Arzt: Massenflucht von KSK-Soldaten wegen „Verlust der moralischen Identität“

Anfeindungen der vergangenen Jahre und die Reaktion darauf von Politik, Vorgesetzten und eigenem Umfeld haben im Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr zu hohem Krankenstand geführt. „Großen terroristischen Lagen“ wäre es derzeit nicht gewachsen.
Von 8. März 2021

Derzeit sollen rund 100 von etwa 1.600 Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) psychologische oder seelsorgerische Unterstützung bekommen oder sich im Krankenstand befinden.

Dies berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Berufung auf einen Sprecher der Bundeswehr, der sich am Freitag (5.3.) dazu geäußert hat. Dem „Focus“ zufolge hätte sich bislang sogar bis zu einem Drittel aller Kommandosoldaten der Eliteeinheit in Behandlung befunden – viele davon infolge von „Moral Injury“.

Krankenstand infolge tiefgreifenden Vertrauensverlustes

Was die Militärmedizin unter „Moral Injury“ versteht, geht tiefer als das bekannte „L.m.a.A.“-Syndrom, das Arbeitnehmer entwickeln, die sich mit ihrem Betrieb oder ihrer Aufgabe nicht mehr identifizieren und in den „Dienst nach Vorschrift“ flüchten. „Moral Injury“ ist der Ausdruck eines tiefgreifenden Vertrauensverlustes, oft infolge traumatischer Erlebnisse, die grundlegende moralische Überzeugungen und Erwartungen in Zweifel ziehen.

Diese Form der seelischen Störung habe nun auf breiter Ebene auch im KSK Platz gegriffen. Auslöser dafür, so erklärt ein behandelnder Facharzt für Psychiatrie gegenüber dem Focus, sei ein „Verlust der moralischen Identität, hervorgerufen durch ständige Schuldzuweisungen aus der Öffentlichkeit und Vertrauensentzug militärischer Vorgesetzter“.

Öffentliche Maßregelungen statt Solidarität

Fälle rechtsextremistischer Umtriebe einzelner Soldaten und Berichte über entwendete Gefechtsmunition, die ein Unteroffizier in seinem Garten vergraben haben soll, hatten heftige und zum Teil pauschalisierende Kampagnen in den Medien zur Folge, die häufig unterschiedslos die gesamte Truppe in die Nähe des Extremismus rückten.

Vonseiten der Truppenführung und der Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kam aus Sicht vieler Soldaten zu wenig Solidarität. Stattdessen erlebten die Angehörigen der Truppe, die häufig auch in lebensgefährliche Einsätze involviert ist, öffentliche Maßregelungen, Drohungen wie jene einer Auflösung des Standortes oder der Truppe selbst – und „Anfeindungen aus dem zivilen und privatem Umfeld“, wie der Bundeswehrsprecher angab, mit dem das Magazin gesprochen hatte.

Truppe nur beschränkt einsatzfähig

Während dieser versichert, dass trotz der aktuellen Therapiebedürftigkeit von 80 der 280 im Antiterrorkampf ausgebildeten Elitesoldaten und insgesamt hoher Krankenstände das KSK „weiterhin einsatzbereit“ sei, ist sich der frühere KSK-Hauptmann Oliver Schneider dessen nicht ganz so sicher. Er erklärte gegenüber Focus:

„Psychisch angeschlagene Kameraden kann man nicht mit in den Einsatz nehmen. Großen terroristischen Lagen ist das KSK derzeit nicht gewachsen.“

KSK-Angehörige sehen „Lebenswerk in Gefahr“

Gegenüber dem „Tagesspiegel“ wollte ein Sprecher der Bundeswehr „aus Gründen der operativen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ keine exakten Angaben über die Anzahl einsatzfähiger Soldaten machen. Allerdings räumte er ein, die „aktuelle Diskussion um das Kommando Spezialkräfte wirkt sich natürlich auf das innere Gefüge des Verbandes aus“. Viele Angehörige der vor 25 Jahren gebildeten Truppe sähen „ihr Lebenswerk in Gefahr“.

(Mit Material der dpa)



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