Am 31.12. gehen drei Kernkraftwerke vom Netz: Grohnde, Brokdorf, Gundremmingen C
Für E.ON-Chef Leonhard Birnbaum ist das Thema Kernkraft in Deutschland Geschichte. Im Gespräch mit der „Welt“ sagt er: „Es wird in Deutschland nie wieder irgendjemand eine Kernkraftanlage bauen.“ Ein Neubau von Kernkraftwerken wäre ohne staatliche Deckung und Garantieren nicht machbar, kein Unternehmen könne sich das leisten. Neue Kernkraftanlagen würden daher im Wesentlichen mit staatlicher Garantie gebaut, so Birnbaum.
Europaweit wird hingegen auf Kernkraft gesetzt, nicht nur in Frankreich. Die Niederlande will zwei neue Kernkraftwerke bauen, Finnland setzt auf Mini-Reaktoren. In Deutschland sind sie im Koalitionsvertrag und im Rahmen der Energiewende nicht vorgesehen.
Deutschland schaltet ab
Zum 31. Dezember dieses Jahres werden drei weitere Kraftwerke abgeschaltet. Grohnde (Niedersachsen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Gundremmingen C (Bayern), alle Abläufe sind exakt geplant.
Das Kernkraftwerk Grohnde macht derzeit rund 12 Prozent der Stromerzeugung in Niedersachsen aus, und wird am 31. Dezember abgeschaltet. Am 5. September 1984 ging der Einblock-Reaktor erstmals ans Netz und produzierte seither mehr als 400 Terawattstunden Strom. Es ist der einzige Reaktor, der diesen Meilenstein erreicht hat. Er war knapp 92 Prozent seiner Arbeitszeit verfügbar. PreussenElektra, der Betreiber, weist darauf hin, dass er in den letzten Jahren zunehmend als Reservekraftwerk gedient habe.
Damit geht eines der effektivsten Kraftwerke vom Netz. „Unsere Kraftwerke gehören nach wie vor zu den besten der Welt“, sagt Erwin Fischer, Leiter Technik und Betrieb bei PreussenElektra. „Das haben sie auch im letzten Jahr unter den schwierigen Pandemiebedingungen wieder bewiesen. Wir freuen uns sehr, dass es Grohnde im letzten Betriebsjahr gelungen ist, einen solchen Rekord aufzustellen“, ergänzt Fischer. Das Kernkraftwerk vermied 400 Millionen Tonnen CO₂, die sonst durch Kohle- und Gaskraftwerke erzeugt wurden wären.
Brokdorf wird ebenfalls abgeschaltet
Auch das Kernkraftwerk in Brokdorf wird zum 31. Dezember abgeschaltet. Es ging im Oktober 1986 ans Netz und gehörte laut Betreiber PreussenElektra zu den leistungsstärksten der Welt. Nach Firmenangaben wird der Reaktor am Silvesterabend heruntergefahren und kurz vor dem Jahreswechsel nach etwa 45 Jahren endgültig vom Stromnetz getrennt.
Es wurden keine neuen Brennstäbe bestellt, die nochmals Millionen Euro gekostet hätten. Auch aus diesem Grund wäre es nicht möglich, die Kraftwerke am Netz zu belassen. Die radioaktiven Zerfallsprozesse im Inneren laufen nach der Abschaltung weiter. Die sogenannte Nachbetriebsphase und der nachfolgende allmähliche Abriss der Anlagen wird einige Zeit andauern.
Ein „Festtag“ für die Anti-Atom-Bewegung
Der Bau von Brokdorf war für die Anti-Atom-Bewegung in Westdeutschland ein zentraler Punkt. Die Bauarbeiten in der kleinen Gemeinde nahe Brunsbüttel führten erstmals 1976 zu einer größeren Demonstration, bei der es auch zu heftigen Zusammenstößen zwischen militanten Teilnehmern und der Polizei kam. Aufgrund von Gerichtsentscheidungen ruhten die Arbeiten zwischen 1977 und 1981, wurden dann jedoch wieder aufgenommen.
Atomkraftgegner mobilisierten für den 28. Februar 1981 zu einer Demonstration, die von den Behörden verboten wurde. Die Polizei errichtete Sperren, dennoch gelangten Zehntausende zur Baustelle. Mit geschätzten 100.000 Teilnehmern galt sie damals als bislang größte Anti-Atom-Demonstration in der Bundesrepublik. Es kam zu extrem heftigen Auseinandersetzungen. Militante Atomkraftgegner setzten Zwillen und Brandsätze ein, die Polizei reagierte mit Reizgas, Wasserwerfern und tief fliegenden Hubschraubern.
Kraftwerksleiter Uwe Jorden sprach angesichts der Abschaltung des Kraftwerks von großer Traurigkeit und berichtete, die Mitarbeiter hätten die Versorgung des Landes mit Energie „mit großer Leidenschaft“ als ihre Aufgabe angesehen. Die Anti-Atomkraft-Organisation „Ausgestrahlt“ bezeichnet das Ende von Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C als „Festtag“.
Wirtschaftsminister: Versorgungssicherheit gewährleistet
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht die Stromversorgung in Deutschland trotz der bevorstehenden Abschaltung weiterer Atomkraftwerke gesichert. „Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiterhin gewährleistet“, erklärte Habeck am 28. Dezember. Die Regierung werde „durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und die Beschleunigung des Netzausbaus“ zeigen, dass eine Ausrichtung von Wirtschaft und Industrie auf Klimaneutralität möglich sei.
Deutschland hatte den schrittweisen Atomausstieg nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 beschlossen. „Der Atomausstieg macht unser Land sicherer und hilft, radioaktiven Abfall zu vermeiden“, betonte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in einer gemeinsamen Erklärung mit Habeck. Deutschland ziehe „seit 2011 in einem geordneten, verlässlichen Verfahren einen Schlussstrich unter eine hochproblematische Technologie“.
Am Netz bleiben nur noch die drei Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg sowie Emsland in Niedersachsen, die spätestens bis Ende 2022 ebenfalls abgeschaltet werden.
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