Anwalt nennt Medien bei Chemnitzer Haftbefehl-Leak „scheinheilig“: Die Presse besticht sogar Beamte, um an Akten zu gelangen

Der bekannte Medienanwalt Ralf Höcker findet die mediale Empörung über die Weitergabe des Haftbefehls im Chemnitzer Mordfall um Daniel H. "scheinheilig".
Epoch Times5. September 2018

„Mich stört das scheinheilige zweierlei Maß“, sagt der Jurist Ralf Höcker bezogen auf die Berichterstattung zu der unrechtmäßigen Veröffentlichung des Haftbefehls im Chemnitzer Mordfall um Daniel H. durch einen Justizbeamten.

Der Anwalt verdeutlicht in einem Facebook-Beitrag, dass das Weitergeben von Ermittlungsakten tatsächlich strafbar ist. „Trotzdem passiert das jeden Tag und nicht nur in Chemnitz“, so der Jurist. „Normalerweise regt sich die Presse aber nicht darüber auf.“

Denn die Medien würden die Akten selber zugespielt bekommen oder sogar Justizmitarbeiter bestechen, um an die Dokumente zu gelangen, führt der Medienanwalt aus. „Die Preise variieren. Nach unseren Erfahrungen bekommt man Akten bereits für 500-800 € von korrupten Justizangestellten oder Polizisten zugeschoben“, so Höcker.

Höcker: Fast täglich berichten Zeitungen aus Justizakten

Fast täglich würden – nicht nur die Boulevardpresse, sondern auch seriöse Tageszeitungen – aus Justizakten berichten, die die Medienleute nur durch Rechtsbruch erlangen könnten, schreibt der Anwalt weiter.

Höcker erklärt: „Wenn das nicht in Chemnitz passiert, sondern in der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen, aktuell in der Lokalredaktion Hannover der #HAZ oder dem Unterhaltungsressort der Bild-Zeitung, ist das für die Presse nie ein Problem.“

Im Gegenteil: „Wenn wir als Medienanwälte für Mandanten, deren Akten durchgestochen wurden, gegen Journalisten vorgehen, regen sie sich fürchterlich auf. Ein Eingriff in die Pressefreiheit sei das. Das stimmt, aber ein notwendiger Eingriff, mit dem das Recht wiederhergestellt wird,“ so der Anwalt.

Journalistenverband kritisiert Arbeit von Höcker als „Angriff auf die Pressefreiheit“

Gegenüber „Meedia“ nennt Höcker ein konkretes Beispiel und zeigt damit die Scheinheiligkeit der Presse gegenüber dem Fall in Chemnitz auf.

Unter anderem hatte die „Hannover Allgemeine Zeitung“ (HAZ) die Veröffentlichung des Haftbefehls als „Skandal“ bezeichnet. Doch vor einigen Tagen hatte die Zeitung im Zusammenhang des Untreueverdachts gegen den Oberbürgermeister von Hannover über den Stand der Ermittlungen – inklusive Details aus den Ermittlungsakten – berichtet.

Nun befassen sich Gerichte mit dem Fall. Es soll festgestellt werden, ob die HAZ direkt, indirekt oder gar nicht aus den Ermittlungsakten zitiert hat. Der Medienanwalt Höcker vertritt die Stadt Hannover in dieser Sache juristisch. Der Deutsche Journalistenverband allerdings kritisierte das juristische Vorgehen gegen die Berichterstattung über den Oberbürgermeister von Hannover als „Angriff auf die Pressefreiheit“.

Justizbeamter fotografierte Haftbefehl ab

Im Fall von Daniel H. hat ein Justizvollzugsbeamter nach eigener Aussage den Haftbefehl gegen den Messerstecher abfotografiert und das Bild an Kollegen aus der Justiz, Freunde des Opfers, sowie an die Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“ weitergeleitet.

Über seinen Anwalt gab der Justizbeamte öffentlich eine Stellungnahme zu den Beweggründen für die Weitergabe des Haftbefehls ab. Darin heißt es:

„Ich habe mich entschlossen, dieses Dokument, den vollständigen Haftbefehl, zu fotografieren und der Öf­fentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Mir war dabei klar, dass ich damit Dienstpflichten verletze und ich habe auch gewusst, dass ich dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit meinen Job verlieren werde. Ich möchte, dass die Öffentlichkeit weiß, was geschehen ist. Ich möchte, dass die Spekulationen über einen möglichen Tatablauf ein Ende haben und ich möchte, dass die Medien nicht mehr die Hoheit haben, den tatsächlichen Tatablauf infrage zu stellen, zu manipulieren oder auf einen ihnen jeweils genehme Art und Weise zu verdrehen. Ich möchte, dass die gesamte Öffentlichkeit ausschließlich die zum heutigen Zeitpunkt bekannten harten Fakten kennt.“

Der Justizbeamte ist vom Dienst suspendiert worden und die Ermittlungen wegen „Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht“ (§353b des Strafgesetzbuches) laufen. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe.

Medienanwalt Höcker bekannt für prominente Mandaten

Der Medienanwalt und seine Kanzlei in Köln sind nicht wählerisch, was die Mandanten angeht. Ob Heidi Klum, Recep Tayyip Erdoğan, AfD, SPD, CDU, Grüne und FDP oder der ehemalige Wettermoderator Jörg Kachelmann – Ralf Höcker hat sie alle vertreten.

„Wir sind da vollkommen schmerzfrei. Wir vertreten jeden, der sich an uns wendet, egal welche politische Gesinnung er hat,“ so der Anwalt. Im Interview mit dem „Deutschlandfunk“ macht Höcker deutlich, womit seine Kanzlei die meiste Zeit verbringt: „Unser Job besteht darin, Journalisten jeden Tag auf die Finger zu hauen.“ (er)



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