„Bild“: CDU-Niedergang ist hausgemacht – „Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht“

Die CDU ist die große Verliererin der Landtagswahlen in Thüringen. Der Parlamentsredakteur der „Bild“-Zeitung, Ralf Schuler, sieht darin die Konsequenz eines politischen Kurses unter Angela Merkel, der den bürgerlichen Markenkern der Partei preisgab.
Von 28. Oktober 2019

In einem Kurzkommentar für die „Bild“ hat der Leiter ihrer Parlamentsredaktion, Ralf Schuler, die Strategie der Merkel-CDU für gescheitert erklärt. War es zu Beginn der Großen Koalition, die – mit einer Unterbrechung von 2009 bis 2013 – seit fast 14 Jahren Deutschland regiert, vor allem die SPD gewesen, die an die politischen Ränder und ins Lager der Nichtwähler verlor, ereilt das gleiche Schicksal nun auch die CDU.

„In Thüringen versinken gerade 24 Nachwende-Jahre CDU-Regierung im Schatten der Geschichte“, diagnostiziert Schuler in Anbetracht des Landtagswahl-Ergebnisses vom Sonntagabend (27.10.) im Freistaat. „Die SPD sitzt auf der Rutsche in den Keller der politischen Bedeutungslosigkeit. Und die Union fährt hinterher.“

Bis vor zehn Jahren noch mit absoluter Mehrheit regiert

In Thüringen hatte die CDU bis weit in die 2000er Jahre hinein Ergebnisse von deutlich über 40 Prozent erzielt. Im Jahr 1999 errang sie sogar eine absolute Stimmenmehrheit, 2004 bei 43 Prozent immer noch eine absolute Mandatsmehrheit. Im Jahr 2009 folgte der Absturz nahe an die 30-Prozent-Marke. Am gestrigen Wahlsonntag landete die CDU nach einem Verlust von 11,7 Prozent mit nur noch 21,8 Prozent nur noch auf dem dritten Platz – hinter der Linkspartei und der AfD, die CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring wenige Tage vor der Wahl noch im Antifa-Jargon beschimpft hatte.

Schuler weist darauf hin, dass Thüringen nicht das einzige Bundesland ist, in dem die CDU hinter Parteien des politischen Randes zurückgefallen ist: In Baden-Württemberg, wo man bis 1992 mit absoluter Mehrheit regiert hatte und bis 2016 noch stimmenstärkste Kraft geblieben war, hat die Union ihre Führungsrolle an die Grünen verloren.

Der Glanz der Kohl-Jahre sei endgültig verblasst, so Schuler:

Man muss es so klar sagen: Für die Partei von Helmut Kohl (†85) gibt es seit Jahren nur einen Trend: ABWÄRTS!“

Der „Bild“-Redakteur hat auch eine ganz klare Einschätzung dazu, wie es so weit kommen konnte. Die Union habe ihre Themenführerschaft und ihren Markenkern als bürgerliche Partei preisgegeben, um für immer mehr Parteien des linken Flügels zum potenziellen Koalitionspartner werden zu können.      

Schuler: Neuanfang muss auch personell untermauert werden

Mit dieser Taktik – die Bundeskanzlerin Angela Merkel immerhin einen Rückhalt in der deutschen Medienlandschaft sicherte, wie ihn Helmut Kohl nicht einmal am Vorabend der deutschen Einheit genoss – habe sich die Kanzlerin nach Einschätzung Schulers am Ende verspekuliert:

„Kanzlerin Merkels (CDU) Strategie der Rundum-Offenheit für bunte Bündnisse ist ebenso gescheitert, wie die Taktik der Übernahme grüner, roter und anderer Programme. Kurt Tucholsky hat recht: Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht!“

Jetzt noch Gedankenspiele über mögliche Kooperationen mit Linkspartei und AfD anzustrengen, würde die Union vom Regen in die Traufe führen, da damit ihr ehemals bürgerlicher Markenkern endgültig der Beliebigkeit anheimfallen würde. Die CDU würde damit verzichtbar. Deshalb wanderten auch die Wähler in alle erdenklichen Richtungen ab.

Der erforderliche Neuanfang könne nicht in den Händen der derzeitigen Entscheidungsträger liegen, resümiert der „Bild“-Redakteur. Er hält eine personelle Zäsur für unausweichlich:

Angela Merkel und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer können sich den (Ab)Wander-Pokal für diese Lage teilen. Das Steuer herumreißen müssen vermutlich andere.“



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