Bauernpräsident warnt vor Niedergang der Tierzucht in Deutschland

Vor dem Beginn der Grünen Woche in Berlin kritisiert der Bauernverband die Pläne von Agrarminister Özdemir zur Regulierung der Schweinehaltung. Reichlich Kritik gibt es auch am neuen Tierwohllabel.
Titelbild
In Freilandhaltung fühlen sich Schweine pudelwohl.Foto: IStock/Astrid860
Von 20. Januar 2023

Im Vorfeld der „Internationalen Grünen Woche“ in Berlin (20. bis 29. Januar) warnt der Bauernverband vor einem Niedergang der Tierzucht in Deutschland. „Wir sind dabei, den Tierhaltungsstandort Deutschland zu zerstören“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der „Augsburger Allgemeinen“.

Die deutsche Politik nehme Landwirten mit geplanten Gesetzesverschärfungen und mangelnder Finanzierung beim Umbau der Tierhaltung die Zukunftsperspektive. Damit schade sie dem gemeinsamen Ziel nach mehr Tierwohl.

So gelingt der Umbau nicht

„Wir stehen ganz klar zu einer Weiterentwicklung der Landwirtschaft hin zu noch mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl“, betonte Rukwied. „Aber mit den aktuell vorgelegten Gesetzentwürfen und Eckpunkten wird der Umbau der Tierhaltung nicht gelingen.“

Statt anerkannte frühere Pläne umzusetzen, würden Konzepte zerstückelt und halbherzig umgesetzt, kritisierte der Bauernpräsident. „Dadurch nimmt die Politik unseren Tierhaltern Zukunftsperspektiven und konterkariert das selbst gesteckte Ziel: mehr Tierwohl.“

Im vergangenen Jahr ging nach Angaben des Bauernpräsidenten die Zahl der schweinehaltenden Betriebe um 1.900 auf 16.900 zurück. Es gebe eine massive Verlagerung ins Ausland: „Während die Zahl der Schweine in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 5,8 Millionen zurückging, ist sie in Spanien um 7,4 Millionen gestiegen.“

Verbraucher müssen Wunsch signalisieren

Rukwied appellierte zugleich an Verbraucherinnen und Verbraucher, beim Einkauf zu zeigen, „dass ihnen ihr Wunsch nach regionalen Lebensmitteln auch etwas wert ist“. Mehr Tierwohl habe auch einen höheren Preis an der Ladentheke.

„Wenn die Verbraucher diesen Weg nicht mitgehen, wird der Umbau der Tierhaltung nicht gelingen.“ Der Bauernpräsident bekräftigte zudem seine Kritik am geplanten Tierwohllabel. Unter anderem seien die geplanten Förderobergrenzen inakzeptabel. „Es brodelt in der Branche, seit die Vorschläge auf dem Tisch liegen“, kommentierte Rukwied gegenüber dpa die Bedingungen eines künftigen Förderprogramms.

Eine Milliarde Euro reicht nicht

Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) wies die Kritik zurück. Im Bundestag kommt das Konzept für ein staatliches Haltungslogo für Fleisch auf einen Expertenprüfstand. Bis 2026 will die Ampel-Koalition den Wandel mit einer Milliarde Euro vorantreiben. Mit dem Geld will die Regierung die Bauern unterstützen, damit sie nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben.

So sollen Schweinehalter Geld für Investitionen in Ställe und artgerechtere Haltung bekommen, also etwa Stroh. Der Betrag reicht vorn und hinten nicht, weiß Özdemir. Mehr sei aber bisher mit der FDP nicht zu machen.

Verpflichtendes Siegel

Özdemir will ein staatliches Siegel für unverarbeitetes Schweinefleisch, das Landwirte unterstützen soll, die ihren Tieren mehr Platz geben als vorgeschrieben. Anders als bei bisherigen Siegeln soll der neue Aufkleber verpflichtend sein, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“.

So könne jeder beim Kauf von Schweinefleisch erkennen, unter welchen Bedingungen die Tiere gemästet wurden. „Der Endverbraucher kann durch die Einführung einer verbindlichen Kennzeichnung bewusst Haltungsformen wählen, die sich vom gesetzlichen Mindeststandard abheben und den Tieren Möglichkeiten bieten, arteigenes Verhalten in höherem Maße auszuführen“, heißt es in Özdemirs Gesetzentwurf.

Fünf Stufen der Haltung

Niedrigste Stufe soll die Bezeichnung „Stall“ sein. Dabei müssen Tierhalter ihren Schweinen nur gesetzliche Mindeststandards bieten. Die zweite Stufe ist die Haltungsform „Stall + Platz“. Dabei muss es für die Tiere 20 Prozent mehr Raum, etwas Abwechslung geben. Der „Frischluftstall“ (Stufe drei) erlaubt den Tieren auch, mal das Wetter zu spüren und „Umwelteindrücke“ zu sammeln. „Auslauf/Freiland“ heißt die Stufe vier. Um sie zu erreichen, müssen Züchter eine für die Schweine erreichbare Außenfläche anbieten. Oberste Stufe ist das Label „Bio“.

Bei konventionellen Schweinehaltern ist der Ärger groß über die geplante Kennzeichnungspflicht. Das Fleischlabel führt ihrer Ansicht nach zu mehr Bürokratie. Auch fördere es die Ungleichbehandlung heimischer Betriebe gegenüber ausländischen. Denn mehr Platz zu schaffen oder Ställe umzubauen, kostet Geld. In anderen Ländern gälten solche Vorschriften hingegen nicht.

Verband spricht von Mogelpackung

Die Branchenvertreter kritisieren zudem, dass das Tierhaltungslabel nur für Mastschweine gelten soll. Gemeint sind damit Tiere, die schon um die 30 Kilo wiegen und meistens aus dem Ausland zugekauft werden, um sie dann in Deutschland zu mästen. Ihr Fleisch könnte bei entsprechender Stallgröße in Deutschland trotzdem noch eine hohe Stufe bei Özdemirs Kennzeichnung erreichen. Dabei sei die Behandlung am ursprünglichen Aufzuchtort unerheblich. So könne es durchaus sein, dass die Schweine nicht artgerecht gehalten oder ohne Betäubung kastriert wurden, gibt der Deutsche Bauernverband zu Bedenken. Özdemirs Vorhaben sei eine Mogelpackung und habe ein immenses Glaubwürdigkeitsproblem.

Tiertransporte nicht berücksichtigt

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sieht das Vorhaben des grünen Ministers ebenfalls kritisch: „Ein reines Einsortieren der Tierhaltung in bestimmte Kategorien erzeugt noch keinen Anreiz für Betriebe, ihre Ställe in artgerechtere Haltungssysteme umzubauen“, heißt es in der Stellungnahme. Der Verband fordert „finanzielle Anreize“. Sauen und Ferkel müssten bei der Fleischkennzeichnung ebenfalls berücksichtigt werden. Kritisiert wird auch, dass das Siegel nur für Schweine gilt, nicht aber für Rinder oder Geflügel. Dass Tiertransporte keine Berücksichtigung finden, stößt ebenfalls auf Unverständnis. Zudem stellte sich den Landwirten die Frage, warum Özdemir konventionelle Tierhalter zu teuren Investitionen drängt, während Biobetriebe automatisch das beste Haltungssiegel bekommen.

Putenhaltung im Visier

Özdemir weist darauf hin, dass seine Pläne nur ein erster Schritt sind. Auch müsse Brüssel die Kennzeichnungspflicht genehmigen. Würde er sie auf andere Nutztiere in allen Lebensphasen ausdehnen, sei das Vorhaben zum Scheitern verurteilt.

Allerdings hat sich Özdemir bereits die nächste Nutztierart vorgenommen – und erntet auch dafür heftige Kritik. So will der Minister auch die Putenhaltung in Deutschland verschärft reglementieren, wie Epoch Times berichtete. Die Pläne des Ministeriums würden demnach dazu führen, dass Mastbetriebe künftig deutlich weniger Tiere pro Stall halten könnten. Die Unternehmensgruppe Heidemark, einer der größten deutschen Produzenten und Vermarkter von Geflügelprodukten, sieht in der Neuregelung eine Gefahr für die deutsche Landwirtschaft. Auf Anfrage teilte ein Pressesprecher des Unternehmens der Epoch Times mit, dass dadurch der „ländliche Bereich förmlich ausbluten würde“. Nach Umsetzung der geplanten Eckpunkte gebe es in Deutschland die weltweit schärfsten Haltungsanforderungen für Mastputen.



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