„Bilanzfälschung in erheblichem Umfang“ – Anzeige gegen Bundesbank

Eine Anzeige wegen „Bilanzfälschung“ hat Investor Hans Albrecht gegen das Direktorium der Deutschen Bundesbank erstattet. Hintergrund ist die Höhe der sogenannten Target2-Salden. Deren Bedeutung ist unter Ökonomen umstritten.
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Weist die Bundesbank die Target2-Salden zu Unrecht in ihren Bilanzen aus? Investor Hans Albrecht will diese Frage einer Klärung durch die Justiz zuführen. Gebäude der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main.Foto: Silas Stein/dpa/dpa
Von 3. Oktober 2023

Der Münchner Investor Hans Albrecht hat Strafanzeige gegen das Direktorium der Bundesbank erstattet. Dies teilt der bekannte Ökonom Daniel Stelter in einem Beitrag für den „Cicero“ mit. Der Gründer der Private-Equity-Gesellschaft Nordwind Capital wirft der deutschen Notenbank Bilanzfälschung „in erheblichem Umfang“ vor. Der Vorwurf gründet sich dabei auf die Höhe der sogenannten Target2-Salden in deren Bilanz – und die Aussage eines EZB-Präsidiumsmitglieds.

Höhe entwickelte sich kontinuierlich nach oben

Immerhin 42 Prozent der Bilanzsumme der Bundesbank im Jahr 2022 entfiel auf Target2-Salden. In Zahlen ausgedrückt waren es 1.270 Milliarden Euro. Über die Jahre hinweg haben sich die Monatsdurchschnittswerte nach oben entwickelt. Im Juni 2008 hatte die Nettoposition Bargeld und Einlagen aus Target2 noch bei 91.250.626 Euro gelegen. In der Zeit der Eurokrise stieg diese auf mehr als 738 Millionen an.

Seit 2014 sind die Salden kontinuierlich im Steigen begriffen – abgesehen von kurzfristigen Abwärtsbewegungen im Vorfeld der Corona-Krise. Auch im bisherigen Verlauf des Jahres 2023 haben sich die monatlichen Durchschnittssalden verringert. Täglich werden über Target2 im Euroraum jedoch Zahlungen in Höhe von 1.700 Milliarden Euro abgewickelt.

Bei Target2 handelt es sich um ein Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem für nationale oder grenzüberschreitende Zahlungen in Euro. Die Zentralbanken von Deutschland, Frankreich und Italien hatten es entwickelt. Es soll den Zahlungsverkehr zwischen EU-Zentralbanken und Banken innerhalb und außerhalb der EU ermöglichen. Als Clearingstelle ist dabei die Europäische Zentralbank (EZB) vorgesehen.

Kontokorrentsystem mit multiplen Beteiligten

Ähnlich wie bei einem Kontokorrentsystem entstehen bei jeder Transaktion zwischen den beteiligten Akteuren auch bei Target2 Guthaben und Verbindlichkeiten. Tätigt eine Bank eine Zahlung im Auftrag eines Kunden, wird das Guthaben des zahlenden Instituts entsprechend reduziert, während das Guthaben des empfangenden Instituts erhöht wird.

Diese Guthaben und Verbindlichkeiten werden in den Büchern der Zentralbanken im Euroraum erfasst und verwaltet, um sicherzustellen, dass die Abwicklung der Zahlungen korrekt erfolgt. Die Verzinsung der Salden erfolgt mit dem Hauptrefinanzierungssatz des Eurosystems.

In der Zeit der Eurokrise im Sommer 2012 waren die so entstandenen Forderungen und Verbindlichkeiten die größten Posten in den Bilanzen der meisten Zentralbanken des Eurosystems. Die Bundesbank selbst erklärt dazu, der Saldo werde im Wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst. Zum einen seien dies die Geschäfte der Kreditinstitute am Geld- und Kapitalmarkt selbst, zum anderen aber auch Transaktionen des Nicht-Banken-Sektors, der Zahlungen über das Bankensystem leiste.

Target2-Salden als „reine Verrechnungsposten“ …

Demgegenüber hatte das derzeitige EZB-Präsidiumsmitglied Isabel Schnabel 2019 bei einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages eine eigene Bewertung der Target2-Salden vorgenommen. Sie vertrat damals die Auffassung, dass es sich bei diesen um keine Kredite, sondern um „Konventionen“ handele. Deren „fairer Wert“ liege jedoch bei „null“. Wäre dies der Fall, so argumentiert nun Hans Albrecht, würde die Bundesbank Posten in der Bilanz ausweisen, denen keine reale Substanz zukäme.

Die Debatte ist nicht neu, und sie gründet sich auf unterschiedliche Einschätzungen von Ökonomen hinsichtlich der Bedeutung der Salden. Wie die „Tagesschau“ darstellt, gibt es die Auffassung, wonach es sich bei Target2-Salden um „reine Verrechnungsposten“ oder bloße „Gegenbuchungen im Rahmen des Zahlungsverkehrs“ handele.

Da diese Rechnungsposten für einen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in der Eurozone erforderlich seien, müsse man mit diesen eben operieren. Dieser Position neigt offenbar auch Isabel Schnabel zu.

… oder „öffentlicher Überziehungskredit“ mit potenziellem Risikotransfer?

Demgegenüber neigen andere Ökonomen der Auffassung zu, die Target2-Salden seien Ausdruck eines „öffentlichen Überziehungskredits“. Damit sei ein potenzieller Risikotransfer eingebaut, und die Bundesbank sei es, die anderen Ländern des Euroraumes einen solchen gewähre.

Vor allem die notorisch von Schulden geplagten südeuropäischen Länder würden davon profitieren – und könnten die Salden über das Drucken von Geld mittels ihrer Notenbanken sogar manipulieren. Target2-Verbindlichkeiten seien demnach Ausdruck in den betreffenden Ländern gedruckten Geldes.

Mittels desselben erwerbe man Vermögenstitel wie Aktien, Staatsanleihen oder Immobilien oder bezahle Kredite zurück. Zudem hinterlege man dafür Sicherheiten, auf die es keinen direkten Zugriff der Bundesbank gebe.

Target2-Salden nicht das einzige Risiko bei Erschütterung der Eurozone

Beide Positionen sind sich jedoch darin einig, dass die Target2-Salden spätestens in jenem Moment reale Bedeutung erlangten, da die Währungsunion ende oder ein Land austrete. Würde beispielsweise Italien als Land mit negativem Saldo die Eurozone verlassen, hätte die EZB eine Forderung gegenüber der Zentralbank des Landes.

Sollte sich diese jedoch als uneinbringlich erweisen, müssten die übrigen Eurozonen-Zentralbanken die Verluste entsprechend ihrem Anteil am Eigenkapital der EZB tragen. Die Bundesbank wäre demnach zu 26 Prozent betroffen – und in letzter Konsequenz würde der deutsche Steuerzahler haften.

Die Target2-Salden wären insbesondere für eine Exportnation wie Deutschland in einem solchen Fall nicht die einzigen Risiken. Ein aufgebautes hohes Auslandsvermögen sei ein ähnlicher Faktor, der Abhängigkeit erzeuge.

Privilegierung von Staaten als Kreditnehmer beenden

Generell sind sich die meisten Ökonomen in Deutschland darüber einig, dass die Target2-Salden tendenziell geringer werden sollten. Dies würde in jedem Fall auch die Gefahren eines potenziellen Forderungsausfalls reduzieren.

Isabel Schnabel wies in ihrer Stellungnahme von 2019 jedoch auch darauf hin, dass der Target2-Saldo nicht zwingend als „Fieberthermometer“ des Finanzsystems tauge. Die Finanzkrise von 2008 habe gezeigt, dass sich die Risiken im Finanzsystem bereits zu einem Zeitpunkt aufgebaut hätten, da Target2 erst in den Kinderschuhen steckte.

Zudem wurde auch die Forderung nach einer Entprivilegierung von Staatsanleihen laut. Prof. Dr. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel hatte diese bereits im Finanzausschuss erhoben:

In der langen Frist sollte angestrebt werden, dass Staaten als Kreditnehmer nicht anders behandeln (sic) werden als Private auch. Das heißt, es kann nicht sein, dass Staaten von vorherein (sic) als risikolose Kreditnehmer gelten. Demzufolge muss heute noch kein Eigenkapital hinterlegt werden, wenn sich Banken in der Staatsfinanzierung engagieren.“

Auch das Großkreditrisiko spiele in diesem Zusammenhang eine Rolle. Es sei sicherzustellen, dass Großschuldner ihre Verbindlichkeiten im Wesentlichen auf einen einzigen Kreditgeber verteilen. Es würde Risiken reduzieren, wären jeweils mehrere Kreditgeber mit kleineren Beträgen an einer Großfinanzierung beteiligt.



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