Belastung durch Bürokratie so hoch wie nie

Der Normenkontrollrat rät der Regierung zu mehr Mut und weniger Mikromanagement. Die Ampel-Koalition müsse ihre Gesetzgebung in Zukunft „weniger, einfacher, digitaler“ gestalten.
Überkomplexe Gesetze lähmen Deutschland: Der Ruf nach einer Föderalismusreform und vereinfachten Prozessen wird lauter.
Überkomplexe Gesetze lähmen Deutschland: Der Ruf nach einer Föderalismusreform und vereinfachten Prozessen wird lauter.Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Epoch Times20. November 2023

Die durch neue Gesetze verursachten Bürokratie-Lasten haben im zurückliegenden Jahr ein Rekordniveau erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt der Normenkontrollrat (NKR) in seinem aktuellen Jahresbericht, der an die Bundesregierung übergeben wurde. Das unabhängige Gremium untersucht alljährlich den Zeitaufwand und die Kosten, die durch neue Bundesgesetze entstehen.

Dabei hatte sich doch die Ampel-Koalition – allen voran Bundesjustizminister Marco Buschmann – von Anfang an den Abbau bürokratischer Hemmnisse auf die Fahnen geschrieben. Eine Trendwende sei auch bereits eingeleitet, beteuert Buschmann, der den Bericht in Berlin entgegennahm.

Buschmann räumt ein, das Ausmaß der Belastung sei inzwischen so, „dass man es nicht weiter akzeptieren kann“. Vorschlägen von Verbänden, Behörden bei Anträgen etwa eine Drei-Monats-Frist für die Nachforderung von Unterlagen und Nachweisen zu setzen, stehe er „grundsätzlich sehr offen gegenüber“, sagte Buschmann.

Als „Ärgernis“ bezeichnet der FDP-Politiker, dass die Frist zur Prüfung von Entwürfen vor einer Verabschiedung im Kabinett bei einigen der 2022 und 2023 beschlossenen Gesetze zu kurz gewesen sei. Schließlich sei eine solche Prüfung durch sein Ministerium auch ein Beitrag zur „Qualitätssicherung“.

Vor allem Energiegesetze zu kompliziert

In dem nun vorgelegten Bericht, der den Zeitraum von Juli 2022 bis Juni 2023 umfasst, heißt es: „Gegenüber den Vorjahren ist die aus Bundesrecht stammende Belastung von Unternehmen, Behörden und Bevölkerung stark gewachsen – um 9,3 Milliarden Euro pro Jahr und einmalig um 23,7 Milliarden Euro.“ Der größte Kostentreiber sei dabei das Gebäudeenergiegesetz gewesen, mit dem allerdings auch ein großer zukünftiger Nutzen verbunden sei.

Die Gas- und Strompreisbremse sei „wahnsinnig kompliziert aufgesetzt worden“, kritisiert die stellvertretende NKR-Vorsitzende, Sabine Kuhlmann. Ein Zuwachs an Bürokratieaufwand ergab sich laut Bericht unter anderem auch durch Regelungen zum Mindestlohn und zur Ganztagsförderung für Kinder im Grundschulalter.

Wenn überkomplexe Gesetze von einer Verwaltung umgesetzt werden sollten, die unter Personalmangel und Verzögerungen bei der Digitalisierung geprägt sei, nehme die Überlastung besorgniserregende Ausmaße an, warnt der NKR-Vorsitzende, Lutz Goebel.

Er fordert in der Gesetzgebung „mehr Mut zur Lücke“. Die Bundesregierung müsse sich verabschieden von der Vorstellung, mit einem Gesetz jeden einzelnen Fall zu berücksichtigen, sonst drohe die extreme Komplexität eines Tages nicht nur lähmenden Stillstand zu verursachen, sondern Unregierbarkeit. Goebel fügt hinzu: „Hätten wir leistungsfähigere Strukturen, würde ein Mehr an Regulierung vielleicht weniger ins Gewicht fallen.“ Dringend notwendig sei zudem eine neue Föderalismusreform.

Licht und Schatten

Positiv hebt Goebel hervor, dass das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen zumindest erkannt habe, dass vereinfachte Prozesse notwendig seien, um die von der Regierung angestrebte „Grüne Transformation“ in die Tat umzusetzen. Auch das Bürokratieentlastungsgesetz, zu dem Buschmann Anfang Dezember einen Entwurf vorlegen will, dürfte seiner Einschätzung nach eine positive Wirkung entfalten, ebenso das Wachstumschancengesetz. Gut sei auch die Idee, gemeinsam mit Frankreich die Entlastung auf EU-Ebene voranzubringen.

NKR-Vize Kuhlmann sagt, es mangele der Bundesregierung, was den Bürokratieabbau angehe, nicht an Erkenntnis, sondern an praktischer Umsetzung. Kritisch beurteilt sie etwa die ersten Überlegungen der Bundesregierung zur Kindergrundsicherung. Diese liefen zumindest für die Verwaltung nicht auf eine Vereinfachung hinaus, da nach den jetzigen Plänen „eine Vielzahl von Behörden“ mit dem Vollzug beschäftigt wäre.

Der Deutsche Richterbund (DRB) blickt angesichts des drohenden bürokratischen Aufwands mit Skepsis auf ein anderes Vorhaben der Koalition von SPD, Grünen und FDP: Die Legalisierung von Cannabis, über die derzeit im Bundestag beraten wird. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagt, das Cannabisgesetz sei ein Beispiel für ein „Bürokratiemonster“ und dadurch eine große Herausforderung für Ordnungsbehörden, Polizei und Justiz.

Auch insgesamt sei aktuell eher „eine Tendenz zu Mikromanagement und kleinteiligen, immer detaillierteren Gesetzen zu beobachten, die am Ende auch die Gerichte beschäftigen und zusätzlich belasten“, findet Rebehn. (dpa/dl)



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