BSW: Wagenknecht will am Montag Partei vorstellen – Höcke wittert „narzisstische Störung“

Noch-Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht wird Angaben aus ihrem Umfeld zufolge am Montag definitiv die Gründung einer eigenen Partei verkünden. Bei der AfD sorgt das für Nervosität – und bei Gregor Gysi für ein überraschendes Eingeständnis.
«BSW» steht für «Bündnis Sahra Wagenknecht».
„BSW“ steht für „Bündnis Sahra Wagenknecht“.Foto: Henning Kaiser/dpa
Von 20. Oktober 2023


Die endgültige Entscheidung über ein eigenständiges politisches Projekt der langjährigen Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht ist offenbar gefallen. Unter Berufung auf mehrere Quellen aus ihrem Umfeld berichtete der „Spiegel“, dass Wagenknecht am kommenden Montag, 23. Oktober, den Verein „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V.“ vorstellen wird. Aus diesem heraus soll Anfang des nächsten Jahres eine wahrscheinlich gleichnamige politische Partei entstehen.

Kürzel „BSW“ weist auf Wagenknecht hin

Vor bereits zwei Woche hatte das „Neue Deutschland“ (ND) über die Gründung des Vereins geschrieben. Diese fand Ende September vor dem Amtsgericht Mannheim statt. Das Blatt hatte dies als offizielles Signal zur Gründung einer Wagenknecht-Partei gewertet.

Beteiligt an der Gründung waren mehrere Personen aus dem Umfeld der Linkspartei. So gut wie alle Proponenten weisen ein enges Verhältnis zu Wagenknecht, ihrem Ehemann Oskar Lafontaine oder deren Vertrauten auf.

Das Kürzel soll für „Bündnis Sahra Wagenknecht“ stehen, die Lesart „Bündnis Sozialer Wandel“ ist auch möglich. Ebenfalls am Montag soll die Politikerin auch ein inhaltliches Dokument vorstellen, das als eine Art Programmentwurf dienen soll.

Ausschluss aus Partei und Fraktion vorprogrammiert

Von einem Austritt aus der Linkspartei oder einem Verlassen der Bundestagsfraktion ist noch nicht die Rede. Allerdings dürfte die definitive Ankündigung eines eigenen parteipolitischen Projekts jeweils zu einem Ausschluss führen.

Der Bundesvorstand der Linken hatte bereits einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit Blick auf den Verein BSW gefasst. In der Linkspartei läuft gegen Wagenknecht auch schon ein Ausschlussverfahren. Dieses hatten mehr als 50 Mitglieder der Linken unter Verweis auf die bevorstehende Konkurrenz-Parteigründung beantragt.

Ein Ausschluss Wagenknechts allein würde noch nicht das Ende des Fraktionsstatus bedeuten. Nach dem Austritt des zur SPD gewechselten Thomas Lutze verfügt die Linksfraktion über 38 Sitze. Ohne Wagenknecht würde sie gerade noch auf die Mindeststärke von 37 Mandaten kommen. Allerdings wäre damit zu rechnen, dass zumindest einige weitere Fraktionsmitglieder sich der designierten Parteigründerin anschließen würden.

Bartsch fordert Wagenknecht zur Mandatsniederlegung auf

Fraktionschef Dietmar Bartsch hat die geplante Parteigründung scharf kritisiert und Wagenknecht zur Niederlegung ihres Bundestagsmandats aufgefordert. Gegenüber der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe) sagte er, ihr Schritt sei „unverantwortlich angesichts der gesellschaftlichen Situation und der Lage der Linken“.

Es sei „höchstproblematisch“ und „auch unmoralisch“, dass Wagenknecht Mandate mitnehme, die sie „über die Linkspartei erworben“ habe. Allerdings gilt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz das Prinzip des freien Mandats – auch wenn dieses über eine Parteiliste erworben wurde.

Darüber hinaus verdanken sowohl Wagenknecht als auch Bartsch selbst ihre Mandate im Bundestag jenen drei Direktmandaten, die der Linken den Wiedereinzug retteten. Die Partei selbst war mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Nach dem neuen Wahlrecht, das die Ampelkoalition im März beschlossen hatte, wäre dieser Umweg in den Bundestag nicht mehr möglich.

Gysi „seit 1967“ in der Linkspartei

Gegenüber den ARD-„Tagesthemen“ warf die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, Wagenknecht einen „Egotrip“ und „verantwortungsloses Handeln“ vor. Auch sie forderte Wagenknecht und Abgeordnete, die sich ihr anschließen wollen, zur Niederlegung ihrer Mandate auf.

In der Sendung „Maischberger“ meldete sich auch das Aushängeschild der Linkspartei, Gregor Gysi, zu den Parteiplänen Wagenknechts zu Wort. Er nannte diese ein „so kleines Problem“, dass er sich nicht weiter dazu äußern wolle. Er machte aber deutlich, bei der Linkspartei bleiben zu wollen. In diesem Zusammenhang äußerte er:

Mein Gott, der gehöre ich jetzt seit 1967 an.“

Auf X führte dies zu erstaunten Reaktionen. Im Jahr 1967 war Gysi in die DDR-Staatspartei SED eingetreten. Bis dato waren die Linkspartei und ihr nahestehende Medien stets versucht, diese Kontinuität in Abrede zu stellen. Gysi hingegen bestätigte – ob bewusst oder ungewollt – mit seiner Aussage, dass es eine solche durchgehende Linie gebe.

Höcke wirft Wagenknecht Personenkult vor

Spätestens im nächsten Jahr muss Wagenknecht den Verein in eine politische Partei umgewandelt haben. Eine Kandidatur zur EU-Wahl wäre zwar auch als „politische Vereinigung“ möglich. Für eine Kandidatur zu den Landtagswahlen im Herbst wäre zumindest in Sachsen und Thüringen die Rechtsform einer Partei erforderlich.

Meinungsumfragen billigen einer Wagenknecht-Partei bei allen überregionalen Wahlen des Jahres 2024 gute Erfolgschancen zu. Dies macht auch Teile der Konkurrenz nervös, insbesondere die AfD. Neben bisherigen Wählern der Linkspartei und Nichtwählern sind deren Anhänger in überdurchschnittlichem Maße für dieses Angebot empfänglich.

Der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke fragt auf X, ob der auf Wagenknecht zugeschnittene Vereinsname „Selbstbewusstsein oder eine narzisstische Störung“ ausdrücke. Höcke, dem innerparteiliche Kritiker selbst eine Neigung zum Personenkult attestieren, fragt, ob eine „echte alternative Linke ihren Ausgang in der Inszenierung einer Person haben“ könne.

BSW-Umfeld schon jetzt zerstritten über Bewertung des Gaza-Konflikts

Programmatisch zeichnet sich ab, dass das BSW zumindest in der Migrations- und Klimapolitik klare Unterschiede zur Linkspartei erkennen lassen wird. Dennoch zeichnen sich schon jetzt potenzielle Konfliktlinien ab. Eine davon wäre der aktuelle Konflikt im Nahen Osten. In sozialen Medien zeigen sich Anhänger Wagenknechts in dessen Bewertung stark gespalten. Zudem könnte es auch zu Reibungspunkten in gesellschaftspolitischen Fragen kommen – insbesondere dann, wenn Wagenknecht die Partei breiter aufstellen will als die bisherige Linke.

(Mit Material von dts und AFP)

ERRATUM
Eine frühere Version des Artikels hat auf die Webseite www.bswpartei.de verlinkt und diese als Internetauftritt der „BSW-Partei“ beschrieben. Das ist falsch. Es handelt sich um eine gefälschte Website, auf der Wagenknechts Berliner Büro im Impressum angegeben war. Wagenknecht hat dagegen Anzeige erstattet.

Die wirkliche Domain der neuen Partei soll laut Spiegel www.Buendnis-Sahra-Wagenknecht.de heißen und am Montag gelauncht werden.



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