Berlins Staatsschutzleiterin berichtet von desolater Personalsituation

Aufarbeitung des Attentates auf dem Berliner Weihnachtsmarkt: Überlastetes Personal und falsche Lageeinschätzung im BKA.
Titelbild
BKA-Mitarbeiter im Terrorismusabwehrzentrum in Berlin (Symbolbild).Foto: Bernd Settnik/Archiv/dpa
Epoch Times26. Januar 2018

In den Monaten vor dem Terroranschlag vom Breitscheidplatz herrschten in den für Islamismus-Bekämpfung zuständigen Abteilungen des Berliner Landeskriminalamts (LKA) offenbar desolate Zustände. Die Leiterin der Staatsschutzabteilung 5, Jutta Pozurcek, berichtete am Freitag im Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses von einer „permanent angespannten Arbeitsbelastungs- und Personalsituation“.

Pozurcek sagte, die Zahl der dennoch erfolgten Personalverstärkungen habe gezeigt, „dass der Umfang der Dramatik nicht erkannt wurde“. Ausgerechnet am Nachmittag vor dem Anschlag am 19. Dezember 2016 fand demnach eine „ungewöhnliche“ Sonderbesprechung mit dem LKA-Leiter Christian Steiof statt. Dabei habe Pozurcek alle Mitglieder des höheren Dienstes der Staatsschutzabteilung eingeladen, Steiof persönlich ihre Eindrücke zu schildern.

Damit habe sie auf die Unzufriedenheit in ihrer Abteilung reagiert, nachdem mehrere schriftliche und mündliche Überlastungsanzeigen folgenlos geblieben seien, sagte die 55-Jährige. Die Berliner Polizei machte am Freitag öffentlich, dass zwischen Oktober 2015 und Ende Januar 2016 mindestens drei Überlastungsanzeigen in den für Islamismusbekämpfung zuständigen Komissionen des LKA verfasst worden sind.

Die Aufarbeitung des Attentats mit zwölf Toten und rund 70 Verletzten hat eine Vielzahl an Ermittlungspannen und Fehleinschätzungen ans Licht gebracht. Der Amri-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hatte im vergangenen Juli seine Arbeit aufgenommen, um sich vor allem mit möglichen Fehlern im Umgang mit dem Attentäter zu befassen.

Das Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalens warnte einem ehemaligen Abteilungsleiter zufolge frühzeitig vor der Gefährlichkeit Amris. „Mir ist keine Person erinnerlich, die ich ähnlich kritisch gesehen hätte“, sagte der frühere Staatsschutzabteilungsleiter Klaus-Stephan Becker vor dem Untersuchungsausschuss. Dennoch sei ein Anschlag durch Amri vom Bundeskriminalamt (BKA) als eher unwahrscheinlich eingestuft worden.

Amri war den LKA-Beamten der Ermittlungskommission Ventum aufgefallen, die sich gegen das Umfeld des Islamisten-Predigers Abu Walaa richtete. In den Ventum-Ermittlungen sei Amri nicht als Beschuldigter sondern als Nachrichtenmittler geführt worden. Unabhängig davon habe das Düsseldorfer LKA Amri im Februar 2016 als Gefährder eingestuft und Erkenntnisse im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GtaZ) von Bund und Ländern geteilt.

Er und der Leiter der Ermittlungskommission Ventum seien überzeugt gewesen, dass von Amri eine zumindest abstrakte Gefahr ausgehe, sagte Becker. Dagegen habe das BKA Amri in seiner Gefährdereinschätzung auf der relativ niedrigen Stufe fünf von acht angesiedelt, wonach ein schädigendes Verhalten in der Zukunft als eher unwahrscheinlich einzuschätzen ist.

Wie Becker weiter ausführte, hatte seine Abteilung im Februar in einem Bericht an den Generalbundesanwalt angeregt, gegen Amri ein Verfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat einzuleiten. Das Verfahren kam nicht zustande. (afp)



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