ARD „Tagesschau.de“ im Visier chinesischer Blogger

Bereits abgeschlossene Online-Umfrage wurde mit Klicks bombardiert – Redaktion erhält Drohungen
Titelbild
Screenshot der Tagesschau-Online-Umfrage. (ET)
Von 16. April 2008

Was war bloß los auf der Homepage der ARD-Tagesschau? Hohe Besucherzahlen von weltweit – das ist ja wünschenswert. Aber nicht auf der Startseite, nein, ausschließlich auf der Seite mit der Umfrage fanden sich die Besucher ein. Und das, obwohl die schon abgeschlossen und bereits ins Archiv gewandert war. Dem nicht genug, zur Irritation der Stammleser zählte der Zähler weiter, das Ergebnis drehte sich um, wie konnte das sein? Ein Wunder?

Es geht um eine der vielen, allseits beliebten und kurzlebigen Umfragen zum aktuellen Tagesgeschehen, wie man sie mit wechselnden Themen auf fast allen Nachrichtenseiten immer wieder findet. Das gängige Thema:

„Der olympische Fackellauf kann nur noch unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Jetzt mehren sich die Stimmen, die angesichts der Proteste einen Stopp fordern. – Was meinen Sie, soll der Fackellauf abgebrochen werden? Fackellauf abbrechen – Ja – Nein – Ist mir egal?“

Und dann kamen die Mails. Chinesen im In- und Ausland teilten von sachlich über unflätig bis derb mit, dass sie sich gedemütigt fühlen und beschimpft durch die „Kampagne“ der deutschen Medien. Teilweise wurden Drohungen formuliert. „Ich werde Ihre Webseite zerstören“, „Nieder mit Deutschland“ und „Wir werden Dein Land fertig machen“, das ist der Grund-Tenor in den Schreiben. Viele der Beschimpfungen richten sich auch gegen die Bundesrepublik als Ganzes.

Kampagne erkannt – Gefahr gebannt?

Recherchen von ARD-Korrespondenten in China fanden schließlich des Rätsels Lösung. Mehr als 7.600 chinesische Websites riefen innerhalb kurzer Zeit mit entsprechenden Links dazu auf, die Online-Abstimmung zu Gunsten Chinas zu beeinflussen. „Nehmen Sie sich drei Minuten Zeit und stimmen Sie mit ab, teilen Sie der Welt unsere Stimme mit“, habe man auf den chinesischen Homepages lesen können.

Wie der österreichische „Standard“ berichtete, erklärte die Webseite der Volkszeitung Qiangguo Luntan, dass die ARD, eine Umfrage gestartet habe, ob der olympische Fackellauf abgebrochen werden soll oder nicht. Bis Samstag hätten 43,8 Prozent der Deutschen in dem „größten offizielle deutsche Fernsehprogramm, die Tagesschau der ARD“ mit „Ja“ gestimmt. „Das müssen wir ändern“, forderte die chinesische Webseite. Allerdings teilte sie ihren Lesern nicht mit, dass die ARD-Aktion bereits abgeschlossen war.

Da Chinesen nur selten Deutsch sprechen oder lesen können, erklärte beispielsweise das chinesische Internetportal www.douban.com, wie man sich durch die Homepage der Tagesschau klicken muss, um zur Umfrage „Fackellauf abbrechen“ zu finden. „Klicken sie dann auf gar keinen Fall ‚Ja‘, sondern ‚Nein‘ an“, wird im chinesischen Internet erklärt. Dann folgt die Warnung: „Denken Sie dran, klicken Sie nichts Falsches an!“

Kritischer Blick auf chinesische Medien notwendig

Obwohl natürlich jeder Besucher an einer Umfrage teilnehmen kann und es bewusst keine Beschränkungen gibt, verurteilte Jörg Sadrozinski, Redaktionsleiter von tagesschau.de, die Drohungen. „Dieser Umgang mit journalistischer Berichterstattung und freier Meinungsäußerung zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, dass wir uns kritisch mit China und der Situation dort auseinandersetzen“, sagte er. In einem Gespräch mit der taz hatte er weiterhin erklärt, dass das Absurde daran sei, dass die Chinesen meist gar nicht wüssten um was es bei der Umfrage gehe, es wäre ihnen nur mitgeteilt worden, wo sie mit „Nein“ zu stimmen hätten.

Doch der Redaktionsleiter sieht die journalistische Arbeit der Redaktion nicht bedroht, auch wenn sie zeige, wie handfeste Pekinger Propaganda den chinesischen Nationalstolz ausnutzt um gegen westliche Medien zu agieren. Trotz böser Briefe – von sachlicher Kritik bis hin zu wüsten Beschimpfungen und Drohungen besteht er auf der Position des unvoreingenommenen Journalisten. Man versuche beiden Seiten gerecht zu werden, das Problem bestünde aber darin, dass es ein „vollkommen anderes Verständnis“ der Situation im Westen und in China gebe. Stellt sich noch zusätzlich die Frage, ob Neutralität existieren kann in einer solchen Situation.



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