Bremen: Mehr Anzeigen als Teilnehmer rund um „Querdenken“-Kundgebung?
Obwohl es der Polizei in Bremen zufolge nur jeweils einige hundert Personen waren, die am Samstag (5.12.) an Ersatzveranstaltungen zur verbotenen „Querdenken“-Kundgebung oder der Gegendemonstration teilgenommen hatten, soll es zu fast 700 Anzeigen und 900 Platzverweisen gekommen sein. Zwei Beamte seien zudem im Einsatz verletzt worden.
Mäurer: „Wenn wirklich 20.000 kommen, haben wir ein Problem“
Wie das NDR-Magazin „Buten un binnen“ berichtet, seien unter anderem Anzeigen wegen Beleidigung, Widerstandes gegen Vollzugsbeamte oder Landfriedensbruchs erstattet worden. Betroffen seien sowohl Anhänger des „Querdenken“-Bündnisses als auch Teilnehmer der Gegenkundgebung.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer klagte, dass der gesamte Polizeieinsatz dem Land Bremen voraussichtliche Kosten von 750.000 Euro verursache werde – ungeachtet des Kundgebungsverbots.
Es habe sich, so hieß es aus dem Ministerium, um den „größten Polizeieinsatz in der Bremer Geschichte“ gehandelt. Darüber hinaus warnte Mäurer:
„Wenn sich 20.000, 30.000 hier versammeln, dann haben wir ein Problem.“
„Bündnis gegen Rechts“ durfte in Bremen demonstrieren
Das Bündnis gegen die Corona-Maßnahmen hatte im Vorfeld von voraussichtlich 20.000 Teilnehmern gesprochen, die zu ihrem geplanten „Bundesweiten Fest für Frieden und Freiheit“ erscheinen sollten. Als Redner waren unter anderem der Stuttgarter Initiator von „Querdenken 711“, Michael Ballweg, sowie der Berliner Anselm Lenz und der Wiener Alexander Ehrlich angekündigt.
Die Kundgebung sollte auf der Bürgerweide stattfinden. Diese hatte die Polizei am Samstag abgeriegelt. Lediglich eine Gegenkundgebung des „Bündnis gegen Rechts“ durfte dort stattfinden, an der sich 300 Personen beteiligt haben sollen.
Da acht Gegendemonstrationen erlaubt worden waren und aus den Reihen des Bündnisses Aufrufe zu verzeichnen waren, sich trotz des Verbots zu Spontankundgebungen zu versammeln, hielt es der Innensenat für geboten, ein massives Polizeiaufgebot zu mobilisieren. Neben Einsatzkräften aus Bremen selbst seien auch Bundespolizisten aus insgesamt sechs weiteren Bundesländern angefordert worden.
Mehrere hundert „Querdenken“-Anhänger kamen dennoch in die Stadt
An mehreren spontanen Zusammenkünften von „Querdenken“-Anhängern nahmen zwischen mehreren Dutzend und 300 Personen teil. Die Polizei sprach auch von „spontanen Störaktionen“ rund um die Bürgerweide. Dabei sei es zu Verkehrsbehinderungen gekommen. In der Hollerallee habe man ein Aufeinandertreffen von Anhängern und Gegnern der Bewegung verhindern müssen. Dabei sei ein Polizist von einem Störer getreten und verletzt worden.
Ein weiterer Beamter sei verletzt worden, als eine unangemeldete Versammlung von etwa 300 „Querdenken“-Anhängern auf der Höhe des Bürgerparks aufgelöst werden sollte. In allen Fällen kam es zu Identitätsfeststellungen, Platzverweisen und vielfach zu Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten.
Im Findorff-Tunnel kam es später zu einem gefährlichen Angriff in den Straßenverkehr, als dort zwei Rauchbomben gezündet worden waren. Die Polizei überprüfte 17 Personen als mögliche Beteiligte. Am späteren Nachmittag kam es noch zu kleineren Kundgebungen, die ebenfalls aufgelöst wurden.
FDP-MdBB Bergmann gegen präventive Verbote
Die FDP-Abgeordnete zur Bremischen Bürgerschaft, Birgit Bergmann, hatte im Vorfeld der geplanten offiziellen Veranstaltung der „Querdenken“-Bewegung vor einem Verbot gewarnt. Auf Facebook erklärte sie:
„Emotional ist das Verbot verständlich und auch mir absolut nachvollziehbar. Aber weder Inhalte, die uns nicht passen, noch prognostiziertes Verhalten können ein präventives Verbot rechtfertigen, denn Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind ganz zentrale Grundrechte.“
Innensenator Mäurer sprach hingegen ein Verbot aus, weil eine „erhebliche Infektionsgefahr“ von der Kundgebung ausgehe. Die Bremer Verwaltungsgerichte bestätigten das Verbot; die von „Querdenken“ erhoffte einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts am geplanten Tag der Versammlung blieb aus.
„Ultima Ratio im Einzelfall“
Obwohl das Höchstgericht in der Vergangenheit mehrfach die Versammlungsfreiheit gegen Demonstrationsverbote behauptet hatte, in vielen Fällen auch im Zusammenhang mit angekündigten Kundgebungen der „Querdenken“-Bewegung, dürfte dieser nun die angegebene hohe Teilnehmerzahl zum Verhängnis geworden sein.
Die Gerichte hatten sich in ihren Verbotsentscheidungen auf diese berufen und das Risiko einer Gefährdung der Öffentlichkeit bejaht. Deshalb sei auch kein milderes Mittel als das Versammlungsverbot zur Verfügung gestanden.
Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ berichtet, sei das Verbot im Sinne des am 18. November geänderten Infektionsschutzgesetzes als „Ultima Ratio im Einzelfall“ qualifiziert worden. Während es nun im Gesetz explizit heißt, dass eine „lediglich auf pauschalen Erwägungen basierende Untersagung“ von Demonstrationen unzulässig sei, Verbote jedoch dann zulässig wären, wenn ansonsten Bemühungen zur Eindämmung von COVID-19 „erheblich gefährdet“ wären.
Ankündigte hohe Teilnehmerzahl als Fallstrick?
Anders als im Fall der Gegendemonstration gingen Verwaltung und Gerichte in Bremen davon aus, dass dies bei den Teilnehmern der „Querdenken“-Kundgebung der Fall sein würde. Das Oberverwaltungsgericht Bremen bezog sich dabei explizit auf Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen.
Es wurde die Bereitschaft der Organisatoren in Zweifel gezogen, allfällige Auflagen der Behörden einzuhalten oder durchzusetzen. Diesen Eindruck hätten die Organisatoren in ihrer eigenen Werbung gestärkt, weil sie dort erklärt hätten, nicht bereit zu sein, auf eine strikte Umsetzung möglicher Auflagen hinzuwirken.
Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Eilbeschluss fest, dass die Verfassungsbeschwerde weder „offensichtlich unbegründet“ noch „erkennbar erfolgreich“ sei. Es sah sich angesichts der knappen verbleibenden Zeit nicht mehr in der Lage, inhaltlich dazu Stellung zu nehmen.
Im Wege einer „Folgenabwägung“ verweigerte man die einstweilige Anordnung gegen das Verbot, weil nach der „nicht widerlegten“ Feststellung des Bremer Ordnungsamtes die gebotenen Mindestabstände im Fall einer tatsächlichen Teilnahme von 20.000 Personen nicht eingehalten werden könnten.
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