Boris Palmer: CDU ist immer näher an Grüne gerückt – und hat dabei eigene Leute fast vergessen

Der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich in einem Interview dafür ausgesprochen, dass seine Partei im Fall von Koalitionsverhandlungen der CDU in Fragen der Wirtschaft und Sicherheit entgegenkommt. Lieber würde man aber mit der SPD koalieren.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne).
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer.Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Von 20. Februar 2020

In einem Interview mit dem „Focus“ erklärt der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, die CDU sei nicht der Wunschpartner seiner Partei für Koalitionen. Sollte es jedoch nur eine rechnerische Mehrheit für Schwarz-Grün geben, sollen die Grünen abseits der Umwelt- und Klimaschutzpolitik bereit sein, der Union entgegenzukommen.

Palmer, der in seiner Partei als Brückenbauer ins bürgerliche Lager gilt, rechnet nicht mit baldigen Neuwahlen im Bund, obwohl es dafür „schon länger Zeit“ wäre. Art und Zeitpunkt des Rückzuges Annegret Kramp-Karrenbauers haben nach seiner Einschätzung „das Chaos in ihrer Partei nur vergrößert“.

Palmer: Es kommt „immer so, wie von uns vorausgesagt“

Seine Partei sieht Palmer, dessen kritische Äußerungen in der Migrationsfrage ihm mehrfach scharfe interne Anfeindungen und Austrittsforderungen eingebracht hatten, nach wie vor als die politische Avantgarde des Landes:

„Wir Grünen sind es gewohnt, dass man uns vorwirft, wir würden Hirngespinste verfolgen. Vor 20 Jahren war die Idee von 100 Prozent erneuerbarer Stromversorgung ein solches Hirngespinst. Es scheint grünes Schicksal zu sein, dass wir am Anfang als Spinner bezeichnet werden und nachher kommt es so, wie von uns vorausgesagt.“

Deutschland „als erstes Land in der Europäischen Union klimaneutral zu machen“, sollte deshalb ein Ziel sein, mit dem man in Koalitionsverhandlungen gehen solle. Generell solle seine Partei mit Zielen in die Gespräche gehen statt vor allem mit Bedingungen und Forderungen. In der Innen- und Sicherheitspolitik solle man sich hingegen gesprächsbereit zeigen. Palmer gehe nämlich davon aus, dass die CDU nach den Merkel-Jahren „zu ihrer Programmatik zurückfindet“.

Maghreb-Staaten kein Zankapfel mehr

Dies sei auch sinnvoll. Zwar sei die Kluft zwischen grünen und bürgerlichen Politikern in den letzten Jahren kleiner geworden – allerdings nur, weil vor allem eine Seite sich bewegt hätte. „Teile der Union haben sich uns so sehr angenähert, dass sie ihre eigenen Parteifreunde fast vergessen haben“, erklärt Palmer. Dies drohe aber nun die Partei selbst zu spalten. So etwas sollten die Grünen auch im Fall von Bündnissen berücksichtigen und der Union Erfolge in ihren Kernbereichen zugestehen.

Im „Focus“-Interview erklärt Palmer dazu: „Ich kann nur sagen, wo wir uns durchsetzen sollten: Das wäre eine klare Konzentration auf Umweltschutz- und Klimaschutzpolitik. Dafür wurden wir gegründet. Ich bin der Meinung, dass das unsere größten Kompetenzen sind. Ich hätte keine Probleme, wenn man im Bereich der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik der CDU dafür größere Zugeständnisse macht.“

Auch Fragen wie die Anerkennung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten sollten diesbezüglich kein Zankapfel mehr sein, so Palmer: „Es kommen kaum noch Menschen aus diesen Ländern zu uns. Die Abschiebung wird durch die Erklärung zu sicheren Herkunftsstaaten nicht erleichtert, das verkürzt nur das Asylverfahren. Daher braucht man sich daher darüber nicht mehr zu streiten.“

Palmer: Koalition mit CDU für Grüne nur ein Notnagel

Generell solle man Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnen lassen: „Parteien sollten sich erst auf bestimmte Tatsachen einigen und dann im Anschluss über die politische Wertung streiten. Das ist einfacher, als von jeweils verschiedenen Tatsachen auszugehen, die in die eigene Ideologie passen. Wer Konsens in der Realitätsbetrachtung hergestellt hat, erzielt auch leichter Einigungen.“

In der Wirtschaftspolitik solle es diesbezüglich etwa um den „richtigen ökologischen Rahmen für die Betätigung der Wirtschaft unter Marktbedingungen“ gehen.

Man dürfe dennoch nicht vergessen, dass eine schwarz-grüne Option für die Mehrheit der Grünen nur einen Notnagel darstelle: „Für viele in meiner Partei ist es nach wie vor schwer vorstellbar, mit der Union in eine Regierung zu gehen. Es ist nur die normative Kraft des Faktischen – also der Wahlergebnisse – die dazu führt. Wenn wir die Wahl hätten, würden wir immer die SPD bevorzugen.“



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