ARD-Chef Tom Buhrow: Was wirklich hinter den großen Reformtönen steckt

Von Reform keine Spur: Spitzengehälter bleiben und Rundfunkgebühren steigen weiter.
Titelbild
Tom Buhrow.Foto: Oliver Berg/dpa
Von 29. Dezember 2022

„Spes saepe fallit“, diese lateinische Wortwendung, die übersetzt bedeutet „die Hoffnung trügt oft“, passt gut zum aktuellen Auftritt vom ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow. Denn viele hatten Hoffnung in Buhrows Äußerungen vor wenigen Wochen gesetzt, die vermuten ließen, dass eine Erneuerung der Öffentlich-Rechtlichen möglicherweise zur Chefsache erklärt wird. Jetzt rudert Buhrow zurück. Wirkliche Reformen scheinen erst einmal nicht geplant – im Gegenteil.

Weder Selbstkritik noch angekündigte Reformen

Das machte der 64-jährige WDR-Chef vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin klar, ohne es direkt auszusprechen: Von Tom Buhrow, von der Spitze der ARD, sind keine Reformen zu erwarten. Statt der angemessen erscheinenden und erwarteten Selbstkritik angesichts der zunehmend ans Tageslicht kommenden Skandale – und das nicht nur beim RBB – stellte Herr Buhrow die Öffentlich-Rechtlichen als unverzichtbar dar, um im gleichen Atemzuge schon gleich mal die nächste Erhöhung der Rundfunkbeiträge anzukündigen. Zu den Details gleich mehr.

Erstmal zur Frage, wie es überhaupt zu dieser Euphorie und Erwartungshaltung an Tom Buhrow kam, der sich selbst ein Gehalt höher als das des Bundeskanzlers zugesteht – momentan pro Jahr über 416.000 Euro plus nochmal fast das Doppelte an Pensionsrücklagen – und sich als Krisenreformer quasi selbst abwickeln müsste. Oder zumindest sich selbst sein Gehalt und seine Privilegien beschneiden.

Jedenfalls hatte Herr Buhrow erfolgreich geschafft, sich als öffentlich-rechtlicher Hoffnungsträger zu verkaufen. Die Hauptstadtmedien bejubelten, dass der ARD-Chef die Einladung vom Abgeordnetenhaus für den 14. Dezember angenommen hatte.

Reformen und Debatte

Die anberaumten Themen waren unter anderem: Die Reform-Ideen des Interims-Vorsitzenden und der Medienstaatsvertrag. Der WDR-Intendant, der nach dem Rücktritt von Ex-RBB-Chefin Patricia Schlesinger als ARD-Vorsitzende (Epoch Times berichtete) die Interimsleitung der ARD übernommen hatte, bis zur Amtsübernahme durch SWR-Chef Kai Gniffke Anfang 2023, sollte mit dem Ausschuss für Engagement, Bundesangelegenheiten und medienpolitische Fragen besprechen.

Die Erwartungshaltung war hoch, dass Buhrow über seine Ideen einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sprechen würde. Und diese Erwartung kam nicht von ungefähr, Buhrow selbst hatte sich als Reformer ins Gespräch gebracht durch eine von ihm zwar selbst als privat dargestellte Rede im Hamburger Überseeclub, in welcher er die Notwendigkeit von weitreichenden Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Mediensystem angemahnt und sogar angedeutet hatte, dass täglicher Weise eine Fusion von ARD und ZDF nicht auszuschließen sei. Buhrow selbst forderte vor dem Hintergrund der RBB-Affäre eine „ehrliche Debatte“ über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Unfreiwillig ehrlich

Und vielleicht war genau das ja „ehrlich“, was Buhrow vor dem Berliner Abgeordnetenhaus kurz und knapp verlautbarte, bevor er eilig zum nächsten Termin entschwand – zumindest viel ehrlicher als sich als reformwilliger Krisen-Manager zu präsentieren.

Um es kurz zu machen: Angesprochen von Christian Goiny (CDU) auf die exorbitanten Intendantengehälter konterte Buhrow, dass selbst die Einsparung aller Intendantengehälter zu keiner Verringerung des Rundfunkbeitrages führen würde, wörtlich: „Wenn Sie alle Intendanten abschaffen, sinkt der Beitrag um null Cent.“

Das ist sehr einfach gedacht, auch wenn hier explizit die exorbitanten Gehälter der Intendanten angesprochen werden, sind diese nur die Spitze einer Pyramide.

Zwangsgebühren werden weiter steigen

Apropos Rundfunkbeitrag, Buhrow kündigt bei der Gelegenheit schon einmal an: Es werde auch in Zukunft steigende Rundfunkbeiträge geben. Es sei mathematisch unmöglich, „dass der Rundfunkbeitrag nicht steigen würde.“ Der Grund, der bei Herrn Buhrow dafür herhalten muss: Die Inflation.

Übrigens kommt alleine der „Beitragsservice“ den Gebührenzahlern schon teuer zu stehen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhielt im Jahr 2021 8,42 Milliarden Euro Zwangsgebühren, dafür wurden mehr als zwei Prozent – nämlich 173 Millionen Euro – für die Nachfolgeorganisation der GEZ verwendet. Nur die reinen Personalaufwendungen werden mit mehr als 64 Millionen Euro beziffert, verteilt auf 945 Mitarbeiter. Das ergibt Kosten von mehr als 68.000 Euro je Mitarbeiter. Über die Gehälter der Chefetage wird keine Auskunft gegeben, das soll erstmals 2023 für 2022 erfolgen.

Selbsteinschätzung: Unverzichtbar für Demokratie

Dann noch ein Grundsatzstatement vom ARD-Chef im Abgeordnetenhaus von Berlin mit versuchter Selbstlegitimation: „Ich glaube, dass der öffentliche Rundfunk unverzichtbar ist für die Demokratie“, erklärte Buhrow – und weil es dann wohl doch offensichtlich etwas dünn wurde, noch ein schwächelnder Versuch der Vorwegnahme von Einwänden: „Durch das, was beim RBB passiert ist, da ist der Deckel vom Topf geflogen. Da kocht eine Suppe der grundsätzlichen Infragestellung von dem, was wir tun und was es kostet.“

Und diese Suppe könnte richtig überkochen, denn sie blubbert schon viel zu lange hoch, und schon in den aufsteigenden Dämpfen lässt sich erahnen, was dann aus dem gut gedeckten Topf quellen könnte. Zu der Suppe gehört der Kopf des gesamten Unterfangens natürlich dazu, gibt ihr quasi die Kopfnote. Ob er sich selbst für entbehrlich hält?

Grundsätzliche Infragestellung

Buhrow gesteht beide Aspekte, die öffentlich-rechtlichen Hauptprobleme, fast nebenbei ein, indem er von der „grundsätzlichen Infragestellung von dem, was wir tun und was es kostet“, redet. Denn da hat er durchaus recht, es geht nicht nur darum, wie viel die Öffentlich-Rechtlichen an im Zweifelsfall zwangsweise eingetriebenen Gebührengeldern bekommen, sondern auch, was sie damit anfangen, wie sie diese Gelder einsetzen. Und inzwischen gehts auch darum, ob sie, ausgestattet mit diesen Mitteln, damit ihrem Auftrag überhaupt zur Genüge nachkommen.

Zu diesem Thema kann dann noch eine kritische Frage im Abgeordnetenhaus von der FDP: „Warum vermengen ARD-Journalisten Nachricht und Kommentar?“, auf die hin Herr Buhrow abwiegelt: „Das tun die Medienkritiker bei den Zeitungen auch.“

Gehen wir davon aus, dass Buhrow als ARD-Intendant bewusst ist – oder es zumindest sein müsste – dass Zeitungen keine Zwangsbeiträge bekommen. Zwar fallen sie genau wie die Öffentlich-Rechtlichen auch unter die Pressefreiheit, dennoch kann hierin keine Rechtfertigung zum Verstoß gegen die Pflichten im Medienstaatsvertrag liegen. Hierin heißt es in § 6 der Sorgfaltspflichten: „Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.“ Die ARD wird nicht nur im Medienstaatsvertrag mehrfach namentlich als Adressat genannt, auch unterliegt die Anstalt dem Pressekodex. Darin heißt es in seinem zweiten Sorgfaltsgrundsatz, dass sorgsam recherchierte Informationen wahrheitsgetreu wiederzugeben sind, zudem sind unbestätigte Meldungen – also auch Kommentare beziehungsweise Meinungen – als solche erkennbar zu machen. 

Verwaltung von Privilegien oder Reformweg beschritten?

Aber Herr Buhrow schien weder im Abgeordnetenhaus an diesem 14. Dezember noch generell in seiner Position als ARD-Chef angetreten zu sein, etwas zu verändern oder erst richtungsweisende Signale dahin zu setzen, sondern vielmehr um Privilegien zu verwalten und Bestehendes schönzureden. Das macht Herr Buhrow dann noch einmal deutlich, indem er tatsächlich die Ansicht vertrat, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereits einen Reformweg beschritten habe. Als Beispiel hierfür zog er eine stärkere Regionalberichterstattung in den ARD-„Tagesthemen“ und „die große Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Berichterstattung über die Corona-Pandemie“ heran.

Als Ende November bekannt wurde, dass ARD-Chef Tom Buhrow Mitte Dezember ins Berliner Abgeordnetenhaus kommt, weckte das Erwartungen. Auch der medienpolitische Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Alexander King, war offenbar noch in der hoffnungsvollen Vorannahme, dass Buhrow im Gespräch an seine vormals geäußerten Reformgedanken anknüpft: „Buhrow muss sich die Kritik gefallen lassen, selbst Nutznießer mit Riesen-Salär und mächtiger Akteur in diesem System zu sein, dessen Überlebensfähigkeit er jetzt in Frage stellt. Insofern würde mich schon interessieren, wie viel Populismus hinter seinem Reformeifer steckt – und wie viele konkrete Überlegungen.“

Diese Fragen haben sich jetzt wohl erst einmal selbst beantwortet.

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