Ampel will Cannabis-Gesetz durchziehen – Bayern und Schleswig stellen sich dagegen

Ungeachtet der Kritik von Richtern, Polizei und Ärzten will die Bundesregierung das neue Cannabis-Gesetz einführen. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek fordert eine „Notbremse“.
Titelbild
Cannabis unter Lupe.Foto: iStock
Von und 20. August 2023

Das Bundeskabinett hat am 16. August die Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz beschlossen. Doch nach wie vor hagelt es Kritik. Nicht nur Landesregierungen aus Bayern und Schleswig-Holstein stellen sich gegen den Beschluss.

Ein Eintrag auf dem Nachrichtendienst X (ehemals Twitter) zeigt, dass die Regierung von ihrem Vorhaben überzeugt ist und im Herbst „mit der Detailarbeit an dem Gesetzentwurf loslegen“ wird. In dem Post der SPD-Bundestagsfraktion heißt es: „Wir haben eine fortschrittliche Drogenpolitik versprochen – und jetzt ziehen wir sie durch!“

Bayern befürchtet Vorschub für Schwarzmarkt

Nach wie vor stellt sich Bayern gegen das Gesetz. Am Tag der Kabinettssitzung sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek:

Wenn Lauterbach immer noch nicht zur Vernunft kommt, muss Bundeskanzler Scholz die Notbremse ziehen und den aberwitzigen Legalisierungs-Kurs stoppen.“

Holetschek hält die Vorgaben für den Eigenanbau und die für Anbauvereinigungen geltenden Regelungen in der Praxis kaum kontrollierbar. Das Gesetz würde dem Schwarzmarkt eher Vorschub leisten anstatt – wie von der Ampelkoalition behauptet – eindämmen, so Holetschek.

Das „‚Cannabis für alle‘-Gesetz […] [sei] ein Anschlag auf den Jugend- und Gesundheitsschutz in Deutschland“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Vorhaben „allen Ernstes als Beitrag zum Jugendschutz stilisieren will, zeigt, dass in der Ampel der Kompass völlig verloren gegangen ist.“

„Wohl nie zuvor hat sich eine Bundesregierung in so einer sensiblen Frage so dreist über die Warnungen nahezu aller Experten aus Medizin, Polizei und Justiz hinweggesetzt“, sagte Dobrindt. Die Experten seien sich einig, dass das Gesetz „zu mehr Drogenkonsum gerade bei jungen Menschen, zu mehr Suchtkrankheiten und mehr Ermittlungsarbeit für unsere Sicherheitsbehörden führen wird“.

Schleswig-Holstein lehnt Cannabis-Freigabe ab

Kritik kommt auch aus dem Gesundheitsministerium Schleswig-Holsteins.„Fachlich ist hinreichend belegt, dass Cannabis eine Droge ist, deren Konsum schwere körperliche und seelische Erkrankungen zur Folge haben kann“, sagte ein Sprecher laut NDR. Eine Cannabis-Freigabe sei „nicht nachvollziehbar und das falsche Signal, insbesondere für junge Menschen“.

Nach Ansicht von Dr. Jean Hermanns vom Psychiatrischen Krankenhaus Rickling (Kreis Segeberg) soll das Gesetz schnell geändert werden. Schon beim ersten Konsum könne Cannabis zu Angststörungen und Psychosen führen.

Auch eine Regelung für die sogenannten „Cannabis Social Clubs“ – also Vereine, deren Mitglieder zukünftig mit Cannabis versorgt werden – sorgte bei dem Mediziner für Verwirrung. Der Gesetzentwurf sieht dort „Neukundenberatungen“ vor.

„Wer soll das machen? Kollegen von mir? Ich kann mir das in der Praxis nicht vorstellen. Wir waren ziemlich überrascht von diesem Modell, weil wir bisher davon ausgegangen waren, dass es über lizenzierte Geschäfte laufen würde und nicht über private Vereine“, so Hermanns.

Hamburg sieht Notwendigkeit für „Cannabis-Überwachungsbürokratie“

Zu der grundsätzlichen Frage, ob man Cannabis legalisieren könne oder nicht, wollte sich Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) nicht äußern. „Das ist eine gesundheitspolitische Frage“, erklärte er laut „Hamburger Abendblatt“. Den eingeschlagenen Weg jedenfalls halte er für „hochproblematisch“.

Die gesetzlichen Vorschriften würden zusätzliche Aufgaben für die Polizei bedeuten. Eigentlich sei eine ganze „Cannabis-Überwachungsbürokratie“ nötig, um das Gesetz wirkungsvoll umzusetzen. Das sei völlig unrealistisch und offen, wie das gelingen soll.

Fraglich sei zudem, ob der Cannabis-Konsum und die damit einhergehenden Nebenwirkungen nicht noch durch das Gesetz angekurbelt würden. Das hätten Erfahrungen aus anderen Ländern gezeigt.

FDP: „Ein unkontrollierbares Bürokratiemonster“

Die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lüdke, bemängelte: „Durch viele kleinteilige Regularien entsteht ein unkontrollierbares Bürokratiemonster, das die Strafverfol­gungsbehörden zusätzlich belastet.“

Ziel der FDP-Fraktion sei es nun, in den parlamentarischen Beratungen das Gesetz „grundlegend zu überar­beiten und weitreichende Änderungen vorzunehmen, um am Ende ein praxistaugliches und sinnvolles Gesetz zu verabschieden“.

Nur mit praktikablen Regelungen könne man Verkauf und Konsum aus dem Schwarzmarkt herausholen und wirklich etwas für Jugend- und Gesundheitsschutz erreichen.

Mehr Arbeit für Polizei und Justiz

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, sagte der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa), trotz breiter Kritik habe Lauterbach nur kleine Änderungen vorgenommen. Das Beste sei, wenn die Bundesregierung den Entwurf jetzt stoppe und Lauterbach die Aufgabe erteile, massiv nachzubessern.

Es fehle eine ausreichend lange Übergangsphase, was „zwangsläufig zu massiven Unsicherheiten, wenn nicht Konflikten zwischen Behörden und Bevölkerung“ führen werde, bemängelte Kopelke. Der Polizei werde der Entwurf große Probleme bereiten. Polizei und Justiz würden nicht ent-, sondern vielmehr be-lastet. In einer früheren Stellungnahme hatte die GdP auch Befürchtungen geäußert, dass der Schwarzmarkt wachsen und die Verkehrssicherheit leiden würden.

Auch die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Herbert Reul und Armin Schuster, sowie Hessens Justizminister Roman Poseck (alle CDU) sehen den Gesetzentwurf der rot-grün-gelben Koalition kritisch. „Mit diesem Gesetz wird ein kompletter Kontrollverlust verbunden sein“, sagte Schuster dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND). Reul warnte, die Ampelkoalition werde damit Polizei und Justiz nicht etwa weniger, sondern stärker belasten.

Poseck warf der Ampelkoalition vor, einen „faulen Kompromiss“ geschlossen zu haben, „der Nachteile auf allen Seiten mit sich bringt“. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hält die Pläne für einen „schweren Fehler“ und „medizinisch nicht verantwortbar“.

Der Deutsche Richterbund hatte bereits erklärt, die vielen speziellen Regeln zu Cannabis-Clubs und zum Anbau und zur Abgabe der Droge, die mit der Legalisierung kommen sollen, müssten kontrolliert und Verstöße geahndet werden. Der Berufsverband befürchtet daher mehr Arbeit für die Justiz.

Cannabis-Verein: „Das Gesetz ist großer Blödsinn“

Cannabis-Vereine sollen laut Gesetzentwurf unter dem Dachverband Deutscher Cannabis Social Clubs (CSCD) stehen. Bereits jetzt haben sich allein in Schleswig-Holstein vier Clubs registriert, berichtet der NDR.

Der erste Vorsitzende des CSC Kiel, der aktuell rund 50 Mitglieder zählt, äußerte, dass er noch nicht wirklich mit dem neuen Gesetz zufrieden sei. „Wir wollen Cannabis entstigmatisieren und auch junge Konsumenten aufklären.“ Das Gesetz sei „großer Blödsinn“. Das alles passe nicht zusammen, sowohl von der Menge als auch hinsichtlich des Konsumverbots im Clubheim. Dadurch würden Konsumenten letztendlich in den Schwarzmarkt gedrückt. Aber der Verein sehe auch Vorteile zugunsten der Konsumenten. Denn es sei geregelt, dass das Cannabis nicht gestreckt oder verunreinigt sein dürfe.

Der CSC Lübeck hat entschieden, dass die Höchstgrenze seiner Mitglieder bei 150 liegen soll. 49 Mitglieder haben sich bereits gefunden, weitere 80 stehen auf der Warteliste. Soziale Aspekte sollen hier im Vordergrund stehen, sodass man noch einen Überblick behält. „Wir wollen so ein bisschen die Dorfgröße erhalten, jedes Gesicht noch mal ein bisschen kennen und die Person dahinter auch. Ein Social Club mit 500 Leuten ist dabei schwieriger als einer mit 150.“

Da es noch kein Vereinsheim oder andere Räumlichkeiten gibt, treffen sich beide Vereine vorerst digital.

Die Regierung strebt an, dass das Gesetz Ende des Jahres in Kraft tritt.

(Mit Materialien von Agenturen)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion