Rechnungshof: „Regierung verschleiert Haushaltslage“ – Neuverschuldung 2023 mehr als das Doppelte

Tatsächlich betrage die Neuverschuldung für 2023 107 Milliarden anstelle von 46 Milliarden. Der Bundesrechnungshof kritisiert die Vielzahl der Nebenhaushalte und die einhergehende Intransparenz.
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Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs, spricht während einer Pressekonferenz.Foto: Wolfgang Kumm/dpa/Archiv/dpa
Von 30. November 2022


Kritik an der Haushaltspolitik der Bundesregierung kommt aus dem Bundesrechnungshof. Dessen Präsident Kay Scheller wirft der Ampelkoalition im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwochsausgaben) vor, die Haushaltslage zu verschleiern. Scheller kritisiert vor allem Tricks im Zusammenhang mit dem Umgang mit Staatsschulden:

Viele Nebenhaushalte und eine immer kreativere Buchführung sorgen für Intransparenz.“

Scheller widerspricht der Darstellung von Bundesfinanzminister Christian Lindner, im nächsten Jahr halte die Bundesregierung die Schuldenbremse wieder ein. Tatsächlich sei die für 2023 geplante Schuldenaufnahme mit fast 107 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie offiziell ausgewiesen. Die Regierung spricht von lediglich 46 Milliarden Euro.

Scheller: Bund stellt Haushaltslage nicht ehrlich dar

Das tatsächliche Ausmaß der Neuverschuldung gehe weit über das laut Grundgesetz tolerierbare Maß hinaus. Die Bundesregierung versäume es, die tatsächliche Lage offen und ehrlich darzustellen.

Bereits in der Vergangenheit hat der 2014 für die Dauer von zwölf Jahren ernannte Kay Scheller vor Verschleierungen der Haushaltslage gewarnt. Der Bundesrechnungshof, der 1.150 Mitarbeiter zählt, soll als unabhängige Behörde über die effiziente Verwendung von Steuermitteln wachen.

Erst im Oktober erklärte Scheller gegenüber dem „Spiegel“, Lindners Ankündigung, die Zahl der Sondervermögen zu reduzieren, gehe nicht weit genug. Der Rechnungshofpräsident sagte damals:

Wir sollten die Finger von Sondervermögen lassen, in denen noch größere Summen Geld liegen und die beispielsweise der langfristigen Vorsorge dienen.“

Sobald diese aufgelöst würden, fielen sie zurück an den Bundesfinanzminister und würden mit hoher Wahrscheinlichkeit „für kurzfristige Zwecke verfrühstückt“. Die Bundesregierung will unter anderem den sogenannten Abwehrschirm über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanzieren. Dieser war ursprünglich zur Bewältigung von Folgen der Corona-Krise vorgesehen. Um Wirtschaft und Bürger vor explodierenden Energiepreisen zu schützen, will die Ampel bis zu 200 Milliarden Euro ausgeben.

Bundesrechnungshof kritisierte bereits 60 Milliarden Euro für Klimafonds

Dies war nicht der erste Haushaltstrick auf dieser Grundlage. Bereits kurz nach Regierungsantritt verschob Lindner rund 60 Milliarden Euro an nicht in Anspruch genommenen Corona-Vermögensbeständen in den „Energie- und Klimafonds“. Die Union klagte vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diesen Schritt.

Auch Scheller warnte damals schon vor dem Vorgehen. Lindner hatte von einem Signal an Kapitalgeber gesprochen, dass die Schuldenbremse weiter gelte. Der Präsident des Bundesrechnungshofs hingegen äußerte:

Den Kapitalmärkten ist egal, ob sich der Bund für den Haushalt oder Sondertöpfe verschuldet – sie schauen vor allem auf die Tragfähigkeit der Gesamtverschuldung.“

Schulden machen zur Schaffung von Spielräumen

Im „Handelsblatt“ erklärte Scheller, der korrekte Ansatz und verfassungsrechtlich unproblematisch wäre es gewesen, einfach den Kreditbedarf zu senken. Immerhin habe man das Geld nicht im vorgesehenen Umfang in Anspruch genommen. Ursprünglich war für 2021 infolge der Pandemie eine Rekordverschuldung in Höhe von 240 Milliarden Euro eingeplant. Benötigt hat man am Ende jedoch nur 180 Milliarden.

Die nicht genutzten Mittel im Energie- und Klimafonds zu parken, beseitige den „Bezug zu der Notlage, mit der die Aussetzung der Schuldenbremse begründet wurde“. Stattdessen nehme man neue Schulden auf, nur um sich selbst Spielraum zu verschaffen. Man verschiebe auf diese Weise jedoch Belastungen in die Zukunft und damit auf künftige Generationen.

Auf diese Weise schränke man nicht nur deren haushaltspolitischen Handlungsspielraum ein. Es steige zudem das Risiko, dass sich die Zinsen erhöhten und die Kreditlasten für den Staat insgesamt zunehmen würden.

Scheller fordert Ernsthaftigkeit bei Subventionsabbau und Sozialversicherung

Der Rechnungshofpräsident forderte die Bundesregierung auf, bei den Ausgaben zu priorisieren und an anderer Stelle zu sparen. So müssten etwa Subventionen abgebaut werden. „Wer die Zukunft gestalten will, muss sich von Finanzhilfen trennen, die einfach nicht mehr in die Zeit passen“, sagte Scheller. Seit Jahren passiere beim Thema Subventionsabbau aber nichts.

Auch bei den Sozialversicherungen sieht Scheller Reformbedarf. „Die Lösungen liegen teilweise schon seit Jahren auf dem Tisch: Leistungen kürzen oder höhere Beiträge oder länger arbeiten sind die Stellschrauben“, sagte er. Dies erfordere aber unpopuläre Entscheidungen. „Das Problem lässt sich nicht durch Aussitzen lösen“, sagte der oberste Rechnungsprüfer.

(Mit Material von AFP und dts)



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