Schütze von Hamburg war ehemaliges Gemeindemitglied
Bei dem Tatverdächtigen für die mutmaßliche Amoktat in einer Hamburger Kirche der „Zeugen Jehovas“ handelt es sich offenbar um ein ehemaliges Gemeindemitglied. Das berichtet der „Spiegel“. Demnach soll der Verdächtige zwischen 30 und 40 Jahre alt sein.
Tatwaffe sei wohl eine Pistole gewesen. Unklar sei, ob sich die Waffe legal im Besitz des Mannes befand. Den Behörden sei er nicht als Extremist bekannt gewesen, schreibt das Nachrichtenmagazin. Die Behörden wollen am Freitagmittag weitere Details veröffentlichen.
Die Tat hatte sich am Donnerstagabend gegen 21 Uhr im Stadtteil Groß Borstel im Norden der Hansestadt ereignet. Die Polizei geht von einem Amoklauf durch einen Einzeltäter aus.
Bei den Schüssen in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg sind nach aktuellem Stand acht Menschen tödlich verletzt worden. Unter den Toten sei „offenbar auch der mutmaßliche Täter“, wie die Polizei Hamburg am Freitagmorgen auf ihrer Internetseite mitteilte. Zu der Anzahl an Verletzten gab es keine Angaben.
Scholz und Faeser äußern nach Blutbad in Hamburg Betroffenheit
Nach den tödlichen Schüssen in einer Kirche der Zeugen Jehovas in Hamburg haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag ihre Betroffenheit geäußert. Scholz schrieb im Onlinedienst Twitter von einer „schlimmen Nachricht aus Hamburg“. „Mehrere Mitglieder einer Jehova-Gemeinde sind gestern Abend einer brutalen Gewalttat zum Opfer gefallen, meine Gedanken sind bei ihnen und ihren Angehörigen – und bei den Sicherheitskräften, die einen schweren Einsatz hinter sich haben“, erklärte Scholz.
Faeser schrieb bei Twitter, sie sei „erschüttert über die furchtbare Gewalt in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg“. „Die Hintergründe werden mit Hochdruck ermittelt“, fügte sie hinzu.
Viele Details zu den tödlichen Schüssen bei der Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg sind noch unklar. Vor allem stellt sich die Frage nach dem Motiv für die Tat.
Augenzeugin berichtet von vier Schussperioden
Um 21:15 Uhr bekommt die Hamburger Polizei mehrere Anrufe aus dem Stadtteil Alsterdorf: Es seien Schüsse aus einem dreistöckigen Bürogebäude zu hören, in dem sich Zeugen Jehovas treffen. Eine Unterstützungseinheit für besondere Einsatzlagen ist zufällig in der Nähe und in wenigen Minuten am Tatort, wie Polizeisprecher Holger Vehren berichtet.
Die Beamten dringen in das Gebäude ein und finden mehrere Menschen mit Schussverletzungen. Dann hören sie aus dem Obergeschoss einen Schuss. In einem Raum liegt ein lebloser Mann. Die Polizei geht davon aus, dass er der Täter ist. Wie viele Menschen er verletzt und getötet hat, kann Vehren auch Stunden später nicht sagen.
„Ich habe gegen zehn vor neun Uhr mehrfach Schüsse vernommen. Die klangen sehr metallisch“, sagt Anwohnerin Lara Bauch. „Erst dachten wir, dass auf der Baustelle so spät noch Arbeiten sind. Es hat sich dann herausgestellt, dass das nicht der Fall ist.“ Die 23-jährige Studentin wohnt mit ihrem Freund in einer Seitenstraße gegenüber und hat aus ihrer Dachwohnung direkte Sicht auf den Tatort an der viel befahrenen Straße Deelböge.
Freund filmt mit dem Handy
„Es waren ungefähr vier Schussperioden. In diesen Perioden fielen immer mehrere Schüsse, etwa im Abstand von 20 Sekunden bis einer Minute“, berichtet Bauch. Von ihrem Fenster konnte sie eine Person sehen, die ganz hektisch vom Erdgeschoss ins erste Obergeschoss gelaufen sei. „Der Mann war dunkel gekleidet und schnell unterwegs“, sagt Bauch. Ob er maskiert war, konnte sie nicht sehen.
Ihr Freund hat das Geschehen mit dem Handy gefilmt. Es ist zu sehen, wie ein Polizeitransporter mit Blaulicht vor dem Gebäude steht, während auf der Straße noch Autos vorbeifahren. Schwer bewaffnete Beamte gehen zügig zum Eingang, öffnen die Tür. Sie stürmen die Treppe hoch ins Obergeschoss. Im mittleren Raum liegt wohl der mutmaßliche Schütze, wie Vehren sagt. Die Polizei geht davon aus, dass er sich selbst getötet hat. Die Beamten hätten keinen Schuss abgegeben.
Hubschrauber und Rettungswagen
Am späten Abend ist die Umgebung weiträumig abgesperrt. Behelmte und schwer bewaffnete Polizisten stehen an den Kreuzungen. Über das Handy kommt ein laut piepender Warnhinweis. „Amtliche Gefahrendurchsage der Behörde für Inneres – Polizei – Hamburg, Groß Borstel“, heißt es. „Meiden Sie den Gefahrenbereich“, werden die Empfänger aufgefordert. Der Tatort liegt an der Grenze zu Groß Borstel. Die Anwohner sollen sich nicht ins Freie begeben.
Noch mehrere Stunden nach der Tat knattert ein Polizeihubschrauber über dem Gebiet. Vehren gibt vorsichtig Entwarnung. Es gebe keine Hinweise auf einen flüchtigen Täter, sagt er mehrfach. Es sei allerdings möglich, dass die Hubschrauberbesatzung die Umgebung mit einer Wärmebildkamera absuche.
Vor dem Gebäude stehen zahlreiche Polizeifahrzeuge und Rettungswagen. Auch der Großraumrettungswagen der Feuerwehr ist zu sehen. Die Verletzten seien aber bereits in Krankenhäuser gebracht worden, sagt Vehren. Die Ermittler der Mordkommission und der Staatsanwaltschaft können das Gebäude zunächst nicht betreten. Erst muss ein Entschärfer vom Landeskriminalamt die Räume nach möglicherweise gefährlichen Gegenständen durchsuchen, wie der Polizeisprecher erklärt.
Spurensicherung
Die eigentliche „Tatortarbeit“ kann erst nach Mitternacht beginnen – das heißt Spuren sichern. Auch liegen offenbar noch mehrere Tote im Gebäude. Beamte schirmen den Eingang mit großen Tüchern ab, offenbar um das Geschehen vor den Blicken und Kameras der Pressevertreter auf der anderen Straßenseite abzuschirmen.
Das schmucklose Gebäude liegt neben einem Malerbetrieb. Auf der anderen Seite hinter der Baustelle mit drei großen Kränen befindet sich eine Tankstelle. Erst mit einigem Abstand in der Seitenstraße gegenüber stehen moderne drei- bis vierstöckige Apartmentgebäude und gut gepflegte Altbauten in Klinkerbauweise.
Anwohnerin Bauch berichtet, dass sich die Zeugen Jehovas laut Aushang immer donnerstags gegen 19:00 Uhr zu einem Gottesdienst versammelten. Das Publikum sei dabei ganz gemischt – Familien, ältere und jüngere Leute. Die Augenzeugin kann das dramatische Geschehen noch gar nicht fassen. Sie hat gesehen, wie Polizisten Verletzte an Händen und Füßen herausgetragen haben. „Ich habe das immer noch nicht ganz realisiert. Also man rechnet ja am Donnerstagabend nicht damit, dass gegenüber Leute erschossen werden“, sagt die 23-Jährige. (afp/dpa/dts)
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