Bundesrechnungshof ermahnt Ampel: Schulden nicht in Sondervermögen verstecken

Im aktuellen Beratungsbericht an das Bundesfinanzministerium hat der Bundesrechnungshof deutliche Kritik an der Vielzahl der Sondervermögen geübt. Diese seien vielmehr „Sonderschulden“ und gefährdeten das Budgetrecht des Parlaments.
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Kritik übt der Bundesrechnungshof an der Vielzahl und Ausstattung der Sondervermögen des Bundes.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 1. September 2023


Unmissverständliche Kritik übt der Bundesrechnungshof in seinem aktuellen Beratungsbericht an das Bundesfinanzministerium an der Haushaltspolitik der Ampel-Koalition. Anstoß nehmen die Rechnungsprüfer dabei an der Anzahl der Sondervermögen auf Bundesebene – und insbesondere an der Bedeutung jener mit Kreditermächtigung.

Bundesrechnungshof: „Nur ein Zehntel der Sondervermögen werthaltig“

Dies habe zur Folge, dass die im Bundeshaushalt ausgewiesene Nettokreditaufnahme deutlich niedriger ausfallen könnte als die tatsächliche. Allein für das Jahr 2022 betrage diese real 195,5 Milliarden Euro, während im Etat selbst lediglich 115,4 Milliarden ausgewiesen seien.

Im laufenden Jahr sei mit einem noch deutlicheren Missverhältnis zu rechnen. Hier stünden lediglich 45,6 Milliarden Euro an ausgewiesener Nettokreditaufnahme nicht weniger als 147,2 Milliarden Euro über Sondervermögen gegenüber.

Nur rund zehn Prozent der größeren Sondervermögen, so der Bericht, seien dabei werthaltig, betont der Bundesrechnungshof in einer Erklärung. Der überwiegende Teil werde kreditfinanziert. Ende 2022 habe das Verschuldungspotenzial insgesamt rund 522 Milliarden Euro betragen. Tatsächlich sei für die Jahre 2023 bis 2027 nur ein Fünftel der Summe in der Finanzplanung ausgewiesen.

Gesamtvolumen allein bei den größeren Vermögensmassen bei etwa 869 Milliarden Euro

Insgesamt, so der Bundesrechnungshof, bestehen derzeit nicht weniger als 29 Sondervermögen auf Bundesebene. Das älteste sei das aus dem Jahre 1951 stammende „Treuhandvermögen für den Bergarbeiterwohnungsbau“. Allein die aktuell bestehenden größeren Sondervermögen addierten sich dabei auf ein Gesamtvolumen von 869 Milliarden Euro.

Die sechs größten Sondervermögen mit Kreditermächtigung – darunter jene für die Energiekrise und Corona – hätten zum Ende des Vorjahres 395,1 von 590,2 möglichen Milliarden Euro ausgeschöpft. Lediglich der „Restrukturierungsfonds“ (RSF) und das „Sondervermögen Bundeswehr“ hätten von ihren Kreditermächtigungen bislang nicht Gebrauch gemacht.

Bezüglich der durch Zuführungen aus dem Bundeshaushalt gespeisten Sondervermögen nennt der Bundesrechnungshof ebenfalls Zahlen. Diesbezüglich habe der Bund von insgesamt 190 vorgesehenen Milliarden Euro bislang 126,9 Milliarden tatsächlich zugeführt.

„An Errichtung und Weiterführung ein restriktiver Maßstab anzulegen“

Der Bundesrechnungshof weist darauf hin, dass es sich bei Sondervermögen um „Sonderhaushalte“ und „budgetflüchtige Einrichtungen“ handelt. Das Grundgesetz sehe die Möglichkeit, sie einzurichten, zwar in Artikel 110 Absatz 1 vor. Allerdings seien sie aus dem Haushaltsplan ausgegliedert.

Dieser müsse sich nach den verfassungsrechtlich bestimmten Haushaltsgrundsätzen der Vollständigkeit und Einheit richten. Der entsprechende Grundsatz schütze das Budgetrecht des Parlaments. Entsprechend drohe dieses durch die Auslagerung von Finanzierungsvorhaben – sowie mögliche Haftungsverpflichtungen – ausgehöhlt zu werden. Der Bundesrechnungshof mahnt in diesem Zusammenhang:

An die Errichtung und auch die Weiterführung von Sondervermögen als budgetflüchtige Einrichtungen sollte deshalb ein restriktiver Maßstab angelegt werden. Kernaufgaben des Staates sollten aus dem Kernhaushalt finanziert werden.“

Es sei zudem zutreffender, statt von Sondervermögen von „Sonderschulden“ zu sprechen.

Sondervermögen entkernen den Bundeshaushalt und seinen Gesetzgeber

In dem Bericht heißt es zwar, man sei sich der Absicht der Bundesregierung bewusst, Zahl und finanziellen Umfang der Sondervermögen zu reduzieren. Allerdings reichten die bisherigen Schritte bei Weitem nicht aus, um die Entkernung des Bundeshaushalts zu beseitigen.

Der Bundesrechnungshof fordert die Bundesregierung auf, insbesondere große Sondervermögen wie den „Klima- und Transformationsfonds“ unter die Lupe zu nehmen. Diese gelte es, auf ihre „Eignung und Erforderlichkeit“ zu überprüfen.

Insgesamt betonen die Rechnungsprüfer, dass „an die Errichtung, aber auch die Weiterführung von Sondervermögen als budgetflüchtige Einrichtungen ein restriktiver Maßstab anzulegen ist“. Werde der Bundeshaushalt durch Sondervermögen „entkernt“, laufe er Gefahr, seine zentrale Funktion einzubüßen.

Die Praxis der Ampel, krisenbedingte Ausgaben über Sondervermögen zu finanzieren, klammere dadurch bedingte Zuwächse an Budgetabflüssen aus dem Bundeshaushalt aus. Dies suggeriere „eine tatsächlich nicht bestehende haushaltspolitische Normalität“. Zudem verleite dies dazu, „krisenbedingte Ausgaben über das erforderliche Maß hinaus zu veranschlagen“.

Ricarda Lang schlug zuletzt weitere Umgehungskonstruktion für Schuldenbremse vor

Erst jüngst hatte Grünen-Chefin Ricarda Lang vorgeschlagen, Aufgaben und finanzielle Ausstattung öffentlicher Investitionsgesellschaften zu forcieren. Dies solle „notwendige Zukunftsinvestitionen“ ermöglichen, beispielsweise im Wohnungsbau.

Der Bund würde diese mit Eigenkapital ausstatten, über Kredite können sie weiteres Kapital aufnehmen und investieren. Allerdings würde im Fall des Misserfolgs einer solchen Investition der Bund die Haftung übernehmen – und damit auch der Steuerzahler.

In den Reihen der FDP stieß der Vorschlag auf massive Kritik. Auch hier gehe es lediglich darum, die Schuldenbremse zu umgehen, betonte Bundesfinanzminister Christian Lindner. Es gebe allerdings „keinerlei Evidenz“ dafür, dass die Schuldenbremse Investitionen verhindere.



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