzin zu sparen“, sagte Voigt zu „Bild“.

Über ein allgemeines Tempolimit wird schon seit Jahren immer wieder gestritten. Im Zuge der Energiekrise ist es nun wieder in den Blick gerückt. In der Ampel-Koalition sperrt sich die FDP gegen eine solche Begrenzung, die sie schon in den Koalitionsverhandlungen abgelehnt hatte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte kürzlich dazu: „Das hat diese Regierung nicht vereinbart und deswegen kommt es auch nicht.“ Eine Regierungssprecherin sagte am Montag, der Koalitionsvertrag sehe kein Tempolimit vor.

Wirtschaftsweise sieht „eine Chance, sich hier zu einigen“

Mit Blick auf die Debatte um längere Laufzeiten der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland hat die Wirtschaftsweise Veronika Grimm die Grünen zum Umdenken aufgefordert. „Es wäre in der Tat sinnvoll, vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen die Position zu überdenken“, sagte sie dem „Handelsblatt“ (Dienstagsausgabe). Sie räumte ein, dass das aber nicht einfach sei, denn dieser Schritt müsse der Parteibasis vermittelt werden können, was vermutlich „eine Mammutaufgabe“ sei.

Gleichwohl sei es jetzt „dringend notwendig, alle Hebel in Bewegung zu setzen“. Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke sei wichtig, um die Stromversorgung in den kommenden Jahren sicherstellen zu können, ohne in großem Umfang Kohle zu verstromen. Die Atomkraftwerke würden aber „eine wichtige Rolle erfüllen, solange wir noch nicht genügend erneuerbare Energien haben und auch noch keine Gaskraftwerke zugebaut werden konnten“, so Grimm.

Die Ökonomin plädierte auch für eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. „Ein Tempolimit und auch Einschränkungen des Verkehrs etwa an Wochenenden dürften bei der aktuell angespannten Lage an den Energiemärkten sinnvoll sein“, sagte sie. „Da hier bei unterschiedlichen Parteien Vorbehalte bestehen, wäre es doch eine Chance, sich hier zu einigen.“ (dpa/dts/afp/dl)



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