Krieg bis keiner mehr in der Ukraine lebt? Von Bismarck fordert: Verhandeln statt weiter eskalieren

Alexander von Bismarcks Familienname ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit und auch in Russland bekannt und geschätzt. Wenn er könnte, würde er ihn gerne nutzen, um Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zu fördern, sagt er.
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Alexander von Bismarck beim Interview im EpochTV-Studio in Berlin.Foto: Epoch Times
Von 20. November 2023

Immer mehr Stimmen fordern Verhandlungen für Frieden in der Ukraine anstelle von weiteren kriegsunterstützenden Waffenlieferungen. Ein zerstörter russischer T 72-Panzer wurde von Aktivisten am 24. Februar 2023, also dem Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine, vor der russischen Botschaft in Berlin als Protestaktion aufgestellt. Alexander von Bismarck reagierte am Folgetag mit einer Aktion für den Frieden: Er schmückte das Panzerwrack mit 2.000 Rosen.

Alexander von Bismarck ist der Urgroßneffe von Otto von Bismarck, dem ersten deutschen Reichskanzler. Er ist gelernter Bankkaufmann und selbstständiger Unternehmer mit einem großen Weihnachtsartikelhandel. 1991 wurde er Eigentümer des Schlosses Döbbelin. Seit 1972 ist er für die CDU politisch aktiv und wurde 2010 Bürgermeister des Stendaler Ortsteils Insel.

Wie kommt es, dass Sie so großes Interesse an Russland und dem Ukraine-Krieg haben und sich engagieren?

Das kommt von der Emotionalität. Ich habe zwei deutsch-russische Söhne und sehr viele Freunde in Russland und über meine Söhne auch die Familie. In den letzten Jahrzehnten haben wir in Frieden gelebt, und deshalb möchte ich, dass meine Söhne auch weiterhin Frieden haben.

Kommen wir auf die Rosenaktion vor der russischen Botschaft in Berlin zu sprechen. Warum haben Sie das gemacht?

Am Vortag hielt ich einen Vortrag in Berlin. Als ich den Panzer sah, dachte ich: ‚Wie kann es eigentlich sein, dass man eine Waffe auf ein diplomatisches Gebäude richtet? In der gesamten Welt sind diplomatische Gebäude ein Ruhepol und ein Rückzugsort für Menschen aus diesem Land. Waffen auf ein diplomatisches Gebäude zu richten, befremdet mich sehr. Dann habe ich eine friedliche Demonstration organisiert und wir haben gemeinsam mit vielen Freunden den Panzer mit Rosen bestückt.

Diese Aktion wird medial vielfach als Aktion von Putin- oder prorussischen Aktivisten dargestellt. Was sagen Sie dazu?

Das ist eine rein private Aktion von mir gewesen und hat nichts mit Russland zu tun gehabt. Medien brauchen das, die brauchen solche Schlagzeilen, mit denen Propaganda gemacht wird.

Bei der Rosenaktion haben Sie „RRN Media“ vor laufender Kamera ein Statement gegeben. Das Medium macht sowohl von der Finanzierung als auch beim Personal einen intransparenten Eindruck. Man kann das durchaus als ein Pro-Putin-Propagandatool bezeichnen. Wurde Ihre Aktion für russische Staatspropaganda ausgenutzt oder wussten Sie von dem Sender?

Nein, ich kenne den Sender nach wie vor nicht. Es kam ein junges Mädchen auf mich zu und fragte, ob ich was dazu sagen kann. Ich habe dann gesagt, dass diese Aktion eine Friedensinitiative ist. Ich habe unsere Regierung aufgefordert, zu verhandeln und nicht mehr weiter zu eskalieren. Anschließend habe ich mitbekommen, dass das viele gesehen haben und irrsinnig viele Rückmeldungen bekommen.

Sie haben auch eine eigene Sendung, und zwar „Realpolitik mit Alexander von Bismarck“ beim Sender „Russia Today“. Das ist der russische Staatssender, der in Deutschland verboten wurde. Wie stehen Sie zu dem Verbot von RT?

Wir haben Artikel fünf des Grundgesetzes, wir können uns in einer Demokratie frei äußern, unsere Meinung frei sagen. Durch die Massenmedien gibt es diese einseitige Berichterstattung. Wenn ich Friedensinitiativen bei mir zu Hause oder wo auch immer betreibe, dann stehe ich jedem Sender zur Verfügung, egal, woher sie kommen. Denn je mehr man das verbreitet, um den Menschen zu sagen, wie wichtig Frieden für uns ist in der heutigen Zeit, ist es mir egal, welcher Sender das ist.

Wie kam es dazu, dass Sie dieses Format ausgerechnet bei RT machen?

RT hat mich gefragt und da mich kein anderer Sender gefragt hat, habe ich zugesagt. Die sozialen Medien sind mehr oder weniger die einzigen, die noch eine andere Meinung zulassen.

Werden sie von RT, also praktisch von russischen Staatsgeldern bezahlt?

Nein, natürlich nicht.

Putin hat ja unstrittig die Ukraine angegriffen und damit den Krieg begonnen. Viele Friedensaktivisten und Sie fordern Verhandlungen statt Waffenlieferungen. Was sagen Sie zu dem Argument, dass wenn man mit Putin verhandeln würde, man in gewissem Maße sein Verhalten toleriert und damit auch ähnlichen Handlungsmöglichkeiten in der Zukunft den Weg eröffnet?

Ein völliger Schwachsinn, wer so etwas sagt. Ich bin der Meinung, dass Verhandlungen die einzige Möglichkeit in der heutigen Zeit sind. Es gibt keine Alternative zu einem Dialog, egal, in welcher Situation wir uns zurzeit befinden.

In der heutigen Zeit beendet man keinen Konflikt auf dem Schlachtfeld. Das sollte an einem runden Tisch geschehen, wo jeder gleichberechtigt ist und auch tatsächlich miteinander spricht. Außerdem bin ich der Meinung, dass es keine Vorbedingungen geben sollte. Ich bin mit Helmut Schmidt, der gesagt hat: „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen.“

Sie vertreten also ganz klar die Forderung, mit Verhandlungen Menschenleben zu schützen, anstatt mit weiteren Waffenlieferungen die kriegerischen Auseinandersetzungen zu fördern.

Es ist doch traurig, dass auf beiden Seiten junge Menschen sterben. Ich weiß nicht, wie lange das noch gehen soll. Wie sehen die zukünftigen Generationen in der Ukraine aus? Das Wichtigste ist, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand hinzubekommen.

In Russland habe ich eine Gesprächsbereitschaft bemerkt und die, finde ich, sollte man auch erwidern. In der UNO hat es Lawrow immer mal wieder gesagt. In Deutschland wird so getan, als wenn die russische Seite überhaupt nicht gesprächsbereit wäre.

Sie sind Herausgeber des Buches „Begegnung zwischen Russen und Deutschen: Eine Anthologie der Verständigung“. In dem Vorwort schreiben Sie: „Ich hoffe, das Buch wird ein echter Mutmacher werden. Die Fremdheit des Anderen zu überwinden, das Gemeinsame und das Fruchtbare des aufeinander Einlassens zu erkennen und schließlich echte Freundschaften zu entwickeln und zu pflegen“. Ist das in Kriegszeiten tatsächlich möglich?

Ja, natürlich, das sieht man ja selbst unter Soldaten. Sie helfen sich gegenseitig, wenn sie allein sind.

Durch den Petersburger Dialog wurden in den letzten 30 Jahren die menschlichen Kontakte aufgebaut. Ich habe sehr viele Freunde in Russland, mit denen ich nach wie vor korrespondiere, und auch face to face spreche. Ich bin oft in Russland und treffe sie. Das Ergebnis unserer Gespräche: Wir wollen alle friedlich nebeneinander leben. Wir wollen miteinander Geschäfte machen, wir wollen gemeinsam Kultur machen.

Von der deutschen Seite wurde der Petersburger Dialog wegen des Krieges abgeschafft. Sie haben daraufhin den Bismarck Dialog gegründet und die Döbbeliner Freundschaftserklärung zwischen Deutschen und Russen verfasst. Darin geht es darum, auch in Konfliktsituationen die Freundschaft zwischen den Völkern immer über die jeweilige Konfliktsituation zu stellen. Ist das überhaupt möglich?

Das mag schwierig klingen. Aber eine Regierung wird nicht für sich selbst gewählt, sie wird von den Menschen gewählt und bezahlt und deshalb muss sie für die Menschen Politik machen.

Auf russischer Seite besteht der Petersburger Dialog noch. Ich war der einzige Deutsche, der im letzten Jahr dabei war. Es gab sehr positive Gespräche. Wichtig ist, dass diese Kontakte aufrechterhalten werden, weil wir keinen Hass aufeinander schüren wollen, selbst wenn man über die politische Situation in dem jeweiligen Land anderer Meinung ist.

In Ihrer Döbbeliner Freundschaftserklärung richten Sie einen Appell von Frieden, Freundschaft, Toleranz und Respekt an beide Regierungen. Warum wird jegliche Annäherung an Russland als prorussisch wahrgenommen?

Das müssen Sie die Massenmedien fragen, die das immer wieder in den Vordergrund stellen.

Können Sie konkrete Beispiele benennen, wo Sie sagen, dass deutsch-russische Freundschaften aufrechterhalten werden?

Ich habe ja den Bismarck Dialog zwischen Deutschen und Russen bei mir zu Hause in die Wege geleitet. Russen, die aus Russland anreisen, können bei mir zu Hause sein. Es ist möglich, sich zu treffen und zu besuchen.

Ich gehe auch nach Russland, um offizielle Menschen zu treffen, Menschen, die Einfluss haben, und bitte sie: „Macht auch mal einen Schritt. Von euch kann was bewegt werden.“

Unserer Regierung werfe ich vor, dass sie nicht die Hand reicht und Deeskalation betreibt. Wohin soll das noch führen? Bis keiner mehr in der Ukraine lebt? Wir brauchen doch diese Menschen. Sie sind genauso toll wie in anderen Ländern.

Ist es realistisch, dass der Ukraine-Krieg endet, ohne dass Putin abgesägt oder getötet wird?

Ja, natürlich. Man muss doch mit den Menschen reden, die die politische Verantwortung aktuell tragen, weil nur sie letztendlich sagen können, dass sie den Krieg beenden.

Ich würde auch unseren Bundeskanzler Scholz bitten, so häufig wie möglich bei Putin anzurufen, denn je mehr man miteinander spricht, je mehr ist die Chance da, dass es auch schnell zu einem Frieden kommt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Alexander Zwieschowski, redaktionelle Bearbeitung Matthias Kehrein. Das vollständige Video-Interview finden Sie auf EpochTV.



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