Baerbock, Merz und Gysi wollen nach Kiew

Staats- und Regierungschefs westlicher Staaten geben sich in Kiew seit Wochen die Klinke in die Hand. Hochrangige deutsche Politiker waren noch nicht darunter. Jetzt ändert sich das.
Außenministerin Annalena Baerbock ist per Video der ARD-Sendung «Anne Will» mit dem Thema «Panzer ins Kriegsgebiet - wohin führt Deutschlands Ukraine-Politik?» zugeschaltet.
Außenministerin Annalena Baerbock ist per Video der ARD-Sendung «Anne Will» mit dem Thema «Panzer ins Kriegsgebiet - wohin führt Deutschlands Ukraine-Politik?» zugeschaltet.Foto: Dietmar Gust/NDR/dpa
Epoch Times2. Mai 2022

Nach der Absage des Kiew-Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will nun Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als erstes Regierungsmitglied seit Kriegsbeginn in die ukrainische Hauptstadt reisen. „Ja, ich werde auch reisen“, sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Sie habe die Reise bereits nach Bekanntwerden der Kriegsverbrechen im Kiewer Vorort Butscha geplant. Sie wollte dann aber zunächst dem Bundespräsidenten den Vortritt lassen, der dann aber „leider“ wieder ausgeladen worden sei. Das heiße aber nun nicht, „dass ich in Zukunft nicht fahren werde“.

Bereits am Wochenende war bekanntgeworden, dass auch Oppositionsführer Friedrich Merz eine Kiew-Reise plant. Der Linken-Außenpolitiker Gregor Gysi will ab Dienstag sogar fast eine ganze Woche in die Ukraine – und das ohne Genehmigung des Bundestags und ohne Personenschutz durch das Bundeskriminalamt. Von Dienstag bis Sonntag werde er neben der Hauptstadt Kiew auch die Vororte Butscha und Irpin sowie die westukrainische Stadt Lwiw besuchen, teilte sein Fraktionssprecher Michael Schlick mit. Begleitet wird er vom Kandidaten der Linken bei der Bundespräsidentenwahl im vergangenen Februar, Gerhard Trabert.

Steinmeier war nicht willkommen

Zu möglichen Reiseplänen von Bundeskanzler Olaf Scholz hielt sich Regierungssprecher Steffen Hebestreit weiter bedeckt. Reisen des Bundeskanzlers würden erst kurz vorher bekanntgegeben, sagte er lediglich. Seit Kriegsbeginn vor gut zwei Monaten sind schon mehrere EU-Staats- und Regierungschefs nach Kiew gereist, um ihre Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Land zu bekunden. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und UN-Generalsekretär Antonio Guterres waren schon dort.

Steinmeier wollte Mitte April mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda und den Staatschef der drei baltischen Staaten nach Kiew reisen, wurde dann aber wenige Stunden vor der geplanten Abreise wieder ausgeladen. Das hatte in Deutschland für Empörung gesorgt und die Chancen für eine Kanzler-Reise nach Kiew nicht gerade erhöht. Die Ausladung sei „etwas irritierend, um es höflich zu sagen“, sagte Scholz damals. „Der Bundespräsident wäre gerne in die Ukraine gefahren. (…) Deswegen wäre es auch gut gewesen, ihn zu empfangen.“

Aus Deutschland waren bisher nur Bundestagsabgeordnete seit Kriegsbeginn in der Ukraine – und die auch nicht in der Hauptstadt Kiew. Die drei Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa – Michael Roth (SPD), Agnes-Marie Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) – reisten nach Lwiw in der Westukraine und verbanden ihren Besuch mit der Forderung nach Lieferung schwerer Waffen.

Merz und Gysi ohne Personenschutz

Strack-Zimmermann betonte bei „Anne Will“, wie wichtig eine gute Vorbereitung einer solchen Reise ist. „Das ist ja keine Kaffeefahrt, wer ist zuerst da und macht die besten Fotos“, sagte sie „Ich glaube, dass der Kanzler sich da nicht treiben lässt.“ Wenn man fahre, dann müsse man auch etwas mitbringen. „Das heißt: Man muss sehr konkret sein.“

Baerbock wird nun möglicherweise als erstes Mitglied der Bundesregierung seit Kriegsbeginn Kiew besuchen. Einen Termin für eine Reise nannte sie ebenso wenig wie Merz. Der CDU/CSU-Fraktionschef twitterte am Montag, dass das Bundeskriminalamt von seinem Büro über eine mögliche Reise nach Kiew informiert worden sei. „Eine Begleitung durch das BKA habe ich nicht angefordert und ist vom BKA auch nicht angeboten worden.“ Zuvor hatte der „Tagesspiegel“ berichtet, dass das BKA Merz von der Reise abgeraten habe.

Auch Gysi reist ohne das BKA. Fraktionssprecher Schlick sagte, Bundeskriminalamt und Bundestagspräsidium hätten der dreiköpfigen Delegation, der neben Gysi und Trabert auch er selbst angehört, eine eintägige Reise vorgeschlagen. Das habe man aber abgelehnt und reise nun ohne BKA-Schutz und ohne Genehmigung des Bundestags.

Weiter Kritik aus der Union an Scholz

Geplant seien Besuche von Krankenhäusern, Notkliniken und Gespräche mit Vertretern von Hilfsorganisationen. Treffen mit ukrainischen Parlamentariern oder der Regierung in Kiew sind bisher nicht geplant. Gysi habe den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk um die Vermittlung von Gesprächen gebeten, aber keine Antwort erhalten, erklärte Schlick. „Die Mitglieder der Delegation bedauern dies, lassen aber deshalb die Reise nicht ausfallen, weil die humanitäre Hilfe wichtiger ist.“

Trabert will einer Klinik ein vom Verein „Armut und Gesundheit in Deutschland“ gespendetes Dermatom zur Transplantation von Haut übergeben. An Hilfsorganisationen würden von diesem Verein 20.000 Euro und 6000 Euro der Fraktion und von Einzelpersonen übergeben.

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sprach in der ARD-Sendung „Anne Will“ mit Blick auf die geplante Merz-Reise von einem wichtigen Zeichen. CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn rief Scholz auf, wie der Oppositionsführer in die Ukraine zu reisen. „Worten müssen auch Taten folgen“, sagte Hahn den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). „Wer wie der Bundeskanzler die Zeitenwende ausruft, und danach über Wochen ständig abtaucht, hinterlässt nicht nur bei den Verbündeten ein ungutes Gefühl.“ (dpa/red)



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