Bürokratie, Steuer, E-Rezept: Ampel berät über weiteren Kurs in der Koalition
Zum Abschluss seiner Klausurtagung auf Schloss Meseberg verabschiedet das Bundeskabinett am Mittwoch eine Reihe von Gesetzentwürfen. Im Mittelpunkt stehen Steuererleichterungen für Unternehmen, Bürokratieabbau und die verstärkte Digitalisierung im Gesundheitswesen. Ergebnisse und zentrale Entscheidungen werden in einer abschließenden Pressekonferenz vorgestellt.
50 Steuererleichterungen für die Wirtschaft
Das sogenannte Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) enthält 50 Steuererleichterungen, durch die Unternehmen bis 2028 bis zu 32 Milliarden Euro sparen sollen. Kern ist eine Prämie für Investitionen in Klimamaßnahmen: Unabhängig vom Gewinn soll eine steuerliche Investitionszulage von 15 Prozent der Investitionssumme gezahlt werden.
Neue Abschreibungsmöglichkeiten sollen die Liquidität von Unternehmen verbessern und für Investitionen sorgen. Wirtschaftsverbände und auch die Grünen hatten zuletzt beklagt, das Paket sei nicht umfangreich genug, um die Unternehmen in der Wirtschaftsflaute tatsächlich zu schützen.
Unternehmen sollen von Papierbergen befreit werden
Justizminister Marco Buschmann (FDP) will mit einem Bürokratieentlastungsgesetz vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen den Aufwand im „Bürokratie-Dickicht“ Deutschland spürbar reduzieren. Für die Wirtschaft seien die komplizierten Verfahren ein echter Grund, nicht zu investieren, meint die Regierung.
Mit diversen Maßnahmen will die Ampel jetzt Abläufe beschleunigen und zum Beispiel dafür sorgen, dass Unternehmen nicht mehr so viele Papierbelege über Jahre archivieren müssen. Laut Nachrichtenportal „The Pioneer“ soll die Wirtschaft mit dem Gesetz um mehr als zwei Milliarden Euro bei den Bürokratiekosten entlastet werden. Noch liegt allerdings kein Gesetzentwurf vor, beschließen wird das Kabinett zunächst nur Eckpunkte.
E-Rezept auf breiter Front
Auf den Weg bringen will die Regierung auch zwei Gesetze von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Vom 1. Januar 2024 an soll es für Ärzte verpflichtend werden, Verschreibungen elektronisch auszustellen. Die Praxen sollen sich dafür schrittweise umstellen. Ein Start in größerem Stil hatte sich auch wegen technischer Probleme mehrfach verzögert. Eigentlich bestand die Verpflichtung für die Praxen dazu auch schon ab Anfang 2022.
Entscheidenden Schub bringen soll ein einfacherer Einlöseweg für E-Rezepte. Seit 1. Juli ist es in Apotheken möglich, dafür die Versichertenkarte der Krankenkasse in ein Lesegerät zu stecken. Schon länger sind E-Rezepte anstelle der gewohnten rosa Zettel auch über eine spezielle App oder einen ausgedruckten QR-Code einzulösen.
In den Praxen sind aber noch nicht überall die Voraussetzungen dafür geschaffen. Dazu gehört ein Verbindungsgerät an die Datenautobahn des Gesundheitswesens. Die E-Rezepte werden auf einem zentralen Server gespeichert und beim Einstecken der Kassenkarte wird die Apotheke autorisiert, sie von dort abzurufen.
E-Patientenakte für alle
Als wählbares Angebot sind E-Akten bereits 2021 eingeführt worden. Sie sollen ein persönlicher Datenspeicher sein und Patienten im Prinzip ein Leben lang bei allen Ärzten begleiten. Die gebündelten Daten sollen auch Wechselwirkungen von Medikamenten und unnötige Mehrfachuntersuchungen vermeiden. Bisher hatte sich allerdings nur etwa ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten für eine E-Akte entschieden. Erklärtes Beschleunigungsziel der Bundesregierung ist es, bereits bis 2025 auf 80 Prozent zu kommen.
Dafür will die Koalition auf das Prinzip „Opt-out“ umschwenken: Laut Gesetzentwurf sollen die Krankenkassen breit informieren und dann bis 15. Januar 2025 für alle gesetzlich Versicherten automatisch eine E-Akte einrichten – es sei denn, man widerspricht aktiv. Abrufbar sein soll die E-Akte dann mit bestimmten Identifikationsregeln über eine Kassen-App.
Was Ärzte in die Akte einstellen und wer worauf zugreifen kann, soll man selbst festlegen können. Zuerst soll eine Medikamenten-Übersicht nutzbar sein, folgen sollen unter anderem Laborbefunde. Bei Kassenwechsel kann man die Daten mitnehmen.
Georgien und Moldau sollen sichere Herkunftsstaaten werden
Beschlossen werden soll zudem ein Gesetz zur Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten von Migranten. „Beide Staaten wollen Mitglieder der Europäischen Union werden. In beiden Staaten droht Menschen in aller Regel keine politische Verfolgung. Mehr als jeder zehnte abgelehnte Asylantrag kommt aus diesen beiden Ländern“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Sichere Herkunftsstaaten sind Staaten, bei denen davon ausgegangen wird, dass es dort im Regelfall weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gibt und dem betroffenen Ausländer damit in seiner Heimat kein ernsthafter Schaden droht. Durch die Aufnahme von Ländern in die Liste können Asylverfahren schneller bearbeitet und abgelehnte Asylbewerber leichter abgeschoben werden.
Pressekonferenz zu dritt zum Abschluss der Klausur
Zum Abschluss der fünften Klausurtagung des Bundeskabinetts von SPD, Grünen und FDP seit der Vereidigung im Dezember 2021 wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Lindner auf einer Pressekonferenz über die Ergebnisse berichten.
Nach früheren Kabinettsklausuren wurden diese Auftritte auch dazu genutzt, bei allen Meinungsverschiedenheiten ein gewisses Maß an Geschlossenheit zu demonstrieren. Diesmal ist das wohl so nötig wie noch nie. Seit März ist die Regierungsarbeit von heftigen Auseinandersetzungen über das Heizungsgesetz oder die Kindergrundsicherung belastet.
In den Umfragen sind die Ampel-Parteien inzwischen weit von einer Mehrheit entfernt. 72 Prozent sind nach einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov unzufrieden mit der Arbeit der Regierung in der ersten Halbzeit der Wahlperiode. Die Koalitionäre führen die schlechten Werte selbst auf ihre teilweise missratene Kommunikation zurück: „Wir versauen es uns permanent selbst. Und das ist natürlich auf Dauer kein Erfolgsgeheimnis“, sagte Vizekanzler Habeck kürzlich.
Heil ruft zu Zusammenhalt in Koalition auf
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil appellierte derweil an seine Koalitionspartner, öffentlichen Streit zu unterlassen und Gemeinsamkeiten nach vorn zu stellen. „Also ich kann nur raten (…), dass wir aufhören, sozusagen kleinkariert in der Koalition auszuzählen, wer sich wo durchgesetzt hat und miteinander unsere Pflicht tun“, sagte der SPD-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“. Dazu könnten alle Koalitionspartner ihren Beitrag leisten. Im Sommer sei hingegen kommunikativ viel schiefgelaufen. (dpa/afp/dl)
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